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Die Welt am Draht, das sind Kommentare, Informationen, Gedanken und natürlich News rund um die Welt der Comics und darüber hinaus.

30.11.2004

Deutsche Leitkultur
(Kultur im Comic)

Eine kleine Episode um mal zu demonstrieren, wohin es mit der Kenntnis rund um deutsche Kultur gekommen ist: Einige Bekannte und ich trafen uns gestern Abend um die weichgespülte TV-Version "Die Nibelungen" anzuschauen. Da darf der gute deutsche Held Günni... äh... Siegfried mit abgehalfterter B-Prominenz wie Kristanna Loken, bekannt aus der von Kritikern und der Intelligentsia hochgelobten, aber dem Pöbel offenbar zu tiefschürfenden, Mortal Kombat-TV-Serie oder Alicia Witt, die ihren Weltruhm mit einer Serie wie "Cybil" und Filmen wie "Urban Leg..." ...öh... lassen wir das. In erster Linie diente das Zuschauen der Erbauung und dem Abgeben von schnippischen Kommentaren. Dafür reichte der erste Teil allemal. Herr der Ringe-Optik, Hagen von Tronje sieht aus wie der kleine Bruder des Sheriffs von Nottingham, viel pseudomystisches Naturkraftblabla und nicht zuletzt ein Benno Führmann, der es -auch dank der total übersteuerten Synchro, die dafür sorgt, dass man seine Stimme nicht hört, sondern in den Knochen spürt - versteht aus dem Siegfried, der wie sich das für guten Helden gehört (siehe Parcival oder den Mann aus La Mancha) ein wenig naiv ist, den kleinen Bruder eines Sacks Ziegelsteine zu machen. Den kleinen Bruder, der leider nicht ganz so smart oder schauspielerisch begabt ist wie sein großer Bruder, besagter Sack Ziegelsteine. Dieses sonor-stupide "Ich weiß nich'," geht auf jeden Fall in meinen Alltagsgebrauch über. Gibt es da ein .wav-File von? Anyway...

Okay, die Episode über die ich eigentlich reden wollte... also, wir sitzen da und begutachten das "TV-Highlight des Jahres" und "Die größte Sage der Menschheitsgeschichte" (wie die SAT 1-Werbung das aller Bescheidenheit zum Trotz nicht verleugnen konnte), wobei folgende Dialogperle entstand:

"Hat eigentlich einer von euch schonmal das Original gelesen?"

"Noch nicht, aber ich hab' fest vor das Niebelungenlied und den Ring mal zu lesen."

"Ich hab Hagen von Tronje von Wolfgang Hohlbein gelesen."

"Äh... ich die Lustiges Taschenbuch-Version gelesen. Zählt das?"

Der aufmerksame Beobachter wird ahnen können, welchen Satz der Autor dieser Zeilen von sich gab (kleiner Hinweis: das hier ist ein Comicblog). An dieser Stelle meldeten Beobachter massive Erdbewegungen auf Richard Wagners Grab. Großer deutscher Heldenstoff in der Disney-Version... noch dazu in der italienischen Disney-Version. Phht. Erklärt einiges über die PISA-Studie, n'est ce-pas?

posted by Björn um 11:15 | Permalink


29.11.2004

Ausstellung zu INKplosions "Versus"
(bildende Kunst)

Wer schon immer mal genau wissen wollte, wie ein Comic entsteht, der hat ab dem 3. Dezember drei Monate lang die Gelegenheit dazu, sich dies in Berlin bei der Ausstellung zu dem Comic "Versus" anzuschauen.

Hier der Pressetext:
"Zwei Helden im Kampf gegeneinander, ein Heer von technoiden Robo-Krabblern, eine Truppe High-Tech-Amazonen und eine Bedrohung, die nicht nur eine ganze Stadt zu verschlingen droht, sondern eine Gefahr für das gesamte Universum darstellt ­ - aus diesen Zutaten hat das junge Zeichner-Autorenteam Alexander Gellner und Mana den augenzwinkernd furiosen Actioncomic "Versus" gemixt.
Nach dem Erscheinen des 68-Seiten starken Comics im Sommer des Jahres bei INKplosion greift das Spektakel jetzt auch in die "reale Welt" über:

Die Galerie "Grober Unfug" und INKplosion präsentieren "VERSUS ­ Die Ausstellung".
In den Räumen der bekannten Comic-Galerie werden Originalzeichnungen vom Skribble über die Bleistiftzeichnung, Tusche, Kolorierung bis hin zum Lettering vorgestellt, so dass man die Entstehung des Comics nachverfolgen kann. Gezeigt werden auch Seiten, die bisher nur online zu sehen waren, und die Geschichte hinter den Haupt-Protagonisten wird ausgiebig beleuchtet.
Zeichnungen und Merchandising-Produkte aus rund acht Jahrzehnten, die belegen, welchen Einfluss die Comicfiguren aus "VERSUS" auf die (Pop-)Kultur weltweit hatten und noch immer haben, runden die Ausstellung ab.

