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Die Welt am Draht, das sind Kommentare, Informationen, Gedanken und natürlich News rund um die Welt der Comics und darüber hinaus.

31.03.2005

The Politics of Rape
(Lesetipp)

Ruhige Comicwoche. Ziemlich ruhig.

Trotzdem ein kleiner Lesetipp: Steven Grant redet über Vergewaltigungen im Comic. Das ist kein sehr schönes Thema - wenn auch besser als Vergewaltigungen in der Realität -, aber wenn die Comicmacher wieder und wieder damit zurückkommen und Vergewaltigungen als schnelles Schockmittel einsetzen müssen, dann ist es zumindest gut zu wissen, dass es Kommentatoren gibt, die sich ernsthaft und vernünftig damit auseinandersetzen. Mr. Grant fragt unter anderem welchen Sinn die Vergewaltigungen im Kontext der Story haben können, wieso keine Männer in Comics vergewaltigt werden und inwiefern Vergewaltigung (zumindest andeutungsweise) schon immer fester Bestandteil der Superheldencomics war. Ein wirklich gut durchdachter Text, sehr lesenswert.

Aber abgesehen davon, ruhige Comicwoche.

posted by Björn um 17:05 | Permalink


30.03.2005

Jung und gut
(die neue Website von Anna-Maria Jung)

Eine gerade von mir gemachte Entdeckung verdient eine besondere Erwähnung, einhergehend auch mal wieder ein (zugegeben nur kurzer) Blog-Eintrag von mir: Anna-Maria Jung, eine ambitionierte 20jährige Grazerin eröffntete kürzlich unter www.jung-comics.com ihre eigene Ausstellung; eine Plattform für Anna-Marias diverse Projekte, darunter zwei publizierte Comic-Stories, etliche Skizzen und Charakterstudien und sogar interessante Animationsarbeit.

Nicht nur inhaltlich, auch vom Design her eine anschauliche Internetseite einer bemerkenswerten Frau. Also schaut mal rein...

posted by the Ben um 21:44 | Permalink


24.03.2005

Frisch aus der Druckerei, 8/05
(Comic-Neuheiten der Woche)

Die letzte Neuerscheinungsliste liegt schon etwas zurück, was vielleicht auch mit dem Insolvenzverfahren beim Vertrieb Modern Graphics zu tun hat. Jedenfalls ist die aktuelle Liste der Sammlerecke diesmal ellenlang. Dann wollen wir mal:

HIGHLIGHT DER WOCHE: Beim Berliner Avant Verlag erscheint das Debütalbum des Italieners und Wahlberliners Manuele Fior: Menschen am Sonntag, eine Liebesgeschichte aus Friedrichshain. Kollege Millus hat gar nicht mal so unrecht, wenn ihn Fiors Zeichenstil an Craig Thompson ("Blankets") und Mawil ("Wir können ja Freunde bleiben") erinnert. Das sind doch schon mal gute Vorzeichen...

Jules Verne gehört zu den großen Übervätern der phantastischen Literatur und hat mit seinem Werk auch im Medium Comic viele Spuren hinterlassen. Heute ist sein hundertster Todestag - aus diesem Anlass erscheint bei Ehapa der Alben-Zweiteiler Jules Verne: Reisen unter dem Meer von Francois Rivière und Serge Micheli. Verne trifft darin auf die Figuren aus seinen Romanen "20.000 Meilen unter dem Meer" und "Die geheimnisvolle Insel".

Aus der Abteilung "Skurille Zielgruppencomics": Lucky and Duke: The Great Jamaican Treasury Swindle - Mo Rita T. und Randolph J. Holyfield (was für Künstlernamen!) erzählen von einem Kiffertrip nach Jamaika.

Auch wer mit "Savage Dragon" nichts anfangen kann, sollte mal einen Blick in Hit Comics #38 werfen: neben zwei SD-Geschichten wird dort nämlich auch das famose Heft #7 von Brian Bendis' "Powers" abgedruckt, in dem Warren Ellis als Gaststar auftritt. Ellis begleitet Detective Walker zu Recherchezwecken und schwadroniert dabei pausenlos über Comics. Obendrein gibt's den ersten Teil von Garth Ennis' "Die Schlampe" (siehe dazu meine Rezension der US-Ausgabe im Kri-Ticker).

Und weil letztes Wochenende die Leipziger Buchmesse war, gab es eine wahre Flut von Manga-Neuerscheinungen, die selbst dann noch groß ist, wenn man nur die Einser-Nummern herausfiltert:
Tokyopop hat sich die Offenbacherin Christina Plaka geangelt, die bisher bei Carlsen veröffentlicht hatte. Ihr neues Werk heißt Yonen Buzz #1 und ist die Fortsetzung ihres Debütmangas "Prussian Blue".

Auch bei Carlsen gibt's neues von einheimischen Mangaka: in Manga-Talente 2005, werden die besten Einsendungen des Zeichenwettbewerbs zur Leipziger Buchmesse abgedruckt. Außerdem neu: Lagoon Engine #1, in dem magische Dämonen mittels japanischer Hofmusik bekämpft werden.

EMA startet diesen Monat gleich fünf neue Manga-Reihen. Kare First Love, ein romantischer Shojo-Manga, Go! Virginal, ein romantischer Shojo-Manga, und Nana, ein romantischer Shojo-Manga. Vielfalt rules. Dazu kommt allerdings noch Mouse in der Abteilung "Adult": ein Kunstlehrer geht nachts als Meisterdieb auf Raubzug und wird dabei von drei Damen begleitet (Verlagsankündigung: "Fun und Fan-Service in einem"). Und schließlich Yakitate!! Japan, ein Comedy-Manga übers Brotbacken (echt jetzt!). Da hat Panini wohl bei der Lizenzvergabe geschlafen, das hätte doch gepasst wie die Faust aufs Auge!

posted by Thomas um 09:52 | Permalink


23.03.2005

Die Mirakel-Wippe
(McFarlane, Miracleman und das Image 10th Anniversary Hardcover.)

Die Mirakel-Wippe wippt und wippt.

Auf ihr sitzen Neil Gaiman, Autor der Comic-Reihe Sandman und des Romans American Gods, und Todd McFarlane, langjähriger Marvel-Zeichner, Erfinder von Spawn und zeitweise einer der reichsten Leute im Comic-Geschäft.

Die beiden wippen nun seit Jahren hin und her, und gehen tut's dabei um die Rechte an dem Kult-Superhelden Miracleman des pleitegegangenen Eclipse-Verlags. Nach einer Gerichtsverhandlung schien nun Neil Gaimans Anspruch der schwererwiegende zu sein. Im Februar 2004 schrieb Gaiman in seinem Weblog:
>>Im Rahmen des Verfahrens haben wir endlich Einsicht in die Miracleman-Papiere bekommen. Es hat sich herausgestellt, daß sämtliche Papiere, die Todd mir vorenthalten hat, sich auf eine abgelaufene Warenzeichen-Registrierung für das MM-Logo beschränken. Von einer anderen Quelle habe ich außerdem den ursprünglichen Vertrag zu sehen bekommen, in dem Eclipse ihren Anteil an der Miracleman-Figur erworben hatten, und er sagt sehr deutlich, daß, im Falle einer Auflösung von Eclipse, oder auch nur substantieller Veränderungen der Geschäftsführung, Eclipses Rechte an die Autoren zurückfallen würden.

>>Das Verfahren hat also deutlich gemacht, daß Todd offenbar nicht alle Rechte an Miracleman hielt, wie er behauptet hatte. Soweit ich das sehe, und soweit die Anwälte, die mit uns an dem Fall arbeiteten, das sahen, hält Todd möglicherweise überhaupt keinen Anteil an
Miracleman. Mit Sicherheit hat er keinerlei Urheberrechte an dem existierenden Material.

>>Momentan (seit Ende 2001) hat Todd einen weiteren Antrag auf Eintrag des Miracleman-Warenzeichens eingereicht auf der Grundlage, daß es sich dabei um ein aufgegebenes Warenzeichen handele, was wir angefechtet haben.

>>Es kann gut sein, daß ein letztes Verfahren nötig sein wird, um die
Miracleman-Sache vollends abzuschließen, das durch einige spaßige Instanzen gehen könnte. Durch 1602 [Gaimans Miniserie für Marvel Comics --Marc-Oliver] ist nun wenigstens das Geld da, um es durchzuziehen.<<
Wie das aber mit einer Wippe so geht, hängt man nicht gerne lange untätig in der Luft rum. Nachdem es eine Weile still um den Fall war, meldet sich deshalb nun Todd McFarlane wieder zu Wort, diesmal in einem Interview mit der Website UGO.com:
>>UGO: Sind die Miracleman-Filme an Neil Gaiman zurückgegangen, oder wo immer sie hinsollten?

>>TODD: Mit der Klage hat Gaiman
Miracleman aufgegeben. Ich halte das Miracleman-Warenzeichen. Niemand will es laut sagen, aber das ist das Ergebnis der Klage. Jeder hat gesagt, "Ha ha ha, er hat's Todd gezeigt," aber leider -- oder zum Glück, je nachdem, wo man steht -- hatte er die Wahl zwischen einigen Urheberrechten an Spawn-Charakteren oder Miracleman. Er hat nicht Miracleman gewählt.

>>UGO: Hat er Angela erhalten?

>>TODD: Ja, er hat sich den Spawn-Kram geschnappt. Aus irgendeinem Grund hat er
Miracleman aufgegeben, also wird Miracleman nun im Image-10th-Anniversary-Buch enthalten sein.<<
Gaimans Antwort läßt nicht lange auf sich warten.
>>Guter alter Todd. Das ist die selbe Nummer, die er vor dem Verfahren in der Fan-Presse abgezogen hat. Mit etwas gutem Willen könnte man sagen, daß er ganz gewaltig und sehr durchschaubar flunkert. Nein, er hält kein (was immer er im Interview erzählt) Miracleman-Warenzeichen. Es wurde festgestellt, daß das anteilige Warenzeichen, welches Eclipse gehalten hatte, in den Neunzigern abgelaufen war, bevor Todd die Überbleibsel von Eclipse erwarb. (Vor dem Verfahren hat Todd 2001 einen neuen Antrag auf Eintrag des Miracleman-Warenzeichens gestellt, welchen wir anfechteten, sobald wir davon hörten, und welchem nicht stattgegeben wurde.)

>>Darüberhinaus entbehrt auch seine Beschreibung von dem Ausgang des Verfahrens jeglicher Realitätsnähe. (Ich bin nicht sicher, was ich dazu sagen soll, außer daß es sehr ausführlich aufgezeichnet wurde.) Falls Todd je einen Anteil an Miracleman hatte (was immer unwahrscheinlicher wurde, als wir endlich die eigentlichen Dokumente sahen
[...]), dann ist es korrekt, daß er diesen Anteil am Ende des Verfahrens behalten hat. Mark Buckinghams und mein Anteil an Miracleman waren währenddessen nie im Zweifel. Ich habe nichts aufgegeben, was Todd gehörte; Todd konnte einfach nicht beweisen, daß ihm irgendwas gehörte, was ich aufgab.

>>Die Verhandlungen darüber, Alan Moores Miracleman-Geschichten und die Geschichten, die von mir geschrieben und von Mark Buckingham gezeichnet wurden, neu aufzulegen, schließen wir gerade ab. (Alan und ich halten das Urheberrecht an den Stories, und die Zeichner halten das Urheberrecht an ihren Zeichnungen.)

>>Momentan bin ich außerdem einer der größten Gläubiger von Todds Comicfirma.

>>Ich habe hin und wieder böse Post von Image-Fans bekommen, die mich beschuldigten, die Veröffentlichung des Image-Jubiläums-Buches (das 2002 rauskommen sollte) zu verzögern, weil ich nach der Verhandlung einen Anteil an der Cogliostro-Figur hielt, und weil Todd den Leuten offenbar eine zeitlang erzählte, daß ich das Erscheinen des Comics verhindere, was mich eher überraschte, da ich bis dahin noch nie was davon gehört hatte (und was außerdem Unfug war). Zynischerweise wundere ich mich nun, ob Todds Behauptung, er wolle Miracleman nun in dem leicht verspäteten Comic auftreten zu lassen, nur ein Weg ist, die Veröffentlichung des Comics noch ein paar Jahre hinauszuzögern.<<
Alles klar?

Naja, Newsarama berichtet jedenfalls, daß der Image 10th Anniversary-Hardcover nun einfach "Image Comics #1" heißen und im vierten Quartal 2005 erscheinen soll.

Wetten, ob die von Gaiman erwähnten Neuauflagen von Miracleman früher erscheinen, werden bei Comicgate ab sofort angenommen.

posted by Marc-Oliver Frisch um 13:56 | Permalink


The Gray Race
(Link-O-Rama)

Lights, camera, action.

  • Wie eigentlich immer wenn Brian Hibbs seine neue "Tilting @ Windmills"-Kolumne bei Newsarama veröffentlich hat, kann ich nicht anders als darauf zu linken. Was hiermit geschehen ist.