Die Vernissage findet am 03. Dezember 2004 ab 20:00 Uhr in der Galerie "Grober Unfug", Zossener Straße 32, 10961 Berlin-Kreuzberg, statt. Die Ausstellung läuft vom 04. Dezember 2004 bis Ende Februar 2005 während der Ladenöffnungszeiten. Der Eintritt ist frei.

Weitere Infos über die Ausstellung, zum Comic "VERSUS" und INKplosion:
www.groberunfug.de und www.inkplosion.de"


posted by Frauke um 19:38 | Permalink


25.11.2004

Gewinnspiele und Angebote bei SPEED Comics
(sparen und gewinnen)

Wer es bis jetzt noch nicht mitbekommen haben sollte: der SPEED Verlag, dt. Verleger vieler Vertigo-Serien (wie Sandman, 100 Bullets oder Transmetropolitan) und diversen anderen Comics (z.B. Blankets) feiert in diesen Wochen sein zehnjähriges Jubiläum.

Aus diesem Anlass gibt es bis Neujahr, jeden Donnerstag neu, wertvolle Preise zu gewinnen.

Außerdem ist schon seit längerem am Donnerstag Comic-Tag. Nur für 24 Stunden gibt es je einen Comic als "1-EURO-Superschnäppchen" und als "5-EURO-Superschnäppchen".

Lasst Euch diese Gelegenheit nicht entgehen!

Hier geht's weiter zu SPEED.


posted by Frauke um 10:43 | Permalink


24.11.2004

Was Greg Rucka uns nicht sagte...
(Geheimdienste)

Okay. Comicreferenz im Titel abgehakt, dann kann ich ja fortfahren: Mal davon abgesehen, dass man latent paranoid wird, wenn man sich ein wenig in die Materie einliest (und damit meine ich keineswegs die semioffiziösen Fabelgeschichten, die uns etwa ein Herr Ostrosvsky in "Geheimakte Mossad" vorsetzt, sondern die Berichte offizieller Senatsausschüsse zu dem Thema oder die deklassifizierten CIA-Akten, die man im Web einsehen kann... und wenn man die durchliest, dann möchte man gar nicht wissen, was in den klassifizierten Akten so drinsteht) und erfährt, wie leicht es für die CIA ist, in so ziemlich jedem Land der Welt in den Medien einen selbstverfassten Bericht zu lancieren, um so Volkes Stimmung in eine bestimmte Richtung zu lenken, dann kann man auch Spaß mit diesem Laden haben.

Unter anderem mit folgenden Plänen, die sich in den Aufzeichnungen des "Church Committees" finden lassen und die Ideen beschreiben, die die CIA hatte um Fidel Castro, freischaffender Diktator von Kuba, zu stürzen. Eine Idee war es, einfach Castros Reputation und Ikonizität als "der Bart" zu untergraben, indem man ihn mit bestimmten Chemikalien in Kontakt kommen lässt, die dafür sorgen, dass ihm dieser markante Bart ausfällt. Das sollte seinen Nimbus als großer Führer und leuchtendes Vorbild zerstören, ihn der Lächerlichkeit preisgeben und so das kubanische Volk williger für die Revolution machen. Da ist der Bart ab. Kein Wunder, dass die Schlagzeile der ZEITUNG damals, als man Saddam Hussein fing, war: "SADDAM GESCHNAPPT... UND RASIERT!"

Ein anderer Plan (zu finden in der letzten Fußnote auf der Seite), der dem Kommittee mündlich vorgestellt wurde, toppt diese Idee aber bei Weitem und ist so herrlich, dass ich ihn hier mal ausführlicher vorstellen möchte:

"[Mr. Lansdale] hatte einen wunderbaren Plan wie man Castro loswerden kann. Dieser Plan bestand darin, dass man das Gerücht streuen würde, dass die Wiederkehr Jesu Christi auf Erden bevorstände, und dass Christus gegen Castro sei, [der] der Anti-Christ sei. Und das Gerücht würde man streuen, und dann an dem festgelegten Datum, würde sich das Alles manifestieren. Und zu dem Zeitpunkt [...] würde jenseits des Horizonts ein amerikanisches U-Boot vor Kuba auftauchen und ein paar "Star Shells" (ganz grob... Feuerwerkskörper) abschießen. Das wäre dann die Manifestation der Wiederkehr Christi und Castro würde gestürzt werden. [...][U]nd irgendjemand taufte [diese Operation] "Elimanation by Illumination"."

Der Plan wurde zwar nie verwirklicht und vielleicht wollte der Kerl, der vor dem Kommittee aussagte nur ein bisschen Seemansgarn spinnen, aber... verdammt, wenn Greg Rucka so eine Idee in Queen & Country präsentieren würde, dann würde man ihn einen weltfremden Spinner schimpfen, der weniger Kobra, übernehmen sie gucken sollte. Was mal wieder das "Stranger than fiction"-Theorem beweist.

Weiterführende Links

Bericht des Church-Kommittees

National Security Archive, inklusive deklassifizierter CIA-Akten

posted by Björn um 20:04 | Permalink


23.11.2004

Kinder an die Macht! Frauen an den Herd!
(Hausfrauen & Mütter)

Mike Sterling vollzieht einmal mehr eine seiner Paradeübungen und kommentiert einen alten Comic (Lois Lane #20, August 1969). Großartiges Zeug... verdammt komisch. Die Feinfühligeren mögen hier einwerfen: "Aber... ieh, Mikes Kommentare tropfen ja nur so vor Sarkasmus." Wozu ich nur sagen kann: Rabberdash! Der Originalcomic ist ein Dokument, das in seiner Zeit sicher keine hochgezogenen Augenbrauen verursacht hat, das bei heutiger Betrachtungsweise allerdings vollgepackt ist mit Zynismus und "Ist das bitter."-Momenten. Da kann Mr. Sterling ja gar nicht anders als den Satan mit dem Beelzebub auszutreiben...

Gleichzeitig ist der hier präsentierte Comic aber auch ein interessantes Zeitdokument, das vielleicht helfen kann ein paar Gedankenkonstrukte, die in der US-Superheldenwelt existieren, zu... naja, nicht erklären, das wäre dann doch zu viel des Guten... aber sie zumindest von einer neuen Seite auszuleuchten. Also fassen wir mal schnell zusammen, worum es in LL #20 geht (wobei ich empfehlen würde, das jetzt schnell bei Progressive Ruin nachzulesen, wo es lustig und detailliert präsentiert wird): Superman hat die Faxen dicke, dass Lois Lane immer wieder vermutet, dass Superman und Clark Kent die selbe Person sein könnten (was ja nun nicht an der tölpelhaften Art liegen könnte, mit der Mr. Kent sich im Falle von Katastrophen verabschiedet. "Oh, Gott! Godzilla und das radioaktiv mutierte 50-Meter-große Haarteil von Stan Lee zerstören Metropolis! Wo ist nur Superman?" - "Äh, gute Frage, Lois. Huch, da fällt mir ja ein, dass ich heute noch gar nicht die Geranien gegossen habe."). Also reist der große Blaue in der Zeit zurück und entscheidet sich dazu, bei einem Radiosender statt beim Daily Planet anzuheuern (indem er beim Bewerbungsgespräch bescheißt, was guter, amerikanischer Unternehmergeist ist). Aber auch hier beginnt eine junge Dame (Liza Landis) dem Doppelleben Clarks auf die Schliche zu kommen, und versucht zu beweisen, dass Mr. Kent und Mr. Man die selbe Person sind. Was Clark natürlich ganz tierisch auf den Senkel geht. Da hätte er ja gar nicht erst am extrem sensiblen Gewebe des Raum-Zeit-Kontinuums herumpfuschen und ein Zeitreiseparadox, das das gesamte Multiversum zerstören könnte, riskieren müssen, wenn er überall von schnüffelnden Weibsbildern belästigt wird. Clark hat dann die Faxen schon wieder dicke, reist zurück in die Zukunft und arbeitet doch wieder beim Planet.

Soweit, so gut... mit all den liebenswerten Plot- und Logiklöchern der '60er Jahre, die eigentlich dafür sorgen, dass man so eine Story nicht weiter ernst nehmen sollte. Aber das hier propagierte Frauenbild ist schon interessant. Superman, immerhin der Mr. Clean des DC-Universums, bezeichnet sowohl Lois Lane als auch Liza Landis als "Plage" (Pest), weil sie die unsinnigen Explanate, die ihnen Clark vorsetzt, nicht so ohne weiteres schlucken. Liza hat derweil durchaus eigene Motive um Clark auf die Schliche kommen zu wollen... denn wenn sie Supermans Geheimidentität lüftet wird dieser vielleicht so beeindruckt sein von ihr, dass er sie heiratet.