    Thema dieses mal ist die Rückkehr von Marvel in die "7-11"-Supermärkte in Anbetracht von zwei Problemen, die der US-Comicmarkt hat. Und wieder mal schafft es Mr. Hibbs in klaren Worten simple Fakten und vernünftige Argumente vorzubringen. Während einige Comichändler bei ICV2 ihre Sorge davor ausdrückten, dass sie so marginalisiert würden und dieser Schritt das Sterben der Comicstores nur beschleunigen würde, sieht Brian Hibbs das Ganze wie folgt:

    "Wir haben eine ganze Generation an Comiclesern "verloren" als der Vertrieb von Comics am Kiosk zusammengebrochen ist. Comicstores können neue "Zivilisten" an das Medium heranführen, indem sie sie als Erwachsene ansprechen (was sie auch tun!), aber das ist ein viel schwererer Vorgang, als ein Bewusstsein für Comics und eine gewisse Comicbelesenheit bei Kindern zu schaffen. Also, ja, Marvel-Comics in den "7-11s" sind eine großartige Idee. Und diese großartige Idee wird sich langfristig nicht nur für Marvel auszahlen, sondern auch für die spezialisierten Comicläden."

    Er erklärt dann, wie er als Kind seine ersten Comics am Zeitungsstand erwarb, aber dass erst ein Comicladen ihn wirklich die große Welt der Comics eingeführt hat. Der Supermarkt als Gateway. Klingt ziemlich logisch. Als Probleme sieht er allerdings an, dass es immer noch zu wenig Comicläden in den USA gibt und dass es heute schwerer ist denn je einen solchen Laden zu eröffnen. Zudem würden die Comicläden überaltern, sie würden häufig von älteren Menschen geleitet, so dass früher oder später eine Art "Renten-Gau" droht, um diesen schönen politischen Term (ich glaube der hat mit den Rentnerschwämmen zu tun) aufzugreifen, wenn viele alte Comicladenbesitzer in kurzer Folge in Rente gingen.

    Das zweite Problem passt ein wenig zu dem, was ich gestern geschrieben habe:

    "Es werden einfach zu viele Comics produziert, soviel ist mir klar. Im Bestellformular für März finden sich 655 Produkte der "Kategorie 1" - das heißt "Comics" - die via Diamond versendet werden. Das ist nichtmal ein besonders großer Monat für Comics. Während der Spitzenmonate sind es sehr wahrscheinlich mehr als 800 Comics jeden Monat. [...] 150 bis 200 Comics pro Monat, denkt mal einen Moment darüber nach. Wie um alles auf der Welt kann der Markt soviel Material tragen?"

    Dazu von mir vielleicht ein kleines bisschen Trivia. Laut einem alten Artikel im TCJ über Image-Comics erschienen im Sommer 1994 pro Monat etwas über 600 Titel. Das liegt unter der von Mr. Hibbs genannten Zahl, allerdings ist möglich, dass in dieser 800 Variant-Cover als eigene Titel aufgeführt sind. Anyway, 600 im Monat war zu einer Zeit als der Markt viel, viel größer war und fast 10.000 spezialisierte Comicstores in den USA existierten. Heute geht man von etwa 3.500 aus. Verdammte Axt, das sind beängstigende Zahlen, wenn ein viel kleinerer Markt eine Zahl an Comics tragen soll, die größer ist als jene Zahl, die dem Direktmarkt 1994 das Genick gebrochen hat. Welcome to the Desolation...

    Das Problem an der aktuellen Marktsituation sei, so Hibbs, dass die Spitzentitel immer noch nicht ausgereizt sein (er geht davon aus, dass man locker nochmal 20% mehr verkaufen könnte), aber - wie im richtigen Leben - der Mittelstand wegbrechen würde. Die Spitzencomics laufen stark, die Nichtspitzencomics verlieren Jahr für Jahr mehr Leser.

    "Weiterhin ist es fast unmöglich einen neuen Titel bei diesen Marktbedingungen zu starten. Die brandneuen Comics von neuen Verlagen und neuen Stimmen schaffen fast nie den Sprung in die Top 100. Und selbst die Charaktere und Kozepte, die auf eine Vergangenheit zurückblicken können, eure She-Hulks und Firestorms, beginnen mit erbärmlich niedrigen Verkaufszahlen und verlieren von da aus mehr und mehr Leser."

    Auch er geht davon aus, dass ein Großteil der Gründe hierfür im Verlagsverhalten von Marvel und DC liege, die zuviele Kerntitel/Spitzentitel in zu kurzer Zeit veröffentlichen würden. Allerdings denke ich, dass Mr. Hibbs einen Fehler macht wenn er sich beklagt, dass in einem Monat 12 Wildstorm- und 15 Vertigo-Titel veröffentlicht werden. Während man bei der Superman- oder X-Men-Familie von einem Leser ausgehen kann, der möglichst viel haben will, dürften Vertigo-Titel doch eher gezielt gekauft werden. Ich denke der Vertigo-Zombie existiert nicht, dafür sind die Titel dann doch zu unterschiedlich. Aber im generellen würde ich Brian Hibbs wirklich Recht geben mit seinen Einschätzungen. Ich würde ja zu gerne eine Debatte zwischen Hibbs und Quesada über den Markt, dessen Potential und die Abschöpfung von Lesersegmenten sehen. Kann man da nicht mal was arrangieren?

    Bei dem Weg, gibt es in der Leserschaft deutsche Comichändler die etwas über ihre Verkaufszahlen sagen können, wenn US-Comics gerade wieder eine starke Phase in Deutschland haben und sich auch am Kiosk verkaufen. Hilft das? Schadet es? Macht es keinen Unterschied?

  • "Der Markt wird getragen von Menschen in ihren späten 20ern und 30ern. Mitglieder dieser Altersgruppe waren die Trägerschicht des Comicmarkts und Verleger zielen auf diese Altersgruppe ab, indem sie neugestaltete Versionen von Comics veröffentlichen, die diese Altersgruppe gelesen hat, als sie jung war.

    Das Problem ist, dass nicht viele Titel Kinder ansprechen. Darum lesen nur wenige Teenager Comics.
    "

    Was? Nicht schon wieder ein Artikel darüber, dass Kinder keine Superheldencomics lesen? Okay, denn hier geht es um Manga in Japan. Damit hätte ich nun nicht gerechnet. (via "Love Manga".)

  • Mr. Jerkwater (das ist ein Pseudonym, oder?), der alle paar Tage dem "Filing Cabinet of the Damned" neue Akten hinzufügt, wirft einen Blick auf verschiedene Verlags-Schienen. Dabei betrachtet er unter anderem das New Universe, Wildstorm, Vertigo, das Ultimate-Universe, Malibu- und Acclaim-Comics und fragt, worum es in diesen Schienen ging, ob sie effektiv waren und wie sie sich geschlagen haben. Eine sehr schöne Übersicht. Zudem erklärt ihm Tom Mason, einer Mitgründer von Malibu Comics, was die Hintergründe im Erwerb vom Malibu-Comics durch Marvel waren. Wirklich zwei nette Posts.


  • And, roll credits.

    posted by Björn um 12:51 | Permalink


    22.03.2005

    Wizardworld
    (Lose Gedanken)

    Conventions wie die Wizardworld Chicago sind immer wieder eine perfekte Gelegenheit für Publisher ihr kommendes Programm in Panels dem Zielpublikum direkt vorzustellen. Dabei werden auch Formulierungen verwendet, die ich nie wieder hören will. Nie wieder. So etwa im DC Universe-Panel: "In 'Adventures of Superman' ist die nächste große Storyline die Enttarnung des Schurken Ruin. Seine wahre Identität wird zu Schwierigkeiten führen, die sich auf das Ganze DCU auswirken werden."

    Also mehr Cross-Company-Inzest. Ich stehe wahrscheinlich ziemlich alleine mit dieser Meinung da, vorallem da Crossover die Verkaufszahlen in schwächeren Heften für einen kurzen Zeitraum anheben, aber ich halte das immer noch für eine schlechte Idee. Kleinen Comicverlagen, die gerade anfangen, rät man, dass sie ein paar starke, autarke Serien haben sollten und nicht mit einem Universum starten, in dem gleich vier oder fünf Serien zusammenwirken. Alternativ sagt man natürlich auch, dass Crossgen gescheitert sei, weil die Serien nicht eng genug miteinander verknüpft waren. Aber trotzdem wäre es doch sinnvoller Serien zu schaffen, die den Leser nicht zwingen drei oder vier weitere Titel zu verfolgen, wenn er wissen will wie es weitergeht. Das klingt auf jeden Fall nach mehr Continuity-Fallstricken in der nahen Zukunft.

    Dafür freut mich die Ankündigung, dass die "New Gods" in Grant Morrisons "Seven Soldiers" auftauchen werden. Darkseid, Orion, Big Barda und der ganze Rest der Neogottheiten ist bei DC jahrelang konsequent verheizt worden. Jack Kirby plante damals, bevor Miniserien existierten, eine Art "moderne Mythologie" zu erschaffen. Eine etwas pulpige Comic-Aedda, wenn man so will, die zum definitiven Ende der New Gods führt, wenn Vater Darkseid sich seinem Sohn Orion stellen muss. Die Original "New Gods"-Serie wurde eingestellt bevor es dazu kam und in den Jahrzehnten danach wurde Darkseid nur weiterer, öder, überbenutzter Schurke der in jedem C-Titel verheizt wurde um die Verkaufszahlen zu boosten. Und Orion und seine Mitgötter wurden zu Superhelden der C-Klasse degradiert. Aber wenn Morrison die "New Gods" schreibt, dann kann man sicher sein, dass daraus etwas ordentliches entsteht. Immerhin hat er in "Stone of the Ages" sehr schön eine alternative Zukunft beschrieben, in der es zum Showdown zwischen Darkseid und Orion kommt. Viel besser als da hat kaum ein Autor nach Kirby diese Figuren eingesetzt. Darum bin ich auf neue Morrison-Geschichten mit den Deiten sehr gespannt.

    Sehr gefreut hat mich auch die Ankündigung, dass Jonah Hex eine eigene Serie erhalten wird. Ich mag Jonah Hex, ein fieser, brutaler Kopfgeldjäger in einer dreckigen Version des Wilden Westens. Damit kann man einiges machen und damit hat man auch schon einiges gemacht. Immerhin gehört Hex zu den wenigen Comicfiguren, die ein definitives Ende zugeschrieben bekommen haben. (Irgendwann fängt sich Hex die finale Kugel ein, wird ausgestopft und landet in einem fahren Wild West-Zirkus. Das sagt eigentlich auch schon einiges über die Art Comic aus, die Jonah Hex sein kann.) Die Frage ist natürlich auch, wie man die Figur ausspielt. In dem Text wird angedeutet, dass Jonah Hex eventuell weiterhin im DC Universum verhaftet bleibt, was die Chance auf Crossover offenhalten würde, wenn die Verkaufszahlen eher mäßig sind (wie das eigentlich zu erwarten ist). Das wäre schade, da "Hex" eigentlich mit dem Wild West-Setting ein sehr schön eigenständiger Titel werden könnte, der meiner Ansicht nach unter dem Vertigo-Signet besser aufgehoben wäre. Aber egal, ein eigentständiger "Hex"-Titel, noch dazu mit in sich geschlossenen Geschichten, klingt ziemlich gut. Ich drücke hier die Daumen.

    Bei Vertigo wird allerdings auch ein eigener Westerntitel starten: "Loveless" von Brian Azzarello und Marcelo Frusin. Bilde ich mir das nur ein, oder erleben wir derzeit ein Western-Revival in der Comiclandschaft? Abgesehen davon gibt es leider bei Vertigo nichts, das mein Interesse wecken würde. Vielleicht machen die kleinen Verlage inzwischen Vertigo wirklich die kreativen Talente abspenstig, die ihre eigenen Visionen verwirklichen wollen. Was natürlich vom künstlerischen Blickwinkel gut ist, auch wenn Vertigo eher die Chance böte solche Titel einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Aber DC sollte mit Vertigo mehr Gas geben. Die neu gestarteten Serien laufen eher schlecht als recht, Titel wie "100 Bullets" werden nicht mehr ewig weitergehen und "Y - The Last Man" als einzig aktuelles Zugpferd zu haben ist nicht gerade berauschend. Da darf man sich nicht zu sehr auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen, sonst sehe ich langfristig schwarz für Vertigo, was sehr schade wäre.

    Warren Ellis startet derweil bei Marvel einen neuen Team-Comic. Von dem Joe Quesada versprach, dass er sein würde wie "nichts was ihr je zuvor gesehen habt." Oh ja? Bring it on. Dann sollte da besser kein zynischer, kettenrauchender Brite, der eigentlich ein gutes Herz hat, vorkommen. Und Handys sollten auch nicht erwähnt werden. Oder Sexzwerge. Ich genieße diese Aussage erstmal mit Vorsicht.