Clark hingegen ist froh, dass ihr Plan fehlschlägt und sie verzweifelt ihren Job kündigt, so dass er weiterhin Superman sein kann, ohne von einer "inquisitive female" belästigt zu werden. Als Superman schließlich nach 1969 zurückreist, trifft er auf die gealterte Liza Landis, die jetzt "Ehefrau des Jahres" geworden ist und... wie Clark das so schon ausdrückt... "unglaublich fett geworden [ist]! *keuch* Gott sei Dank habe ich sie nie geheiratet. Puh!".

Man merkt, das Frauenbild, das in diesem Comic unter anderem von DCs größtem Vorbild der Periode präsentiert wird, ist... öh... traditionell. Oder anders gesagt, ein Crossover "Superman, the Man of Steel vs. Alice Schwarzer, the Woman from Emma" hätte eine gesunde Grundlage. Frauen haben hübsch auszusehen (bitte nicht zu fett) und ansonsten schön Schnauze zu und sich aus Supermännerangelegenheiten heraushalten. Die Frauen selber haben außerdem den primären Anreiz zu heiraten und "Ehefrau des Jahres" zu werden. Ah, Romantik. Nun waren Comics nicht das einzige Medium, das so ein Frauenbild präsentiert hat... aber dieses Frauenbild kommt hier aus einem Comic der auch Mädchen ansprechen sollte (Lois Lane) und der im Jahre 1969 verlegt wurde. 1969 war in dieser Umbruchsphase in Amerikas Gesellschaft. Rassenunruhen nach dem Tod Martin Luther Kings, die Protestbewegung marschiert gegen Vietnam, Frauen kämpfen für mehr Emanzipation. Und DC präsentiert ein Weltbild, das als erzkonservatives Utopia Suburbania der 1950er herhalten kann. Starke Männer, denen Frauen nur im Wege stehen, deren Rolle in der Gesellschaft ohnehin klar auf das Haus beschränkt ist.

Aber das war doch die Zeit. Damals sah man das halt noch so und das hat sich ja geändert... Frauen in Superheldencomics sind heute starke, selbstbewusste, intelligente Vorbilder für Mädchen. So wie Wonder Woman, Catwoman, die Birds of Prey, Scarlet Witch, She-Hulk, Witchblade... außer natürlich wenn Frauen in Superheldencomics als Storyfutter herhalten müssen und vergewaltigt, in kleinen Teilen in den Kühlschrank gepackt, angezündet und nachträglich zu Mr. "Bad Hair Life" Green Goblin in die Kiste geschrieben werden (nicht notwendigerweise in der Reihenfolge). Vielleicht bin ich da naiv, aber ich sehe da einen Zusammenhang zwischen der Darstellungsweise von Frauen in den Comics jener Ära und der Darstellung von Frauen in heutigen Comics. Viele Männer die Superman heute lesen oder schreiben, haben schon damals Comics gelesen. Das Problem ist der Zufluss von neuem Blut, oder eher der Mangel an selbigem.

Auch viele Romane und Filme aus jenen fernen Tagen kolportieren ein doch eher simples Frauenbild. Das gilt auch für viele Filme die eigentlich ziemlich gut gemacht und intelligent sind. Es galt halt als akzeptierter Fakt, dass Frauen nunmal so sind. Den hat man ganz automatisch in seine Bücher aufgenommen ohne darüber nachzudenken. So wie viele ansonsten verdammt smarte Bücher aus dem späten 19. Jahrhundert, etwa die Romane von Joseph Conrad oder Arthur Conan Doyle, einen automatischen und gedanklosen Rassismus beinhalten. Nicht aus Hass oder Verachtung, sondern einfach dem dominanten Gedankengang folgend. Ich möchte mal wissen wie unsere Filme in 20 bis 30 Jahren gesehen werden. Anyway, ich schweife ab. Also, auch andere Medien transportierten dieses Frauenbild. Radio, Literatur, Magazine, Film und Fernsehen allerdings waren für junge, aufstrebende Frauen durchaus interessante Ziele. Langsam aber sicher veränderte sich das hier präsentierte Frauenbild... schon alleine dadurch, dass Frauen an der Entwicklung mitwirkten und auch als Zielgruppe wahrgenommen wurden, die man bedienen wollte.

Im Falle von Comics gilt das nicht. Die Frauen die in jedem beliebigen Jahr bei den Superheldenverlagen mitgearbeitet haben, kann man meist an beiden Händen abzählen. Superheldencomics transportierten ein Frauenbild, dass Frauen aus dem Medium Comics ausschloß. Frauen hatten kein Interesse daran, im Superheldencomicbereich zu arbeiten, aber Frauen waren auch keine wirklich relevante Zielgruppe. Denn Frauen lesen ja keine Comics. Also machte man Comics für Jungs und Männer, in denen man ihnen gab (und noch heute oft gibt) was sie sehen wollten und in denen man die alten Stereotypen vom aktiven Mann und der passiven Frau aufrecht erhielt. Leser, die mit diesem Rollenbild in Comics groß wurden, akzeptierten es und Autoren, die auch mit diesem Rollenbild in Comics großgeworden waren, halfen es weiter zu verbreiten. Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, ein Teufelskreis, whatever...

Aber wenn man diese harmlosen Comics aus den 60ern -und ich bin mir sicher, dass DC und Marvel hier keineswegs eine großangelegte Antiemazipationshaltung ausdrücken wollten- mal aus diesem Blickwinkel betrachtet und den Einfluß bedenkt, den sie bis weit in die 90er... zum Teil noch bis heute... auf das Rollenbild der Frau als Figur im Comic, aber auch als im Bereich Comic arbeitende Kraft hatten, dann ist das schon beachtlich. Ist es denn, unter diesen Umständen, ein so großes Wunder, dass man sich mit der Frauenrolle immer noch schwer tut und Probleme hat gute weibliche Charaktere zu schreiben, die nicht gezwungen sind nebenbei das T&A-Marktsegment zu bedienen, die nicht primär Platzhalter sind, die nur zum Sterben auf die nächste große Katastrophe warten, oder die so übertrieben hart und unabhängig sind, dass sie sowohl als männliche als auch als weibliche Figuren funktionieren? Ich sage nicht, dass nur Frauen in der Lage sind Frauen zu schreiben... genau so wenig wie nur Männer Männer schreiben können. Aber: eine Industrie, die sich konsequent dem Einfluss einer bestimmten Gruppe... sei es eine ethnische, geschlechterspezifische, wie auch immer geartete... verwehrt muss sich nicht wundern, wenn sie in Bezug auf diese Gruppe nur Wasser tritt, nicht wirklich vorankommt und um Jahr(zehnt)e hinterherzudümpeln scheint.

Wenn man jetzt Mädchen anspricht und halten kann, dann können Superheldencomics vielleicht in der nächsten Generation (und aussterben werden sie nicht) eine breitere Basis an Leserinnen ansprechen. Vielleicht durch die Stimme von starken Autorinnen (und das selbe gilt natürlich auch dafür, dass man ruhig mehr dunkelst pigmentierte Charaktere haben darf als Luke Cage, Black Panther, Steel und eine Green Lantern oder akzeptieren, dass "er ist schwul" nicht als komplette Charaktersierung für den X-Men Northstar durchgeht). Fünf Euronen ins Phrasenschwein aber... Manga hat das ja durchaus demonstriert. Wenn man aber in seinem hermetisch abgeriegelten Mikrokosmos bleibt und kaum Versuche macht, hier in der Darstellungsweise etwas zu ändern, oder ein neues Lesersegment anzusprechen, dann darf man sich nicht beschweren. Wenn man bedenkt, dass Marvel mit Emma Frost, Jubilee und She-Hulk drei Serien, ungeachtet der Qualität und She-Hulk nur für ein paar Monate, schlachtet, die primär für Mädchen gedacht waren, während man weiterhin Miniserien wie Sabretooth, X-Force oder Venom vs. Carnage den Rücken stärkt, dann macht das nicht unbedingt Hoffnung. Da muss doch mehr möglich sein, oder?

posted by Björn um 18:22 | Permalink


Lachen oder Weinen
(Umfrageergebnisse)

Drüben auf THE PULSE fragt Jen Contino: "Welches ist euere liebste Nicht-Superheldenserie?" Bei den Antworten die darauf folgen hat man wieder Hoffnung für Deutschlands gedemütigte PISA-Schüler, denn so ganz haben die Frage nicht alle verstanden. Denn da werden unter anderem POWERS (ein Comic das ich nur um Superhelden-Kriminalfälle dreht), Planetary (ein Comic in dem Menschen mit Superkräften die Hauptrolle spielen), DEMO (Die einzige Superheldencomicserie die es bei AiT/Planetlar gibt!) oder SLEEPER (ein Typ der im Wildstorm-Superheldenuniversum rumläuft) aufgelistet.