    Zu "House of M" kündigte Quesada an, dass man die Miniserie nutzen würde um "ein paar Geister zurück in die Flasche" zu bekommen. Also Grundreinigung im Marvel Universum? Eine gewisse Entschlackung würde der Leserfreundlichkeit sicher zu Gute kommen. Leider wird "House of M" wohl den "Avengers: Disassembled"-Pfaden folgen und jede andere Marvelserie als Tie-In verwenden, die nicht bei drei auf den Bäumen ist. Erwähnt werden bisher "Spider-Man: House of M", "Hulk #83-86", "Iron Man: House of M". Weiterhin wird aus "House of M" eine ganz neue, noch unbenannte Serie von Peter David hervorgehen. Die Geister die man rief, man wird sie scheinbar auch hier nicht los. Flaschen hin oder her. Das was ich über DC gesagt habe, gilt auch hier. Warum nicht einfach die Continuity auflockern und den Serien mehr Eigenständigkeit geben? Gerade jetzt, da man durch den Deal mit 7-11 wieder in die Supermärkte will, wäre das doch ein idealer Zeitpunkt.

    Aber in Sachen "Serien die nach Spaß klingen" liegt Marvel momentan vor DC. Eine "Ghost Rider"-Miniserie von Garth Ennis klingt vielversprechend (auch wenn es, wie immer bei Ennis, so sein wird, dass ich die Serie entweder liebe oder hasse, einen Mittelweg scheint es da nicht zu geben.) Und "Cable/Deadpool" wird noch ein Jahr weiterlaufen, was ich auch begrüße. Einerseits ist es nicht wirklich ein "X-Book" und andererseits hat die Serie Deadpool. Großmäulige Profikiller sind immer ein Plus, wenn es um Superheldencomics geht.

    Leider geht es mal wieder nicht ohne einen zynischen "Ach was?"-Moment. Auf die Frage, ob man mit den unzähligen Variantcovers, die momentan wieder den Markt fluten, nicht auf einen neuen Crash wie Mitte der Neunziger zusteuert, antwortete Tom Brevoort, dass man nicht ignorieren darf, dass damals Tonnen mieser Comics erschienen wären. Ach was? Das war's also, schlechte Comics, nicht die willkürliche Überflutung eines Marktes, der die Menge an Comics nicht verkraften konnte. Nicht die Fokussierung auf den Sammler, den man solange abschröpfte bis er merkte, dass seine Comics das Klopapier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt wurden? Natürlich wird der Markt nicht zusammenbrechen wie in den Neunzigern. Weil nicht mehr genug Leser da sind. Aber dass der Markt erneut mit einer Menge an Titeln überflutet wird, die er auf lange Sicht nicht tragen kann, sollte auch klar sein. 20 X-Titel? 20 Batman-Titel? 10 Spider-Man-Titel? Wahrscheinlich über ein dutzend Fantastic-Four-Titel sobald der Film anläuft? Hello? Anybody home?

    Quesada stellte offenbar zudem fest, dass andere Firmen den großen, roten Knopf mit der Aufschrift "Gier" gedrückt hätten und dass es für Marvel als Unternehmen dumm wäre, keine Einnahmen anzustreben wenn die Fans wieder Variant Covers wünschen. Da habt ihr's. Angefangen haben die anderen und wir geben den Fans nur, was sie wollen. Seufz. In den Zusammenhang passt auch eine Aussage aus dem Cup Full o' Joe-Panel, Quesadas Einzelperformance:

    "Quesada sagte, dass Marvel eine beträchtliche Zahl an neuen Charakteren startet [...]. Der Chefredakteur sagte, dass es seit dem Zusammenbruch des Sammlermarktes schwer war, neue Charaktere zu starten. Dies erkläre warum "Ikonen" wie Spider-Man und Wolverine so regelmäßig in anderen Comics erschienen. Laut Quesada sei dies der einzige Weg für neue Comics um zu überleben."

    Womit ich wieder in den Zerbrochene-Schallplatte-Modus schalte. Wenn ich 20 Comics im Monat veröffentliche, in denen Wolverine einen Gastauftritt hat, dann ist es kein Wunder, dass ein Großteil der Leser kein Geld mehr hat um einen neuen Comic auszuprobieren. Mit dieser Veröffentlichungspraxis gräbt sich Marvel selber das Wasser ab. Übrigens, wenn ein neuer Charakter so aussieht wie X-23... also Wolverine mit Titten... dann ist das nicht wirklich ein neuer Charakter, sondern die 21. Wolverine-Serie im Monat. Ich möchte hier Dorian Wright zitieren, der mal schrieb: "Es ist nicht zufällig möglich, dass das Zielpublikum für dieses Ding Leute sind, die über Bilder von Wolverine masturbieren möchten, aber von ihrer Furcht vor Homosexualität davon abgehalten werden?"

    Außerdem dürfte klar sein, dass ein Gastauftritt von Wolverine inzwischen die Verkaufszahlen nur noch marginal anhebt und dann auch nur solange, wie Wolverine tatsächlich vorkommt. Danach landet die Serie wieder auf Prä-Gastauftritts-Niveau. Das kann man sehr schön an den Zahlen beobachten, die Paul O'Brien einmal im Monat bei "The Pulse" veröffentlicht. Und dazu passt auch die Ankündigung eines "riesigen Spider-Man-Events [...] der alle Spider-Man-Titel in einer großen, coolen, klassischen Story vereinen wird und somit hilft ein einheitlicheres Spider-Man-Universum zu schaffen." Da, genau davon rede ich doch die ganze Zeit. Also, da sind sagen wir mal fünf Kern-Spider-Man-Titel draußen. Anstatt die so anzulegen, dass ein Leser sagen kann, ich lese nur "Amazing" oder ich lese nur "Peter Parker" werden sie jetzt wieder so angelegt, dass Leser alle fünf Serien lesen sollen um das Gesamtbild zu erhalten. Da ist es doch kein Wunder, dass der Leser kein Geld mehr für andere Serien ausgibt. Irgendjemand reiche Joe Quesada eine Axt, damit er das Marveluniversum effektiv gesundschrumpfen kann.

    Zum Schluß, die schockierendste Ankündigung der Convention:

    "Es gibt bei Marvel Pläne für Künstler Frank Cho nach dem Ende von 'Shanna the She-Devil'. Quesada nannte es ein "Traumprojekt" für Cho. Es hat mit einem weiblichen Charakter zu tun.

    Frank Cho? Ein Titel mit einem weiblichen Charakter?

    Ach was.

    posted by Björn um 14:21 | Permalink


    18.03.2005

    Of Thee I Sing
    (Amerika - Der Comic?)

    Wenn ich mir meine Comics ansehe, die nach dem 11. September entstanden sind, dann stelle ich fest, dass in vielen davon das tagespolitische Geschehen in den USA plötzlich wieder ein sehr präsentes Thema geworden ist. Damit meine ich nicht die Comics von Künstlern wie Art Spiegelman oder Joe Sacco, keine Biographien, keinen Comicjournalismus, wo der Stier direkt bei den Hörner gepackt wird, sondern damit meine ich durchaus auch Mainstreamcomics, die eigentlich eindeutig ins Fach "Unterhaltung" einzuordnen sind.

    Erste Reaktionen

    Den Anfang machte natürlich Marvel, mit der 9/11-Ausgabe von "Spider-Man". Im Nachhinein wurde die Veröffentlichung von vielen Seiten heftig kritisiert, nicht immer ganz zu Recht, aber eben auch nicht immer ganz zu Unrecht. Wenn man das Heft liest, dann merkt man, dass Autor J. Michael Straczynski sein Herz schon am rechten Fleck hatte und versuchte einen ausgewogenen und vernünftigen Text über die Angriffe auf das World Trade Center zu schreiben. Darin kritisiert er Intoleranz bei Christen ebenso wie Intoleranz bei Muslimen. Zu oft allerdings merkt man auch, wie holprig der Text ist, wenn er zwischen Selbstkasteiung für die amerikanischen Außenpolitik und überidealisiertem "Melting Pot of Nations"-Pathos schwankt. Und die Sache mit den Helden und Schurken nimmt dem Comic zuviel Bedeutung. Wenn Marvels Version von New York vor einigen Jahren während des "Onslaught"-Crossovers fast komplett zerstört wurde, dann erscheint es unglaubwürdig, dass das Einstürzen der Twin Towers den selben Effekt wie in der Realität hat. Oder dass kein Superheld zugegen war... das ist Manhatten, da kann man keinen Stein werfen ohne einen Superhelden zu treffen. Und dass ein Tyrann wie Dr. Doom tatsächlich weint, dass ein Menschenhasser wie Magneto das alles nicht fassen kann... ach komm. Das ist natürlich Erbsenzählerei und zumindest im Falle JMS kann man das sicher als Affekthandlung abtun. Wenn ich überlege, was ich damals in einem Brief an eine Freundin für einen grässlichen Stuss verfasst habe, wenn ich überlege was selbsternannte Experten im Fernsehen prophezeit haben, dann geht das schon in Ordnung. Aber die Kritik an Marvel als Verlag, dass man hier versuchte sein Profil aufzuwerten und PR zu betreiben, ist sicher nicht ganz unberechtigt.

    Auch die direkten Auswirkungen auf Marvels Superheldencomics waren unverkennbar. Das galt natürlich besonders für den Marvel-Superhelden, der sich in ein Flaggenkostüm kleidet und Stellvertreter des amerikanischen Traums ist. Captain America. Im Frühling 2002 übernahm John Ney Reiber das Ruder über den Titel und entschied sich, dass das hier die ideale Serie wäre um einen Storyarc rund um Terrorismus einzufügen. Das Ergebnis war... zumindest für mich als Deutschen... enttäuschend und zwar vom Cover an. Die Titelbilder (hier zu sehen) hatten Glanz und Gloria eines Propagandaposters. Die eigentliche Geschichte war nicht besser. Terroristen rund um ihren Anführer al-Tariq besetzen eine gottesfürchtige Kleinstadt in Mittelamerika und bekommen von Captain America den Arsch versohlt. Später erfährt der, warum al-Tariq die USA hasst. Wegen der US-Außenpolitik im Kalten Krieg wurden brutale Warlords in Irgendwasistan bewaffnet, die seine Eltern umbrachten... das ist sein ganzes Motiv. Captain Americas Antwort ist nicht besser:

    "Wir haben uns geändert. Wir haben daraus gelernt."

    Das Alles war fürchterlich eindimensionale, nationalchauvinistische Schwarz-Weißmalerei. Aber es war auch eine ehrliche Reaktion auf den 11. September. Die Hoffnung Straczynskis, dass aus 9/11 vielleicht ein besseres, stärkeres Amerika entstehen könnte (mit den nicht zu ignorierenden Untertönen, dass diejenigen, die das WTC attackiert haben, über kurz oder lang die militärische Antwort darauf erhalten würden) auf der einen Seite und Reibers Revanchephantasien auf der anderen Seite. Gleichzeitig gekoppelt mit dem Wunsch zu verstehen, wieso es zu dieser Situation gekommen ist, wieso die Islamisten "Amerika so hassen". Die Antwort im Comic ist zu simpel, natürlich, aber auch hier will ich den Affekt gelten lassen. In der Folgezeit entschloss man sich dazu, die den direkten Angang an die politischen Themen lieber zu vermeiden. Auffällig ist dabei auch, wie sich der Sichtwinkel verändert hat, denn in "Captain America & The Falcon #1" von Christopher Priest hatte Cap mit den moralischen Grauzonen in Guantanamo zu tun. Nicht übermäßig direkt oder offensiv, aber das Thema wurde angeschnitten und für einen Superheldencomic ganz ordentlich umgesetzt.

    Dass Captain America als Charakter in den USA aber weiterhin auch von Politbloggern und politischen Organisationen wahrgenommen wird, konnte man vor anderthalb Woche sehen, als ein Blogger sich daran rieb, dass Captain America sich darüber ärgert, dass seine Landsleute die Franzosen verhöhnen. Immerhin hat er im Marvel-Universum Seite an Seite mit der Resistance gekämft. Das Ganze fand Erwähnung in Matt Drudges Drudge Report, einer der bestbesuchten amerikanischen Gerüchteseiten (Matt Drudge ist der Blogger, der als erster über die Lewinsky-Affaire berichtete). Wer sich traut, der mag sich die Comments in beiden Blogs ansehen. Die dortige Geisteshaltung ist... erschreckend. Da hat man das Gefühl, dass die USA Nazideutschland nur nebenbei besiegt haben, während sie eigentlich gegen die heimtückische, französische Bedrohung kämpfen mussten, die drohte sie aus der Heimat zu erdolchen. Pffft. Anyway, ein anderes Beispiel dafür war ein Paper der ultrakonservativen "Foundation for the Defense of Democracies" mit dem Titel "The Betrayal of Captain America". In diesem Paper wurde die al-Tariq-Story, die ich oben kritisiert habe, bereits als linksliberales Geschwätz abgetan, weil der Terrorist betonte, dass die USA sich in der Vergangenheit falsch verhalten hätten. Pfui, Marvel, so linksradikale Propaganda zu veröffentlichen, wo doch Krieg herrscht und sowas. Pfui. Böse.

    Trotzdem bleibt festzuhalten, dass einige der ersten Reaktionen auf den 11. September und den Krieg gegen den Terror aus dem Superheldenbereich kamen. Eine andere Reaktion, die wohl eher der reiberschen Linie gefolgt wäre, wurde schon vor der ersten Veröffentlichung gestoppt. Chuck Dixons "American Powers" erzeugte einen Sturm im Wasserglas, als auf dem Cover ein Kerl mit Fetischmaske einem Bin Laden-Derivat einen ordentlichen Schwinger an die Kauleiste verpasste. Es bleibt allerdings auch festzuhalten, dass der Comic gestoppt wurde da die möglichen neuen Investoren für Crossgen (damals kurz vor dem Exitus) das Projekt nicht mochten, nicht wegen der Proteste gegen das Titelbild.