Grenzwertige Comics wie HELLBOY oder WE3 mal ausgenommen, besteht der Rest der Nennungen meist aus Science-Fiction, Fantasy oder anderem Genre-Krempel. Ich meine da wäre wirklich mal Gelegenheit gewesen ein paar 'real world' Comics aufzuzählen, aber nein, es bleibt einfach hermetisch. Aber klar, wozu aufregen, in ungefähr war das ja so als ob man CDU/CSU-Politiker fragt welche Nicht-CDU/CSU-Politiker ihre Arbeit gut machen.


posted by Sascha um 16:39 | Permalink


21.11.2004

Tilting @ Windmills #11
(Ben... äh... Björns Lesetipp)

Kolumnenmäßig hat das comicrelevante Internet ja in der letzten Zeit ein wenig nachgelassen. Matt Maxwell und Graeme McMillan haben ihre Kolumnen eingestellt, Steven Grants "Permanent Damage" dümpelt ein bisschen lustlos umher, Warren Ellis "Streaming" ist bisher, mit wenigen Ausnahmen wie seinen Annotationen zum 16-Panel-Gitter, richtungslos und ohne Biss... bleiben als fast immer lesenswerte Kolumnen nur noch Paul O'Briens "Article 10" und Brian Hibbs' "Tilting At Windmills".

Und letzterer hat schon wieder eine richtig interessante Kolumne hingelegt. Alleine der Fakt, dass er die Comicwelt nicht durch die Augen eines Fans oder Künstlers sieht, sondern durch seine Rolle als Comicladenbesitzer einen eher selten beschriebenen Blickwinkel hat macht die Sache schon interessant. Wie in der letzten Kolumne angekündigt richtet er dieses mal sein Augenmerk auf den Independentteil des Previews-Magazins. Anders als im letzten "Tilting" geht er allerdings nicht Bestellung für Bestellung durch, sondern wirft die Frage auf, was ein Indie-Comic erfüllen muss, um die Aufmerksamkeit von Comichändlern zu erwecken.

Zu lang, zu detailliert und zu interessant um es sinnvoll zusammenfassen zu können, aber wer wissen möchte welche Maßstäbe und Ansprüche einen Indie-Titel anwendet, wie er die Verantwortlichkeit der Läden sieht, solche Comics im Sortiment zu haben, wo es zu Konflikten zwischen den Träumen und Visionen der Künstler und der wirtschaftliche Realität der Comichändler kommt, der kommt um diese Kolumne nicht rum. Unbedingt lesenswert.

posted by Björn um 18:03 | Permalink


20.11.2004

Team Comics: Was soll das?
(Meinung)

Ich weiss nicht, vielleicht liegt es an mir, vielleicht aber auch tatsächlich an den derzeitigen Veröffentlichungen: Selten haben mich aktuelle Serien mehr gelangweilt als jetzt. Wenn ich im Comicshop herumirre finde ich zig Tradepaperbacks die ich früher nicht kaufen konnte, weil ich schon viel zu beladen war. Jetzt ist es genau umgekehrt. Nachdem ich auch das letzte Heft welches kürzlich erschienen ist durchblätterte, habe ich jetzt endlich Zeit alles nachzulesen und aufzustöbern.

Keine Ahnung woran das liegt. Klar man verändert sich, wird erwachsener *gröhl*. Zugegeben: ich bin im letzten Jahr im weiter raus gefallen aus dem Thema Comics. Kontrollierte ich noch mehrmals täglich das Comicforum ob irgendwas los ist, so schaue ich gerade noch 1-2 mal pro Woche rein, dann aber auch nur kurz.

Was ist los?

Ich weiss es selbst nicht. Team Comics zum Beispiel. Im Endeffekt sollte mal jemand ein Manifest dazu schreiben, damit man endlich mal weiss was das genau sein soll. Im Grunde genommen ist es ja nur die vage Idee, dass sich alle Comicleser zu so ner Art Gerechtigkeitsliga versammeln und denen da draussen mal zeigen wie geil Hulk-Comics sind. Natürlich alles etwas glatt gestrichen in meiner Erklärung versteht sich.

Und ja, wenn man mal ne zeit lang nichts mit Comics zu tun hat und dann rein schaut was da los ist, dann ist es gerade verdammt langweilig für Leute wie mich.

Es gab niemals ein Team Comics und ich weiss nicht ob es jemals eines geben wird, denn die Comicszene, so klein sie auch sein mag in der westlichen Welt, hat keinen gemeinsamen Nenner. Diese sowieso schon kleine Gruppe wird nochmal zerteilt in kleine und kleinste Teile. Schlimmer noch, die derzeit grösste Comicleserschaft will mit Comics nix zu tun haben, denn die lesen Manga. Das ist so ne Art Schwesterplanet ganz weit entfernt und wir haben leider den Kontakt verloren.

Im Endeffekt war Team Comics sowieso immer nur eine romantische Idee, wenn ich es von heute aus betrachte. Aber klar, das muss auch mal sein. Die Realität nervt ja eh nur. So sehr mich die Punk/Hardcore-Musikszene auch immer nervte mit ihren scheiss konservativen Ansichten und ihrer Über sensibilisierung in den Bereichen Emanzipation und Veganismus, so sehr haben sie doch von jeher etwas richtig gemacht: Der Großteil ist aktiv.

Das heißt man ist nicht nur Konsument, man ist auch Produzent, Händler und sogar laufende Litfasssäule in einer Person. Das nennt man dann Graswurzelbewegung. Viele Guerilla-Marketing Ideen kommen genau aus dieser Szene. Punk war von Anfang an ein Teamwork.

Comics waren es nie. Vielleicht liegt das auch in der Geschichte begründet. Das Bastardmedium. Gefördert um Zeitungen etwas aufzulockern und später massenhaft vervielfältigt weil Kinder auf die bunten Strips abfuhren. Ein verdammter Fehlstart der nie wieder gut gemacht werden konnte. Das hat soweit geführt, dass man schon nach anderen Begriffen sucht um von dem verdammten Kindercomic-Stigma weg zukommen. Graphic Novel ist nur eines davon.

Comics wurden ziemlich schnell zum Massenmedium. Irgendwie hat das ganz gut geklappt mit den EC-Horrorstories oder Superman in den USA oder Atom Boy in Japan. Aber dann? Mal abgesehen von Japan, ist der Westen verkaufsmässig am ab kacken. Es gab irgendwo mal ne Statistik die belegte das seit der 2. Weltkrieg vorbei ist in den USA jedes Jahr kontinuierlich weniger Comics verkauft wurden. Von Deutschland will ich gar nicht mal anfangen und die Zeiten von "Pilote" in Frankreich sind auch rum. Heute ist das Massenmedium ein Mückenschiss, ernsthaft betrachtet. Und das wird es bleiben. In Deutschland sowieso. Zeit uns zu verabschieden von dem was mal war. Aber genau da ist ein Haken.

Comicleser lieben die Vergangenheit. Bitte noch einmal alles so machen wie ich es damals mit 11 gelesen habe. Bitte alles zweimal, dreimal retconnen, entstauben, neu auflegen, wieder drucken, ja wiederholen, zusammengefasst ist "Wiederholung" das Stichwort.

Etwas das beim Fernsehen schon immer negativ auffiel. Wiederholungen. Comics stecken da fest. In Deutschland meiner Ansicht nach zwischen Selbstbefindlichkeits Intellektoschnulzen und Museumseditionen. Etwas grob formuliert versteht sich. Man möge mir meinen grobschlächtigen bösen Humor verzeihen.

Eines weiß ich sicher, es gibt keinen Weg zurück. Die Millionenverkäufe der Vergangenheit werden Vergangenheit bleiben. Es gibt keine Strohhalme zum dran fest halten. Andere Medien haben die bessere Infrastruktur. Wenn Spielberg einen neuen Film macht, dann stehe ich vor einem Regal aktueller Zeitschriften die alle darüber berichten. Wenn ein neuer Teil von "Grand Theft Auto" raus kommt, stehe ich vor einem Regal von Zeitschriften die darüber berichten. Wenn Mawil einen neuen Comic macht dann klatschen 12 Leute in die Hände - weil wir wissen was gut ist, aber das ist eben der Deal: Die anderen werden es nie mitbekommen. Solange noch darüber geredet wird was Team Comics ist, wird nie etwas passieren. Reden ist nicht tun, so einfach ist das.

Eine bessere Infrastruktur heisst auch: Die Kleinen können überleben. In den 10 Jahren in denen ich in einer Death Metal Band gespielt habe, habe ich mehr Geld in meine Richtung kommen sehen als in meinen 5 Jahren mit Comics. Der Witz ist, bei Comics hätte ich nix dagegen gehabt, bei der Musik war's uns egal. Wir haben überall gespielt. Fahrtkosten, Pennplatz und wenn's gut läuft ein Essen, das wollten wir. Aber dann hat man halt mal öfter die Bude voll und wird an der Abendkasse beteiligt.

Es weiß ja jeder - das ist das Dilemma. Keine Spitze die die Breite fördert. So etwa s kann nicht funktionieren. Ich hab's damals nicht einsehen wollen, glaubte fest an Team Comics, an eine neue Chance als Massenmedium, glaubte daran das WIR wirklich was bewegen können. Wie man halt so ist. Alle Alten sind doof und ich Greenhorn weiss alles besser.

Alles Unsinn.