    Zweite Welle

    Die anderen Mainstreamcomics, die nicht Superhelden als Hauptdarsteller haben... oder zumindest nicht als primäres Motiv, begannen etwas später damit, diesen Konflikt aufzugreifen. Aber sie taten es. Und während die Superheldengeschichten die reale Stimmung da schon wieder eher in eine metaphorische Ebene verlagerten oder sie ignorierten, wurde in vielen dieser anderen Mainstreamcomics das Thema beim Namen genannt. In "Queen & Country: Operation Crystal Ball" sahen die Protagonisten vom britischen MI6 im Fernsehen wie die Flugzeuge ins World Trade Center rasten. Das passt durchaus in den fiktiven Kosmos, den Greg Rucka da erschaffen hat. Sein "Q&C"-Universum hat die Taliban (mit denen es seine Protagonisten in der vorherigen Story zu tun hatten, geschrieben vor dem 11. September) und einen Bürgerkrieg im Kosovo ebenso wie einen Robert Mugabe. Ruckas Fiktion ist also äußerst nah an der Realität. Die Spezialeinheit "The Losers" aus dem gleichnamigen Comic von Diggle und Jock kämpfte im Afghanistankrieg der USA. Christopher Chance aus "The Human Target" übernahm die Rolle eines 9/11-Überlebenden, der diesen Tag genutzt hatte um seinen eigenen Tod vorzutäuschen. In "Ex Machina" ist nur ein Turm des World Trade Centers eingestürzt. Keine dieser Serien mag äußerst tiefgründig sein oder komplexe Betrachtungen über die Attentate vom 11. September und die Zeit danach anstellen, aber es ist auffällig, dass solche Serien das Thema anscheiden. Das zeigt ziemlich deutlich, wie drastisch der Einschnitt war und wie groß das Bedürfnis ist, sich in irgendeiner Form dazu zu äußern.

    Und diese Äußerungen sind selten positiv. Wie wir gesehen haben, waren die Reaktionen in Superheldenform Schnellschüße, die zum Teil finstere Gut-Böse-Rhetorik verwendeten. Diese zweite Welle der Thematisierung allerdings ging mit dem Thema anders um. Das mag daran liegen, dass die große Mehrheit der Comicautoren politisch eher nach links neigt (die wenigen bekannten Ausnahmen kann man an einer Hand abzählen... Hudnall, Dixon, Jurgens, jetzt Card... das war's auch schon fast, oder?), das liegt aber auch daran, wie sich die Welt in der Folgezeit verändert hatte. Vom 11. September bis zum "Ende" des Afghanistankrieges (der eigentlich immer noch geführt wird) hatten die USA einen beachtlichen moralischen Impetus. Das Mitgefühl der Welt war den USA sicher, kaum jemand bezweifelte die Richtigkeit der Absetzung des Talibanregimes, eine wirkliche Koalition der Willigen existierte und George W. Bush sah auf einmal nicht mehr aus wie ein stotternder Bauernlümmel, der nicht weiß ob es Schwarze in Brasilien gibt, sondern wie ein selbstbewusster Führer der die USA aus ihrer schwersten Stunden führen würde. Und dann begannen die Vorbereitungen zum Irakkrieg. Das Düpieren der UN (die eigentlich gut darin ist, sich selber zu düpieren), Colin Powells Rede vor selbiger, in der er zeigte wo die Massenvernichtungswaffen ganz genau zu finden sind, die "Saddam = Al-Quaida"-Rhetorik der gesamten Administration... und das plötzliche Umschwingen der globalen Meinung, die sich in aller Deutlichkeit gegen diesen Feldzug aussprach.

    Das lässt sich auch in diesen Geschichten finden. "Q&C" war schon vor dem 11. September ein eher kritischer Kommentar zu der Art wie Großbritannien und die USA ihre Politik betrieben, keine Glorifizierung der Geheimdienstwelt, wie man sie zum Beispiel in Tom Clancys Romanen finden kann. In "Ex Machina" spricht sich der Protagonist, der Bürgermeister von New York, klar und deutlich für die Homoehe aus... im Nachhinein das zentrale Thema der US-Präsidentschaftswahl 2004. Im "Living in Amerika"-Arc in "Human Target" trifft Christopher Chance mit einem amerikanischen Terroristen zusammen, einem ehemaligen Mitglied des Weather Undergrounds (von der Ideologie her vielleicht am ehesten als eine Art amerikanische RAF zu verstehen), dem hier durchaus menschliche Seiten zugestanden werden und das sich vom linken Revoluzzer zu einem spießigen Kleinstadtbürger gewandelt hat. Ein eher ungewöhnlicher Blick auf den Terrorismus und die Menschen die zu Terroristen werden. Ganz deutlich wird die Agenda aber ausgerechnet im actionlastigsten Titel des Haufens, wo ich darum am wenigsten mit dieser klaren Linie gerechnet hätte. In "The Losers" wird angedeutet, wie eine große Ölfirma die CIA manipuliert. Das ist nicht gerade subtil, aber es ist trotzdem beachtlich, wie deutlich das in den Kontext der realen Welt gestellt wird. Auf der letzten Seite des "Double Down"-Paperbacks steht ein CIA-Agent, der die Macht der Ölfirma zu spüren bekommen hat, geknickt an einer Tankstelle eben dieser Firma. Zu seinen Füßen liegt eine Zeitung mit der Schlagzeile: "U.S. BEGINS IRAQ ATTACK". Dazu ein Zitat von Abraham Lincoln:

    "Ich sehe in der nahen Zukunft eine Krise auf uns zukommen, die mich beängstigt und mich um die Sicherheit meines Landes zittern lässt... Firmen [Corporations] sind auf den Thron erhoben worden und eine Ära der Korruption an den höchsten Stellen wird folgen. Die Geldmacht des Landes wird daran arbeiten, seine Herrschaft zu verlängern, indem sie die Vorurteile des Volkes schürt bis aller Wohlstand auf wenige Hände verteilt und die Republik zerstört ist."

    Das hier in einem Actioncomic der bruckheimerschen Sorte, der eigentlich auch prima bei konservativen Amerikanern ankommen könnte. Das macht diese deutliche Position schon interessant. Und in "Sleeper" ist die US-Regierung (repräsentiert von einem Mr. Lynch) mindestens genauso amoralisch und kaltblütig wie die Terroristen (repräsentiert von einem Mr. Tao), die sie bekämpft.

    In Sachen Comicpopkultur ist hier ein interessanter Kreis gezogen worden. In den Neunzigern gab es ein Leitmotiv und das war Misstrauen gegen die Regierung. Vielleicht weil nach dem Zusammenbruch des Kommunismus erstmal nichts anderes da war. Die Mutter aller Regierungsparanoia war sicherlich "Akte X"... und von da aus erstreckte sich in jede Form der Populärkultur diese Idee, dass die amerikanische Regierung insgeheim eine sinistre Agenda betreibe. Zu einer Zeit, als ein Liberaler (wenn auch einer der äußerst gemäßigten Sorte, sicherlich kein McGovern oder Dukakis) die Präsidentschaft innehatte, als es der US-Wirtschaft gut ging und die USA eine Zeit relativen Friedens genossen (natürlich stimmt das nicht, aber da die Konflikte in Ruanda oder Jugoslawien die USA nur indirekt betrafen, kann man das in etwa so sehen). Und trotzdem war da dieses Gefühl, dass die eigene Regierung in Wahrheit der Hort des Bösen sein könnte. Warren Ellis unterstrich in "Transmetropolitan", dass es nur schlechte und ganz schlechte Politiker gab, in "100 Bullets" war die strenggeheime Killerelite der "Minutemen" irgendwie mit der US-Regierung und der organisierten Kriminalität verbunden und die Superhelden mussten immer wieder geheime Regierungsprojekte stoppen, die schief gelaufen waren (ich erinnere mich da besonders an eine Ausgabe der "New Warriors" wo eine Regierungsbehörde kein Problem damit hatte, eine US-Kleinstadt komplett auszuradieren um eine neue Waffe zu testen). In der Zeit nach dem 11. September, wie oben beschrieben, verschwand dieses Leitmotiv erstmal und wich einer kurzen Zeit, in der die Bedrohung von Außen kam. Ausländische Fundamentalisten oder fiese Aliens (gut, die waren auch während der Neunziger sehr populär... hatten aber dabei oft geheime Deals mit der US-Regierung am Laufen). Und dann, kaum anderthalb Jahre später, ließ sich in vielen Serien erneut das Misstrauen gegen die US-Regierung finden. Allerdings anders nunaciert. Das in den Neunzigern war gewissermaßen ein Spaß, eine oft bis zur Unkenntlichkeit dämonisierte US-Regierung (wobei auch zu beachten ist, dass der Präsident selten persönlich von diesen Dingen wusste, da war häufig der alte Respekt vor diesem Amt zu finden) die sich in die absurdesten Verschwörungen verstrickte. Aber auf einmal standen dem auch begründete Zweifel in der Realität gegenüber, wenngleich unter anderen Gesichtspunkten. Wie eng ist der Präsident mit der Wirtschaft verstrickt? Wieviel Einfluß hatte Halliburton auf den Beginn des Irakkriegs? Warum finden wir keine Massenvernichtungswaffen? Was ist mit den Gefangenen in Guantanamo? Wieso gewinnen Medienhetzer wie Rush Limbaugh, Ann Coulter oder Michelle Malkin mehr und mehr an Relevanz? Ich kann nur vermuten, aber das Gefühl der Entfremdung vom eigenen Land muss unter Liberalen und Intellektuellen in den USA in den letzten dreieinhalb Jahren stätig zugenommen haben. Und das zeigt sich inzwischen auch in den Comics, die eigentlich nicht wie ein probates Mittel für politische Kommentare erscheinen. Zeitgeist, Baby.

    Zeitgeisterscheinungen

    Den Zeitgeist kann man auch in indirektere Angänge interpretieren. Das heißt natürlich nicht, dass diese Interpretationen "richtig" oder "die einzig wahren" sind, aber es sind Interpretationen. Es ist sicherlich kein Zufall, dass Zombies in Filmen ("28 Days Later" [ja, das waren Virusopfer, schon klar], "Dawn of the Dead 2004", bald "Land of the Dead") und Comics ("The Walking Dead", "Toe Tags") gerade heute wieder so populär sind. Zombies sind eine der am ausführlichsten diskutierten fiktiven Erscheinungen und je nachdem wie man die Biester betrachtet, kann man sie als Metaphern für alles von blinder Konsumwut bis hin zu innerfamiliäre Gewalt verstehen. Aber momentan muss ich zugeben, dass mir die Interpretation der "Entfremdung der Überlebenden von der Gesellschaft (=Zombies)" gar nicht so missfällt. Da ist, denke ich, schon was dran. Und auch die Superheldencomics erleben diesen Zeitgeist, was nicht zuletzt daran liegt, dass Superheldencomics schon immer Zeitgeisterscheinungen gewesen sind. Wir haben ja schon gesehen, dass der erste Angang ein möglichst direkter war. Inzwischen wird in den meisten Comics das Thema reale Politik und Terrorismus weitestgehend ignoriert. Trotzdem lassen sich da Spuren des amerikanischen Klimas finden. Gerade in den beiden Schockerserien des letzten Jahres, "Identity Crisis" und "Avengers: Disassembled", kann man einige Indizien entdecken.

    Da ist zum einen natürlich die Gefahr von Innen. In "IC" war die Mörderin Jean Loring, die Exfrau des Superhelden The Atom. Eine Person, die nie als Tatverdächtige galt. Der eiskalte Killer war keiner, von dem man es erwartet hatte, kein kostümierter Superschurke, sondern eine ganz normale Frau. Das weist schon deutliche Spuren der Angst auf, die seit dem 11. September nicht nur in den USA zu finden ist. Erinnert sich noch jemand an die Anthraxbriefe, von denen man nie wieder etwas hörte? Die hätte jeder schicken können und tatsächlich schickte sie jemand aus dem Herzen Amerikas heraus. Oder der 11. März 2004 in Madrid. Die Kofferbomben wurden von unauffälligen Männern während des Berufsverkehrs deponiert. Die Todespiloten des 11. Septembers sahen nicht aus wie radikalislamische Fanatiker und laut Otto Schily hat Mohammed Atta ein relativ unauffälliges und angepasstes Leben in Deutschland geführt. Sogar seine GEZ-Gebühren habe er bezahlt. Hossa. Das ist die neue Gefahr, nicht mehr die russischen oder irakischen Soldaten (Kostüme, Superschurken), sondern scheinbar normale Menschen, die jahrelang unauffällig unter uns leben und dann auf einmal zuschlagen. Das Motiv lässt sich auch in "Disassembled" finden, wo das große Superheldensterben von der Scarlet Witch ausgelöst wurde. Einem langjährigen Mitglied der Avengers, die mit ihnen unter einem Dach lebte, Seite an Seite mit ihren Kameraden gekämpft hat und dann - mir nichts, dir nichts - gegen sie agierte. Niemand ist mehr vertrauenswürdig, jeder kann der Täter sein. Und es kann jeden treffen, wie der Angriff auf Amerika gezeigt hat. Zwei Ozeane reichen als Schutz nicht mehr aus. Sowas kann man dann auch in einer Ausgabe der "Justice Society of America" finden, wo zeitreisende Superschurken eine harmonische Familie, inklusive Baby, im amerikanischen Herzland auslöschen. Da wo auch al-Tariq in Captain America zugeschlagen hat. Be afraid, be very afraid.

    Gleichzeitig geht damit auch ein Ende der Unverwundbarkeit einher, die Superhelden hatten. Sicher, Superhelden sind gestorben und dann sind sie wiedergekommen und wieder gestorben (hey, das wäre eine großartige Idee gewesen... Hal Jordan kehrt von den Toten zurück, nur um am Ende der Ausgabe wieder ins Gras zu beißen... ich sollte mal bei DC anrufen, ob die nicht noch einen Autoren für ihre Schockcomics brauchen), nur um irgendwann zurückzukehren. Aber für gewöhnlich sterben Superhelden einzeln. Das letzte Superheldenmassensterben dürfte die "Crisis on Infinite Earths" Mitte der Achtziger gewesen sein. Und dann, nach zwanzig Jahren, haben gleich beide großen Verlage einen Titel draußen, wo es Gruppenrabatt auf Charons Fähre gibt? Das kann Zufall sein, muss es aber nicht. Wenn Superhelden immer auch Stellvertreter für Amerika sind (was bei Superman und Captain America natürlich besonders deutlich wird), dann erscheint es passend, dass Superhelden sich als so "verletztlich" erweisen, zu einer Zeit, da Amerika auf eigenem Boden attackiert wurde und Woche für Woche mehr G.I.s im Irak sterben.

    Und gleichzeitig scheint auch das beschriebene neue Misstrauen gegen die eigene Regierung sich in Superheldencomics zu manifestieren. Immerhin war wahrscheinlich seit dem Ende der Nixon-Administration keine Regierung mehr derart umstritten, wie die aktuelle Regierung Bush. Man kann Bush als jemanden sehen, der gewillt ist offensiv gegen Diktaturen vorzugehen und der die Welt damit zu einem sichereren Ort für alle macht. Oder man sieht ihn als ferngesteuerten Kriegstreiber, der die Welt ins Chaos stürzt, nur damit sich die Kumpels seines Vizepräsidenten bereichern können. Oder man sieht ihn als irgendwas dazwischen an. Um eine schöne Floskel zu benutzen und hier offensiv zu untertreiben: der Mann polarisiert. Ich kann in gewisser Hinsicht beide Interpretationen verstehen, aber wenn man die letztere nimmt (gerne auch in einer abgeschwächteren Form, nicht in dem Extrem), dann ist ein Misstrauen der USA gegenüber verständlich. Bürgerrechte werden beschnitten, Amerikaner ohne Anwalt auf unbestimmte Zeit festgehalten, Ausländer entführt und bei befreundeten Diktaturen zur Befragung abgegeben. Die Frage stellt sich da, wie leicht die USA vom Aushängeschild der Freiheit, zu dem sie gerne in der Populärkultur stilisiert wurden, zu einem verbrecherischen System umschwenken könnten. Ob es nicht nur kleine Änderungen hier und da bräuchte, damit die USA ihre Macht zum "Schlechten" ausnutzen. Das könnte zumindest ein Anreiz für Stories wie "Superman/Batman #14 & 15" sein, wo die Titelcharaktere diktatorisch die Welt beherrschen. Auch wenn die Story mehr als dürftig ist, kann man da ein politisches Motiv finden. Immerhin, auf dem Titelbild zu Ausgabe 14 steht Batman auf einer am Boden liegenden amerikanischen Flagge (nicht davor, er trampelt quasi drauf rum) und in den Mt. Rushmore wurden die Köpfe von Superman und Batman eingearbeitet, nicht die Köpfe von ehemaligen US-Präsidenten. Die Freiheitsstatue haben die beiden Rabauken auch durch eine Statue von sich ersetzt. Ebenfalls kann man dabei bedenken, dass Superman eigentlich ein Symbol all dessen ist, was gut ist an Amerika. Und um die beiden Herrscher zu stoppen treten Wonder Woman (die ja im regulären DC-Universum auch ein "Star Spangled Banner" trägt) und Uncle Sam an. Uncle Sam. Need I say more?

    All das kann totale Überinterpretation sein, aber auch Comickünstler können sich nicht vom Einfluß ihrer Umwelt befreien und Mr. Dan Didio, immerhin sowas wie der König von DC, hat in einem Interview mit Newsarama selbst gesagt, dass die neue, düstere Ausrichtung der DC-Comics darauf basiere, dass er beim zum Verlagsgebäude nach dem 11. September bewaffnete Nationalgardisten sah, sich aber nicht sicherer, sondern sich eher verängstigt fühlte. Da scheint also die realpolitische Großwetterlage schon die Ausrichtung eines fiktiven Universums zu beeinflussen. Was Marvel denkt ist schwer zu sagen, wie oben erwähnt hat "Captain America" einen Bogen vom Nationalchauvinismus zu kritischeren Tönen geschlagen. Allerdings heuerte Marvel für einen Comic, der reale Erlebnisse von GIs im Irak beschreiben soll (und das ist für Marvel schon mehr als ungewöhnlich, dass sie die Superheldenschiene verlassen), den Chefredakteur der Hauszeitung eines neokonservativen Think Tanks mit engen Verbindungen zur aktuellen US-Regierung an. Wobei sich das Veröffentlichungsdatum des Comics inzwischen aus ungeklärten Gründen Monat für Monat nach hinten verschiebt.

    Auch wenn mir das Engagement von Karl Zinsmeister, besagtem Chefredakteur der Think Tank-Zeitung, nicht gefällt, wahrscheinlich ist es klug von Marvel diese Geschichten nicht mit Superhelden zu erzählen. Das "Spider-Man 9/11"-Heft hat die Probleme eines solchen Unterfangens zu deutlich aufgezeigt. Immerhin ist das Eskapismus, da muss nicht immer die Realität mit rein, auch wenn's in New York spielt. "Friends" spielt in New York, aber niemanden hätte es genutzt wenn Joey Trebiani seine Gefühle über die Attentate beschrieben hätte. Selbst in "Spin City", einer Comedyserie über einen fiktiven Bürgermeister von New York, verzichtete man darauf, auf die Ereignisse vom 11. September einzugehen. Anders als Serien mit "real world"-Anspruch, wie der großartigen Show "The West Wing", besteht da auch kein Grund sich eines Themas anzunehmen, das das Rahmenkonzept sprengen würde und am Ende weder ein guter Tribut, noch eine unterhaltsame Show werden würde. Mit den Comics ist das ebenso. Wie neulich beschrieben, lässt sich bei Marvel und DC im Superheldenbereich inzwischen eine kleine Gegenbewegung zu den düsteren Geschichten ausmachen. Nun, es ist ein hehrer Wunsch, aber es wäre doch schön wenn hier die Popkultur den aktuellen Zeitgeist beeinflussen würde und nicht umgekehrt...

    posted by Björn um 22:40 | Permalink


    17.03.2005

    Neues von Frank Cho (es geht doch!)
    (Völkerverständigung)

    Wir hier in der WaD meckern (und amüsieren uns zugegebenermaßen) ja immer wieder gerne über das Babelfish-Deutsch in fremdsprachigen Comics ("Gerecht schieben sie ihn und halten sie das Geld!").
    Fairerweise möchte ich aber auch auf Positivbeispiele hinweisen. Hier bei Mile High Comics kann man sich die komplette Nr. 1 von Frank Chos "Shanna, The She-Devil" durchlesen. Shanna redet anfangs erstmal Deutsch, und das, soweit ich gesehen habe, fehler- und ulkfrei (selbst der gefährliche Buchstabendreher bei "Nicht schießen!" wurde umschifft).
    Frank Cho ("Liberty Meadows"; besonders schön: seine uncensored gallery) ist sicher ein begnadeter Zeichner und Cartoonist. Was er sich allerdings bei dieser Geschichte gedacht hat, will sich mir nach der ersten Ausgabe nicht ganz erschließen. Ich suche noch ein wenig nach der Originalität, bezweifle aber ob der bisherigen Klischees, dass ich noch fündig werde...

    Ach so, und wenn Ihr in der Zwischenzeit mal was ganz Anderes von ihm sehen wollt als hübsche Frauen und schnuckelige Knuddelviecher, dann schaut doch mal bei seinem Zombie King vorbei - der Name ist Programm. Die Nullnummer erscheint im April bei Image Comics.

    posted by Frauke um 22:55 | Permalink


    14.03.2005

    Zeichenkurs mit Flix und Niels Hoff
    (5 Tage Intensivtraining)

    Wie Flix (Autor und Zeichner von held, sag was und natürlich von den bei uns erscheinenden VerFLIXt! Toons) heute im Comicforum geschrieben hat, sind noch Plätze frei bei einem hochkarätigen fünftägigen Zeichenkurs im Mai:
    "Ich möchte kurz darauf aufmerksam machen, dass ich, zusammen mit Niels Hoff, dem jungen wissenschaftlichen Tierzeichner des Naturkunde Museums Berlin, im Mai (02. bis 07.05.) einen einwöchigen Zeichenworkshop anbiete. Das ganze findet im Nordkolleg Rendsburg statt und es geht um die ganze Bandbreite der Zeichnerei. Diesmal: Schwerpunkt Comic. Teilnehmen werden Profizeichner (u.a. Volker Sponholz "Bertis Buben", Kim Schmidt "Störtebeker", Rüdiger Tillman "Tillmans Tierleben"), aber auch Gerne-Zeichner sind herzlich willkommen. Noch sind eine Handvoll Plätze frei, und wer Lust hat mitzumachen beim zeichnen, texten, fachsimpeln und anderen über die Schulter kucken, der findet hier mehr Infos zum Kurs.
    Unterkunft, Material und 4 Mahlzeiten am Tag sind inklusive."

    posted by Frauke um 22:47 | Permalink


    Some simple words
    (Mehr zur "TenTen"-Debatte)

  • Paul O'Brien nutzt seinen "Article 10" diese Woche um einen Winkel der "TenTen"-Zensur-Krise zu beleuchten, der bisher ignoriert wurde: Semantik.

    "CMX bewirbt sein Material als "Reiner Manga - 100% so, wie die japanischen Künstler wollten, dass ihr es seht." Das riecht ein wenig nach einem Slogan, den ein Redakteur geprägt hat und der dann von der Rechtsabteilung sorgfältig überarbeitet wurde. Ihr werdet merken, dass man verspricht, die Comics so zu liefern, wie die Künstler wollten dass ihr - das heißt das amerikanische Publikum - sie seht. Das ist kein Versprechen die Comics so zu präsentieren, wie sie ursprünglich verlegt worden sind. Auch wenn das sorgsam formuliert wurde, damit es zunächst so aussieht. In der Praxis heißt das nichts anderes, als dass der Schöpfer des Werkes die Änderungen abgesegnet hat."

    Abgesehen davon bringt Mr. O'Brien die Punkte, die Christopher Butcher et al. schon unter der Woche gebracht haben. Also, dass DC hätte ahnen müssen, dass das hier zu einem Debakel wird und die Frage lautet, warum man glaubte, einen Comic der eine Vergewaltigungsszene enthält und später, laut Mr. O'Brien, in Sado-Maso-Phantasien ausartet, unbedingt für ein Publikum von 13 Jahren aufwärts zugänglich machen zu müssen. Änderungen hin oder her. Und, der Punkt ist natürlich auch relevant, das ganze könnte - egal ob abgeschwächt oder nicht - früher oder später in den konservativen USA erneut zu der Situation führen, dass Staatsanwälte beginnen "TenTen" zu beschlagnahmen und Ladenbesitzern, sowie deren Angestellten, deshalb den Prozess machen.

    Darüber sollte man wirklich nachdenken. Das könnte sich ganz schlimm für DC auswirken, wenn es nicht mehr nur Comicstore-Betreiber trifft, sondern auch einen richtigen Buchhändler oder schlimmsten Falls sogar eine Buchhandelskette. In dem Fall dürfte das ganze auf DC zurückfallen, entweder in Form einer Zivilrechtsklage, oder zumindest in der Form, dass Buchhändler sich weigern weiterhin DC/CMX-Titel in ihr Sortiment aufzunehmen, da diese offenbar ein Risiko darstellen.

    Je länger man darüber nachdenkt, desto deutlicher stellt sich tatsächlich die Frage, wie das DC-Management in dieser Hinsicht so blauäugig sein konnte.

    posted by Björn um 12:28 | Permalink


  • 13.03.2005

    Make My Manga
    (Comicmarketing)

    Lieber Joe Quesada, lieber Dan DiDio.

    In den letzten Wochen und Monaten habe ich immer wieder von Exklusivverträgen gehört, und davon wie das die beste Methode sei um Talent zu fördern und dem eigenen Verlag zu nutzen. Der Meinung bin ich nicht ganz abgeneigt. Aber es würde Ihnen sicher auch nutzen, wenn Sie in der Marketingabteilung den ein oder anderen Transfer für sich verbuchen könnten. Suchen Sie dabei nicht nur bei der direkten Konkurrenz (das wäre Marvel bei Herrn DiDio und DC bei Herrn Quesada) oder bei gescheiterten Hypemaschinen (immer ist ja Mr. Bill Roseman, der früher der "Man at Marvel" war, nach seiner Zeit als "Comrade at CrossGen" zum "Dude at DC" geworden), sondern schauen Sie auf derzeit erfolgreiche Hypemaschinen und fragen Sie sich: "Was haben die, was wir nicht haben." Selbst wenn Sie die Antwort "Nicht das Bedürfnis primär das überalternde Faboysegment zu bedienen", kategorisch als Blödsinn ausschließen, sollten Sie nicht den Fehler machen zu glauben, dass "Ein kleineres Format und so große Augen", die Antwort wäre. Damit haben Sie natürlich auch Recht, aber wie Mr. Quesadas "Mary Jane"- und "Jubilee"-Miniserien bewiesen haben, kann das nicht alles sein.

    Wenn Ihnen weiter nichts einfällt, dann schauen Sie wer bei Tokyopop in der Marketingabteilung sitzt und versuchen Sie von denen ein paar Leute abzuwerben. Und falls Ihnen das gelingt, dann hören Sie den Männern und Frauen zu, denn die scheinen ihren Job durchaus zu verstehen, wie zwei Nachrichten aus der letzten Woche belegten.

    Da wäre einerseits die Veröffentlichung eines kostenlosen Magazins mit 160 Seiten, das an jeden der Interesse hat verschickt wird. Da ist andererseits die Kooperation mit GoComics um drei Tokyopop-Titel für moderne Multimediahandys zugänglich zu machen.

    Erkennen Sie ein Muster? Tokyopop mag seine Künstler genau so ausnutzen, wie Sie das lange getan haben und oft noch tun und (wie ich mir habe sagen lassen, ich selber kann das weder bestätigen noch entkräften) die von Tokyopop veröffentlichten Manga mögen qualitativ höchstens nettes Zwischenfutter, und keine Meisterwerke sein, aber sie verkaufen sich wie bescheuert. Das hat natürlich zum einen damit zu tun, dass ein großer Teil der westlichen Welt, vorallem junge Menschen und sogenannte Trendsetter, einen ausgeprägten Hang zur Japanophilie haben, aber - erneut - das kann nicht alles sein. Tokyopop scheint als kaltblütiges, professionelles Unternehmen zu funktionieren... aber es funktioniert. Tokyopop beschreitet beim Crossmarketing neue Wege, die teilweise nicht erprobt sind und die vielleicht nicht funktionieren, aber sie versuchen neue Leser zu gewinnen. Und zwar auf einem Weg, der für die Leser einfach ist und nicht verlangt, dass sie in einen spezialisierten Comicstore oder zu einer Convention gehen.

    Und mit den Handymanga setzt man auf ein jugendliches Marktsegment, das Geld hat und gewillt ist, dieses auszugeben (sonst hätte man keine Multimediahandy). Der Gratismanga wird neben Previews für aktuelle Titel auch ein Fartart-Segment und Interviews enthalten, man versucht sich hier also eine treue Leserschaft zu erarbeiten, indem man den "kaltes, gewinnorientiertes Unternehmen"-Aspekt durch eine gewisse Familiarität und oberflächliche Intimität überspielt. Das könnte gerade Ihnen, Mr. Quesada, bekannt vorkommen, denn auf diesem System basierte das "Bullpen Bulletin", das in den 1960ern entscheidend dazu beigetragen hat, Marvel zu dem zu machen, was es damals war. Stan Lees Marvel und das heutige Tokyopop sind sich gar nicht so unähnlich. Beachten Sie dabei auch, wie Tokyopop seine Fans die Rising Stars of Manga wählen lässt. Was ja im Endeffekt nichts anderes, als die Leser als kostenlose Fokusgruppe zu benutzen und zu sehen, was funktioniert (so wie das Mr. Mort Weisinger in den Prä-Internet-Tagen mit den Kindern in seiner Nachbarschaft gemacht hat). Wenn auch in einer netten Verpackung.

    Ihre Entscheidung, Mr. Didio, Stephanie Firman zum... ich glaube es war Senior VP of Sales/Marketing zu machen könnte ein Schritt in diese Richtung sein. Auch Ihre Entscheidung, Mr. Quesada, dass Marvel-Comics wieder in die amerikanischen Supermärkte zurückkehren müssen, ist eine gute Entscheidung. Hören Sie da nicht auf. Ihre Verlage haben Geld in der Hinterhand, machen Sie es wie Tokyopop und investieren Sie es. Das könnte sich auf lange Sicht lohnen.

    Mit freundlichem Gruß,

    Björn W.

    posted by Björn um 14:12 | Permalink


    Strange Days
    (Quick Link)

    Stephen Gerding teilt der Welt mit, dass sich eine Livejournal-Community entwickelt, die die Tagebücher von Superhelden schreibt und dabei vollkommen "in character" bleibt. Und anders, als das Tagebuch des Incredible Hulk ist das nicht amüsant, sondern irgendwie unheimlich. Aus dem Leben von Sue Storm, die die Richards, Storms und Grimms ernsthaft als "1337" bezeichnet:

    19. August 2004:
    Kommentare darüber wie Reed sich in intimen Momenten ausdehnt sind übertrieben.


    20. August:
    Reed, Schatz, wenn du das hier siehst (was ich bezweifle, wenn man bedenkt, dass du im Labor bist, im Labor warst und im Labor bleiben wirst bis sprichwörtlich die Hölle gefriert), kannst du das nächste Mal sicherstellen, dass wir nicht die Hilfe eines Erzschurken für etwas so simples benötigen, wie dass ich Kinder gebäre.


    26. August:
    Vor ein paar Tagen hat mich Reed damit gequält, dass ich eheliche Genüsse versäumt hätte, weil ich Dr. Doom über das Internet ausgecheckt habe. [...] Und die Leute wundern sich, warum ich manchmal ein Auge auf Namor werfe.


    Uhm. Ja. Äh... Lady, haben Sie nicht die Welt zu retten oder sowas? Irgendwo geschieht doch sicher grade ein Verbrechen. Oh.. und wer hätte gedacht, dass Frank Castle seine Stimmung durch niedliche, kleine Kätzchen-Icons darstellt. Jesses.

    posted by Björn um 14:07 | Permalink


    11.03.2005

    Insolvenz bei Modern Graphics
    (Comic-Markt aktuell)

    Das hier meldete gerade Martin Jurgeit in seinem Comixene-News-Blog:

    Am gestrigen 10. März hat die Rastatter Modern Graphics Distribution GmbH Konkurs angemeldet. In diesen Stunden wird gerade der Insolvenzverwalter erwartet. Sämtliche Geschäftstätigkeit ruht derzeit und es ist noch nicht absehbar, ob und in welcher Form das Geschäft eventuell wieder aufgenommen werden kann.
    [...]
    Definitiv mitbetroffen ist von den aktuellen Entwicklungen auch das Verlagsgeschäft von mg/publishing/, da es sich bei dieser Firma nicht um eine eigenständige Gesellschaft handelt. Etwas anders dürfte sich dagegen die Lage für Infinity darstellen, da hier nur eine Beteiligung von MG vorliegt, die zudem über einzelne Gesellschafter "persönlich" eingebracht wurde.


    Puh. Das bedeutet - egal, wie es letztendlich ausgeht - eine deutliche Umwälzung in der deutschsprachigen Comicbranche. Modern Graphics war bisher einer der größten Vertriebe für Comics (von den Verlagen an die Comicshops), der u.a. das umfangreiche Sortiment von Panini (mit den Labels DC, Marvel, Planet Manga und Dino Comics) auslieferte. Panini allerdings hat kürzlich angekündigt, dass man dort künftig den Vertrieb selbst in die Hand nehmen würde (für Buch- und Zeitschriftenhandel war das bereits der Fall, und auch andere große Verlage wie Ehapa oder Carlsen organisieren ihren Vertrieb selbst).

    Da Panini mit Abstand der größte MG-Kunde war, und dieser nun wegbricht, ist es nicht allzu verwunderlich, dass der Vertrieb dadurch in finanzielle Schwierigkeiten kommt. Trotzdem wurde in den letzten Wochen in Onlineforen hauptsächlich darüber diskutiert, was denn nun aus dem Graphic Attack werde, dem Vorschau-Katalog von Modern Graphics. Dass nicht nur der Katalog, sondern gleich der ganze Vertrieb über den Jordan gehen würde, damit haben wohl die wenigsten gerechnet.

    An dieser Stelle darf der wichtige Einschub nicht fehlen, dass "Insolvenz" nicht "Pleite" oder "Ende des Unternehmens" bedeutet! Es gibt genügend Beispiele für Betriebe, die insolvent waren und trotzdem weitergemacht haben. Die Grabredenschreiber müssen sich also noch ein wenig gedulden. Trotzdem kann es natürlich passieren, dass es den Vertrieb MG bald nicht mehr geben wird. Man kann damit rechnen, dass von dieser Insolvenz alle Parteien betroffen sein werden: Verlage, Händler, Leser und die übrigen Vertriebe. Nicht alle einzelnen und nicht alle in gleichem Maße, aber Auswirkungen wird es geben. So schreibt z.B. Stefan Heitzmann vom Eidalon Verlag in einem Comicforum-Thread:

    Das Problem wird sein, dass die Verlage nicht an ihre Ware ran kommen, die sie bei MG gelagert haben. Diese werden vom Konkursverwalter der Konkursmasse zugeschlagen, egal ob bezahlt oder nicht. Und gerade das könnte einigen Verlagen das Genick brechen.
    [...]
    Was auch noch zu beachten ist, es gibt eine ganze Reihe von Comichändler, die bei MG Ausstände haben. Bleibt abzuwarten, wieviele durch den Konkurs von MG mitgerissen werden. Ich hoffe nicht zu viele...


    Es ist sicher noch viel zu früh, um hier Prognosen abzugeben, was der Vorgang für den deutschen Comicmarkt bedeuten wird. Wir warten ab und bleiben am Ball...

    posted by Thomas um 17:27 | Permalink


    09.03.2005

    Nightmare at 22,000 Links
    (Link-O-Rama)

    Herr W. fürchtet sich davor, sein Haus zu verlassen und sich in die Welt der Weblogs zu begeben. Da draußen sind zuviele Comicblogs und all diese Blogger haben so viele Dinge zu sagen. Die Kakophonie der Blogger droht ihn zu überwältigen und so beschließt Herr W., dass er sich in seinem heimischen Blog verkriechen sollte. Da, wo ihn die anderen Blogs nicht finden werden. Doch ausgerechnet dort erwarten ihn bereits Links zu einigen lesenswerten Dingen aus der Außenwelt. Ihnen arglos folgend befindet er sich plötzlich nicht mehr in seinem eigenen Blog, sondern... in der "Twilight Zone"*.

  • Kollege Cristian sprach ja bereits über Grant Morrisons "Seven Soldiers". Johnny Bacardi hat nun in seinem Blog damit begonnen, einen der Charaktere denen Morrison neues Leben einflößen will (man verzeihe mir das unvermeidliche Wortspiel), vorzustellen. In den nächsten Tagen wird er in Bild und Text die ersten vier Gastauftritte des "Spawn of Frankenstein" aus alten "Phantom Stranger"-Comics von 1972 bis 1974 präsentieren. Der erste Teil des Projekts lässt sich hier finden.

  • Die "Comicbookslut" wirft einen Blick darauf, warum Comicverfilmungen oft einfach nur beschissen sind.

  • Inzwischen weit über eine Woche alt, aber manchmal stolpert man erst später über solche Perlen. Graeme hat eine dieser Boardiskussionen gefunden, für die "Fanboy Rampage!!" erfunden wurde. Ex-GI Comicmacher Micah Wright erklärt warum Hal Jordan ein langweiliger, alter Sack ist. Anschließend folgt Omar und erklärt welcher Menschenschlag Kyle Rayner mag:

    "Für einen schrecklich großen Haufen fetter Nerds repräsentiert Hal Jordan das Alphamännchen, das in der Junior High School dazu geneigt hat ihre Köpfe in Toiletten zu drücken (was sie verdient haben). Sie hassen ihn und müssen aus dem Grund sehen, wie er zunichte gemacht wird. Die Vergewaltigungsrock-Abhängigen, die keinen wirklichen Sinn für Moral haben und nicht zugeben wollen, dass es richtig und falsch gibt, werden sich immer für Rayner entscheiden."

    Als jemand der zwar nie "Green Lantern" gelesen hat, aber Kyle Rayner in Grant Morrisons JLA-Comics in den Neunzigern wirklich gemocht hat, möchte ich hiermit feststellen, dass Omars Einschätzung passt wie die Faust auf's Auge. Ich frage mich, ob ich mir das auf meine Visitenkarte drucken sollte oder ob sich sowas in meinem CV gut macht. "Vergewaltigungsrock-Abhängiger ohne wirklichen Sinn für Moral." Mit der letzteren Beschreibung dürfte ich prima geeignet sein für eine Tätigkeit im Führenden Management... hmmm...

  • Chris Butcher macht sich seine Gedanken zur CMX-Zensur Affäre. Wirklich gute Gedanken. Für alle die dem bisher nicht gefolgt sind: DCs Mangalabel CMX hat "Tenjho Tenge" veröffentlicht, einen Manga der offenbar einen doch eher anrüchigen Inhalt hat. Ich muss mich hier auf Chris Butchers Aussage verlassen, der das Wort "Pornographie" verwendet. Was nun an sich noch nichts Schlimmes ist. Allerdings hat sich DC wohl entschieden, das Ding nicht als "Ab 18"-Titel zu publizieren und offen als Erwachsenen-Titel zu vermarkten, sondern mehrere Änderungen vorzunehmen und den Titel mit einem "13/Teen"-Rating zu veröffentlichen (an dieser Stelle darf man sich fragen, ob so eine Aktion überhaupt Sinn macht).

    Diese Änderungen kamen allerdings in der Mangaszene gar nicht gut an. Im Internet formierte sich auf unzähligen Messageboards, in noch mehr Blogs und auch auf verschiedenen Nachrichtenseiten Widerstand gegen die "Zensur" des Originalmaterials. Der Protest wurde so laut, dass ihn sogar das "Publisher's Weekly"-Magazin wahr nahm und darüber berichtete. Inzwischen hat sich zudem eine offizielle Protestkampagne im Internet formiert, die über die Änderungen Buch führt und Guerilla-Protest vorschlägt (PDF ausdrucken, das über die Zensur informiert und dieses im lokalen Buchhandel in den "Tenjho Tenge"-Manga stecken).

    Anyway, zurück zu Chris Butcher. Der analysiert die Situation mit kühlem Kopf und fragt wieso DC diese Änderungen vornahm, obwohl klar war, dass das ganze in einem PR-Desaster enden würde. Zudem analysiert er inwiefern sich das Manga-Fandom - sowohl im Fan sein, als auch im Protest - von DCs klassischem Publikum unterscheidet und warum DC zwar immer noch fast jeden Superheldentitel der Comics Code Authority zur Prüfung vorlegt, aber mit Manga nicht so verfährt. Großartiger Artikel, sehr lesenswert.

  • Und, für die, die es noch nicht kennen und nicht allen Links in meiner 100-Gründe-Liste gefolgt sind: Das Abstract zur nie veröffentlichen "Twilight of the Superheroes"-Miniserie von Alan Moore. Einige sehr nette Ideen, einiges das sehr an Mark Waids später entstandene "Kingdom Come"-Miniserie erinnert und ein bitterböses Ende. Für alle die immer noch glauben, dass Alan Moore Superhelden hasst.

    ________
    *Comicgate entschuldigt sich für die schlechte Rod Serling-Imitation. Those responsible have been sacked.

    posted by Björn um 13:39 | Permalink


  • 07.03.2005

    Zeichenworkshops auf der Leipziger Buchmesse
    (INKplosion hilft Euch mit Rat und Tat)

    Comics, insbesondere Manga, sind ja schon seit mehreren Jahren einer der Schwerpunkte der Buchmesse in Leipzig (17. bis 20. März).

    Auch die Macher des Berliner Online-Comic-Magazins INKplosion sind wieder mal mit an Bord. Sie führen Workshops durch und geben auch Tipps für Eure höchstpersönliche Bewerbungsmappe, die man ja bekanntlich braucht, wenn man sich für ein Grafikdesignstudium o.ä. qualifizieren will.

    Hier die genauen Termine:

    Donnerstag, 17.03.
    • 11.00 - ­ 13.00 Uhr Von der ersten Skizze zum gedruckten Heft
    durchgeführt von Steffi Schütze, Christian Nauck, Alexander Gellner
    ("Versus", INKplosion)

    • 14.00 - ­ 15.30 Uhr Seitenlayout
    durchgeführt von Philipp S. Neundorf (INKplosion, Carnivore Adore, Gunn,
    GtT: Rogue, End of All)

    • 16.30 - ­ 18.00 Uhr Begleitetes Zeichnen und Mappendurchsicht
    Dabei werden abwechselnd verschiedene Zeichner einzeln auf die Teilnehmer eingehen und ihnen spezifische Tipps und Anleitungen geben.



    Freitag, 18.03.

    • 11.00 - ­ 13.00 Uhr Von der ersten Skizze zum gedruckten Heft
    durchgeführt von Steffi Schütze, Christian Nauck, Alexander Gellner
    ("Versus", INKplosion)

    • 14.00 - ­ 15.30 Uhr Seitenlayout
    durchgeführt von Philipp S. Neundorf (INKplosion, Carnivore Adore, Gunn,
    GtT: Rogue, End of All)

    • 16.30 - ­ 18.00 Uhr Begleitetes Zeichnen und Mappendurchsicht
    Dabei werden abwechselnd verschiedene Zeichner einzeln auf die Teilnehmer eingehen und ihnen spezifische Tipps und Anleitungen geben.


    Samstag, 19.03.

    • 11.00 - ­ 13.00 Charakterdesign
    Durchgeführt von den Zeichner von "Moritat" (www.inkplosion.de)
    Simon Eckert, Regina Haselhorst, Alexander Raphelt und Kostja Schlegel

    • 14.00 - ­ 15.30 Uhr Workshop
    "Wie inszeniere ich meine Geschichte?"
    durchgeführt von Michael H. Musal (Mad, Yps, Cybertoon)

    • 16.30 - ­ 18.00 Uhr Workshop "Heldenraum"
    Aufgabe ist es, einen vorgegebenen Helden in einen zeitlichen, räumlichen und der Handlung entsprechenden Kontext zu stellen.
    durchgeführt von Matthias Seifert (Inkplosion)


    Sonntag, 20.03.

    • 11.00 - ­ 13.00 Workshop "Heldenraum"
    Aufgabe ist es, einen vorgegebenen Helden in einen zeitlichen, räumlichen und der Handlung entsprechenden Kontext zu stellen.
    durchgeführt von Matthias Seifert (Inkplosion)

    • 14.00 - 15.30 Uhr Von der ersten Skizze zum gedruckten Heft
    durchgeführt von Steffi Schütze, Christian Nauck, Alexander Gellner
    ("Versus", INKplosion)

    • 16.30 - ­ 18.00 Uhr
    Begleitetes Zeichnen und Mappendurchsicht


    Alle Terminangaben ohne Gewähr, gegebenenfalls können sich kurzfristig Änderungen ergeben.

    ­­­­­­­­­­­

    Zeichner, die am Stand signieren:

    alle 4 Tage anwesend, Zeiten werden vor Ort angegeben:
    Steffi Schütze (INKplosion)
    Christian "Mana" Nauck (INKplosion, "Versus")
    Alexander Gellner (INKplosion, "Versus")
    Michael Vogt (MAD, Gespenster Geschichten, INKplosion)
    Philipp S. Neundorf (INKplosion, Carnivore Adore, Gunn, GtT: Rogue, End of All)

    Am Samstag und Sonntag:
    "Moritat": Simon Eckert, Regina Haselhorst, Alexander Raphelt und Kostja Schlegel

    posted by Frauke um 21:03 | Permalink


    04.03.2005

    100 Dinge die ich an Comics liebe
    (100 Things I Love About Comics)

    Um das Blog nicht total damit zu verstopfen auf einer Extraseite.

    100 Dinge die ich an Comics liebe.

    100 Things I Love About Comics. (in German and in English).

    Und das war sicher das kürzeste WAD-Post, das ich je geschrieben habe. Okay, mit der Liste dann vielleicht auch nicht. Aber es war den Versuch wert...

    posted by Björn um 18:36 | Permalink


    Frisch aus der Druckerei, 07/05
    (Comic-Neuheiten der Woche)

    Frischfleisch im Comicladen! Hier sind die interessantesten Neuheiten der letzten Tage.

    HIGHLIGHT DER WOCHE: Eigentlich ist Top Ten, Buch 1 gar keine lupenreine Neuerscheinung, denn die hier abgedruckten US-Hefte (die ersten 6 von insgesamt 12) sind vor ein paar Jahren bereits auf deutsch erschienen, nämlich in der Antholgiereihe "America's Best Comics". Nun kommt von Speed endlich der Nachdruck im viel besser geeigneten Sammelband-Format. So lässt sich die erste Hälfte dieser Superhelden-Polizei-Seifenoper am Stück genießen und man kann den zahlreichen Handlungsfäden, die sich durch die Serie ziehen, besser folgen. Alan Moore und Zeichner Gene Ha bieten hier ein Feuerwerk abgefahrener Ideen und schräger Charaktere, verbunden mit einer spannenden Krimihandlung. Ich persönlich liebe "Top Ten" und lege es jedem ans Herz. Siehe dazu auch diesen Artikel aus einem älteren Comicgate-Special.

    Bleiben wir beim Thema Nachdrucke: gerade hat man bei Dino Comics die 100. Ausgabe der Simpsons Comics gefeiert, da beginnt man zusätzlich noch die neue Heftreihe Simpsons Classics, in der die frühen Hefte noch einmal neu veröffentlicht werden. Und zwar in überarbeiteter Übersetzung und im größeren Magazinformat.

    Dass man bei Tokyopop nicht nur auf Japan-Importe setzt, sondern auch auf einheimische Produktionen, das hatten wir bereits. Gleiches gilt für die amerikanische Mutterfirma, die 2003 die Eigenproduktion @Large von Ahmed Hoke auf den Markt brachte, deren erster Band jetzt auch bei Tokyopop Deutschland erscheint. Als Zielgruppe scheint man hier die Hip-Hop-Gemeinde anzupeilen: die Geschichte um eine Clique von Rappern, Skateboardern und Sprayern wird passend in einem Stilmix aus Manga und Graffiti erzählt. Tok-Yo!-Pop, sozusagen.

    Die Albenserie "666" der Franzosen Tacito und Froideval ("Chroniken des schwarzen Mondes"), die zuerst bei Splitter, später bei Kult Editionen erschien, war mir bisher kein Begriff. Eine kurze Google-Suche verrät, dass es sich hier um eine trashig-wilde Story um Dämonenhorden handelt, die mit Weihwasserkanonen bekämpft werden. Weitere Zutaten: vollbusige Ladies im Domina-Outfit und lateinische Titel der einzelnen Bände. Wow. Die Serie scheint immerhin erfolgreich genug gelaufen zu sein, dass jetzt eine Nachfolgeserie namens 6666 gestartet wurde.

    Aber auch die Freunde des anspruchsvoll-künstlerischen Comics kommen diese Woche nicht zu kurz: die Edition Moderne bringt Alberto von Daniel Bosshart ("Geteilter Traum"), und bei Schreiber & Leser erscheint ein neues Werk von Lorenzo Mattotti: Briefe aus ferner Zeit. In ersterem geht es im weitesten Sinne um (Tag-) Träume, und in letzterem? Keine Ahnung. Der Verlag hat sowohl auf einen Klappentext als auch auf sonstige Ankündigungstexte o.ä. verzichtet. Ärgerlich.

    posted by Thomas um 11:23 | Permalink


    02.03.2005

    Gott und die Welt
    (Morrison und Link-o-rama)

    Das Fieber, ja, Gott seis gedankt, es ist zurückgegangen. Ich hatte Glück. Es war nicht eins dieser Killerviren, die zur Zeit aus dem Süddeutschen importiert werden, lediglich eine normale mittelschwere Erkältung. Man könnte also annehmen, alles sei jetzt OK. Aber 72 Stunden (inkl. Schlafpausen) DSL-Berieselung hinterlassen Spuren, nein, nennen wir sie ruhig beim Namen: tiefe Narben. Und jetzt faltet die Hände und...

    > The Marvels of the Bible...

    klick mich
    und mich

    > ...und die Wunder, die sie heute noch bewirken kann

    der dieb

    > Doch was schert mich Babylon...

    8 Completely random observations and tips about living in Germany

    > ... wenn die Wiederkunft (der sieben Krieger) naht!

    seven soldier previews

    Für die, die ihre Zeit nicht mit Comic-Newssites im speziellen und dem Internet im allgemeinen vergeuden: Grant Morrison schlägt zurück.
    Es waren sicher viele schlaflose Nächte. In einer noch nie dagewesenen Entschlossenheit startet Marvel eine Rückrufaktion, um seinen gesamten X-Men-Run ein für allemal einzustampfen. DC stürzt in eine Identitätskrise, mitten im Sommer bricht ein Taifun los. Alles fliegt durch die Gegend: Kühlschränke, Vergewaltigungen, Variants und Nachdrucke. Und er, der geniale Demiurg, dahin er siecht, mit dem Vertigoblick nach unten sieht, dem Ende der Verkauftscharts entgegen und er fällt und fällt und fällt...
    Nach dem Aufwachen wird ihm klar, es ist alles wahr. Codiert, wie Träume nun mal sind, aber in Grunde wahr. Und er handelt. Er nimmt sich vor: Erstens, den Helden, von dem alle anderen ihren Namen ableiten, werde ich neu erschaffen. Eine neue Serie über Superman als Gott (Cover, siehe Björns Eintrag weiter unten). Zweitens, kraft meines unendlichen Talents, werde ich beweisen, dass es mir möglich ist, jederzeit ein neues Superhelden-Universum zu erschaffen. Aber weil sich das zu sehr nach Jim Shooter anhört, stelle ich mir folgende Vorgaben: Ich grabe einige unpopuläre bis unbekannte C- und D-Kaliber aus der 70-jährigen DC-Fundgrube aus und geben ihnen eine Nische, wie sie die Mutanten bei Marvel haben. Ich nenne sie... 7 Soldiers. Ich könnte einfach sieben neue Serien starten, wenn es nicht zu einfach wäre. Deswegen werde ich sieben Miniserien über ein Jahr verteilen, sie so miteinander verschachteln, dass alle Leser die nur einzelne Minis kaufen mich feiern, jene aber, die alles kaufen, mich anbeten werden. In der Tradition des einzig gelungenen Crossovers ever, Valiants Unity, werde ich einen Prolog und einen Epilog machen. Das wird eine runde Sache, weil ich... genial bin.

    So hat er gedacht, der grosse Morrison, und nicht weniger gross wird er schöpfen.

    Amen.

    [thx for links 2: björn@paniniforum, millus@hisblog, etc]

    posted by cristian um 15:44 | Permalink


    In the Right Slott
    (Neue Helden)

    Die Superheldenbranche hat momentan ein paar neue Helden, die die alten langsam verdrängen. Also, nicht Helden wie in Superhelden, sondern Helden wie in Autoren. Auch wenn ihre eigenen, creator-owned Comics um einiges besser sind, als ihr Superheldenoutput, man hat derzeit das Gefühl, das Marvel alle seine Serien von Brian M. Bendis, Robert Kirkman, Peter Milligan oder Brian K. Vaughan schreiben lässt. (Okay, da ist noch das obligate Heft von Mr. Claremont.) Die machen da einen kompetenten, aber meist nicht revolutionären Job. Das war Chuck Austens Aufgabe. Murderous disintegrating communion wafers. Das ist mal was Neues.

    Da ist aber inzwischen ein Autor, der auch neue Wege geht. Halt, das ist nicht ganz korrekt, eigentlich wandelt auf er alten Pfaden, die aber momentan nur wenig Autoren nehmen. Zwingt mich nicht wieder Robert Frost zu zitieren. Denn während der Großteil der anderen Autoren dabei ist, das Superheldenleben wieder brutal, zynisch, düster und gefährlich zu machen hat sich Dan Slott in "She-Hulk" dazu entschieden, das Superheldenleben wieder spaßig zu machen. Ich kann zu "She-Hulk" eigentlich nicht viel sagen, das Thomas nicht schon in seiner Rezension gesagt hat... aber das hat mich ja noch nie gestört.

    Während des gesamten Paperbacks hatte ich eigentlich immer wieder den Gedanken, dass das hier der perfekte Nachfolger der Miniserien rund um die Firma Damage Control ist. Dementsprechend war ich auch ein glücklicher Zelter, als auf der vorletzten Seite von "She Hulk" die Damage Control einen Gastauftritt hatte. Die Essenz ist nämlich in beiden Comics die Selbe. Viele werden vom Schulhof noch den folgenden Satz kennen: "Wir lachen nicht über dich, wir lachen mit dir." Je nachdem auf welcher Seite man stand wurde man geärgert oder ärgerte, aber auf beiden Seiten wusste man: Der Satz ist eine glatte Lüge. Hier nicht. Dan Slott lacht nicht über das Marvel-Universum, er macht es nicht lächerlich (was liebevoll auch sehr spaßig sein kann, wie "Sergio Arragones Destroys DC" und das schwächere "Sergio Arragones Massacres Marvel" bewiesen haben), sondern er findet Logiklöcher, Unstimmigkeiten oder das schlicht Absurde und hat damit seinen Spaß. Wie damals "Damage Control". Und Superheldenuniversen sind unlogisch, es ist absurd so zu tun, als wenn da ein ganz normales Leben möglich wäre wenn einmal in der Woche die Zeugen Galactus vorbeikommen und fragen, ob man nicht Interesse daran hätte seinen Planeten verspeisen zu lassen, während Namor und seine Atlanter die heimische Badewanne besetzt haben und Maulwurfsmenschen den Bahnverkehr stören. (Zumindest sagt Bahnchef Fluffy Mehdorn, dass Maulwurfsmenschen Schuld daran sind, dass alle Bahnen immer zu spät kommen... warum sollten der Lügen?)

    Auf sowas setzt "She-Hulk". Action und Spaß. Spaß ist bei Comics ein wichtiger Faktor. Ich will nicht nur "Happy, happy, joy, joy"-Comics, wie das die zu Recht vergessenen 90er-Ikonen Ren & Stimpy sagten. No, sir. Aber wenn ich sowas wie "Jimmy Corrigan", "Berlin" oder "Safe Area Gorazde" gelesen habe, dann möchte ich ein bisschen Eskapismus. Ein bisschen Aufmunterung. Gerade nach "Jimmy Corrigan" war das bitter nötig. Und dann will ich eben nicht sehen, wie Superheldenehefrauen vergewaltigt werden oder Superhelden sich gegenseitig in ihr Bier flennen, weil Dr. Strange wieder stundenlang erklärt hat, wer der Täter war, der jede Menge D-Promis kaltgemacht hat. Dafür ist auch Platz, aber doch bitte nicht ausschließlich. Und in diese Lücke stößt Dan Slott nun vor. In Heft 1 war ich mir noch nicht ganz sicher, aber in Heft 2 hatte man mich mit einem Panel gewonnen. Die Anwaltsagentur "Goodman, Lieber, Kurtzberg & Holliway" (hehe) hat sich auf Metamenschen-Rechtsfälle spezialisiert. Wobei man auch mit Vogelmenschen über eine Flugverbotszone nahe ihrer Heimatinsel spricht. Und das Gespräch führen: Anwälte mit Raketenrucksäcken. Man muss schon ein außergewöhnlicher Griesgram sein um das nicht zu mögen: Anwälte... im Anzug... mit Raketenrucksäcken. Klingt albern, wirkt auf Papier aber wirklich spaßig. Und in dem Stile führt Slott seine Serie dann auch fort. Weil alle Marvelcomics bis 2002 ein Siegel der "Comic Code Authority" hatten, also das Siegel einer US-Behörde, sind sie vor Gericht zulässige Beweisstücke. Sowas halt.

    Ganz bezeichnend ist die Art wie Mr. Slott in Heft 4 Spider-Man schreibt. Während Spider-Man Autor J. Michael Straczynski auch eher auf den anhaltenden Negativismus setzt (ick sach mo' "Sins Past", ne?) schreibt Slott einen ganz anderen Wandkrabbler. Sein Spider-Man ist ständig in Bewegung (auch als Peter Parker) und vorallem hält er nie den Mund. Kalauer folgt auf Kalauer, ein alberner Scherz auf den nächsten. Eine der Stellen an denen ich wohl am meisten gelacht habe, lässt sich im Prozess "Spider-Man gegen J. Jonah Jameson wegen übler Nachrede" finden. Da erklärt Spider-Man der Zuhörerschaft, warum Jonah ihn so haßt: "Der wahre Grund warum er mich so hasst ist, weil ich ein Schwarzer bin." Daraufhin beginnt Jameson zu stammeln und schwitzen und stottert, dass er das nicht wußte... ehrlich... er sei kein Rassist... bevor Spider-Man auflöst mit: "Kleiner Scherz. Tschuldigung." Großartige Szene, die den Charakter trifft den ich mir von Spider-Man erhofft habe.

    Wie schonmal erwähnt, ich mochte Spider-Man seit ich als Grundschüler bei meinen Großeltern auf den Comickarton eines Onkels gestoßen bin und ein "Spider-Man"-Heft von Williams (geschrumpfter Spider-Man gegen Mysterio) und "Superman gegen Super-Spider" von ehapa darin fand. Als ich später selber "Spider-Man"-Comics kaufte (die erschienen dann bei Condor-Interpart) gab es ein paar Geschichten in denen Spider-Man sich verhielt wie in diesen Heften. Er war problembeladen, aber hatte immer noch einen Wisecrack, einen flotten Spruch, auf den Lippen. Und dann setzte die große Story rund um "Maximum Clonage" ein und alles ging Affenkacke, wie der Amerikaner sagt (will sagen, dass Ding ging den Bach runter). Parker war nicht mehr der optimistische Held, egal wie schlecht die Dinge standen. Parker verbrachte stattdessen seine Zeit damit auf Wasserspeiern im Regen zu hocken, sich die Maske vom Kopf zu reißen und unrasiert darüber zu jammern, wie mies die Welt war. In Kämpfen gab es keine Sprüche mehr, dafür schlug Parker seine Gegner jetzt gerne auch mal richtig zu Klump. Dark Knight Returns, ick hör dir trappsen. Oh, und wenn kein Gegner zur Hand war bekam halt seine Frau mal eine vor den Latz. Sehr sympathisch. In diese Richtung bewegen sich viele Superheldencomics jetzt wieder und das ist eine Richtung die mir nicht behagt. Zumindest nicht bei Serien wie "Spider-Man", die eigentlich ein anderes Profil haben. Sicher dürfen sich Serien und Charaktere weiterentwickeln, aber muss das denn immer so bierernst und schrecklich deprimierend sein, mit Rückgriffen auf Continuity die 30 Jahre alt ist. Also, Rückgriffen die nicht am Rand versteckt sind, sondern die Kern der Geschichte sind? Nein, oder?

    Gerade darum ist es schön, dass Dan Slott "altmodische" Superheldengeschichten erzählt. Er kommt damit durch, weil er seine Charaktere trotzdem entwickelt (She-Hulk macht in den 6 Heften eine Wandlung durch und lernt als Jennifer Walters statt als große Grüne zu leben. Selbst Awesome Andy, ein Android der nur über eine Umhängetafel kommuniziert hat Charakter) und das alles mit einem Augenzwinkern tut. Er zeigt, dass er weiß, dass das alles absurd ist, aber es macht halt Spaß. Warum nicht? Das ist eine schöne Gegenrichtung zu: "Ich weiß, dass das alles absurd ist... aber das machen wir durch größtmögliche Brutalität wett." Insofern ist ein Satz, den er Spider-Man in den Mund gelegt hat, vielleicht bezeichnend für die ganze Superheldenbranche an sich: "In meinem Berufsfeld hilft es Sinn für Humor zu haben."

    Es ist zu hoffen, dass es in Zukunft wieder mehr Slott und weniger Bendis in Sachen Superheldengeschichten geben wird. Hey, alleine Slotts Previewtext zu seiner Miniserie "Great Lakes Avengers" (und seien wir ehrlich, das klingt nach einem Faktoid den Marvel zu gerne vergessen oder à la "Disassembled" ausradieren möchte... hat aber, das hier sind Comics und das hier ist das Internet, immerhin gibt es also eine Fansite) klingt witziger als viele Comics, die eigentlich lustig sein sollten:

    "Sie sind die Great Lake Avengers. Die Jungs, die in Sachen Superheldentum den Kürzesten gezogen haben. Aber da die echten Avengers disassembled sind, werden sie versuchen auf die Bühne zu treten und sich um einen der mächtigsten Schurken der Avengers zu kümmern! Können sie den Tag retten? Nun, wir hoffen, dass die Jungs sich selbst retten können! In dieser Ausgabe: EIN GREAT LAKES AVENGER STIRBT! (Außer Mr. Immortal, duh.)"

    Auch wenn es in diesem Interview mit Marvels Chefredakteur Joe Quesada so klingt, als wenn "She-Hulk" eventuell nicht aus der eingelegten Pause zurückkehrt (und wir alle ahnen, dass der Relaunch bedeutet hätte/bedeuten wird: "Wir machen weiterhin keine effektive Werbung, aber wir knallen nochmal eine Nummer 1 auf's Cover. Das wird die Leser in Scharen locken.") und auch die Verkaufszahlen zu belegen scheinen, dass positive Superheldencomics derzeit nicht im Ansatz so gefragt sind wie die "Shock'n'Awe"-Events: Eventuell entsteht hier ein neuer Trend. Dan Slott wird andere Comics starten und bei der Konkurrenz wird einerseits in "Countdown" fleißig weitergestorben, andererseits scheinen Grant Morrison und Frank Miller, einige der Begründer der düsteren Superhelden, in den "All-Star"-Comics eine leichtfüßigere Position einzunehmen. Man vergleiche einfach mal das "All-Star Superman"-Cover (das wirklich wunderschön ist... und ich mag Superman eigentlich nichtmal) mit dem Countdown-Cover. Da werden die beiden Strömungen, die es momentan im Superheldenfeld gibt, wirklich deutlich.

    Man sehe mir nach, dass das wieder ein "Männer-in-langen-Unterhosen"-Post war (moment... ich habe mit "She-Hulk" angefangen, also stimmt das nichtmal), aber in diesem Fall habe ich mich ja nicht ausschließlich geärgert, sondern etwas gelobt, das mir wirklich gut gefallen hat. Wäre schon schön, wenn die slottsche Superheldenphilosophie zumindest ein kleiner Trend würde.

    posted by Björn um 10:49 | Permalink