Was bleibt ist der Spass am Medium. Warren Ellis nannte eine seiner Kolumnenserien mal "Come in alone", weil man Comics nur alleine lesen kann. Einen Film kann man mit Freunden sehen, aber Comics sind dein alleiniges Reich wenn du sie liest. Und natürlich hat er den Titel gewählt weil das abgekürzt ganz ober cool CIA ergibt. Meiner Meinung nach ist das auch der einzige Fakt der Comics für einen selbst rettet, für mich noch rettet. Egal ob man Manga, Alben, Hefte oder sonst welche Comics liest, wir wissen alle warum wir es tun, was wir davon haben. Hoffe ich doch wohl!

Aus diesem Grund habe ich Sammler bis heute nie verstanden. Comics kaufen die man nicht wirklich will, nur um die Serie komplett zu haben. Urgs. Dann doch lieber Panini-Bildchen. Das sind dann nur Bilder ohne Geschichten. Comics sind ein komplexes Medium und man sollte sie dafür wertschätzen und nicht für die vielen Zahlen in ununterbrochener Reihenfolge.

Okay, der Bogen gerät langsam aus dem Ruder... Worauf ich hinaus will - und das weiss ich immer noch sicher - Comics sind Rock`n Roll. Sie können es zumindest sein. Es hängt davon ab was jeder einzelne daraus macht. Soweit ich es schaffe jemals wieder einen Comic zu veröffentlichen *hust* will ich auf jeden Fall immer eine Releaseparty machen. Party, saufen, Musik, kotzen, am Leben sein, übersprudeln vor Lebendigkeit - das fehlt mir manchmal bei Comics und das ist mein Teil den ich beitrage.

Früher hatte ich die Hoffnung möglichst viele Leute zu versammeln die auch so denken, ein wenig Lebendigkeit ins trockene Comicleben bringen wollen. Heute denke ich: Fuck it. Die Zeit die man damit verbringt jemand dahin zu quatschen, dass er mal aus sich raus geht und mal wirklich was tut, in der Zeit habe ich schon 3 anderen Sachen organisiert. Und ich tu's auch ehrlich gesagt auch nicht mehr für Comics, sondern für mich. Come in alone.

Ich hab daran Spass wenn mein Lieblingsmedium zurück in den Alltag kehrt. Das ist etwas da sich tun kann. Ab und zu. Es wird nix verändern, aber es wird mir in schöner Erinnerung bleiben. Ist ja mein Leben, da gönnt man sich schon mal was.

In diesem Sinne gibt es für mich kein Team Comics. Das ist nur ne Idee und Ideen taugen nur etwas wenn sie Realität werden. Gott, ich kenne so viele Kiffer die so viele Ideen haben. Und was passiert mit diesen Ideen?

Schall und Rauch.


posted by Sascha um 02:15 | Permalink


19.11.2004

Wenn Brian Bendis Fraktur redet
(Deutsche Sätze in "Daredevil")

"Wenn aber man kann nicht meinem Rede Verstehen, so werde ich ihm später dasselbe übersetz, wenn er solche Dienst verlangen wollen haben werden sollen sein hätte."
(aus einer auf deutsch gehaltenen Rede von Mark Twain)

Tja, deutsch ist wirklich keine einfache Sprache. Trotzdem wird sie immer wieder gerne in US-Comics und -Filmen verwendet. Oft, aber nicht ausschließlich, sind es die nach wie vor als Bösewichte beliebten Nazis, die dort deutsch reden dürfen. Oder das, was die Autoren dafür halten. Bei Filmen hat Hollywood ja den Vorteil, dass es sich Muttersprachler wie Udo Kier oder Götz Otto ins Studio holen kann, die diese seltsame Sprache auch korrekt sprechen können.

Bei Comics ist es eher Glückssache. Wenn man nicht aufpasst, vertauscht man bei "Nicht schießen!" das E mit dem I und schon schreit der deutsche Soldat etwas sehr lustiges (so gesehen in einem "War Storys"-Heft von Garth Ennis). Umsichtige Autoren und Redakteure fragen bei ihren deutschen Kollegen an, wie z.B. Dark-Horse-Redakteur Scott Allie. Als der ein paar Brocken deutsch für das "Dark Horse Book of Hauntings" brauchte, holte er sich diese von Gunther Nickel, Co-Übersetzer der deutschen "Hellboy"-Ausgabe bei Cross Cult.

Aber wer will schon solchen Aufwand treiben, wenn man im Internetzeitalter lebt und so schöne Werkzeuge wie Babelfish und die Google Language Tools zur Verfügung hat? Das muss sich Brian Bendis gedacht haben, denn in Daredevil #66 liefert er einige der schönsten Stilblüten, die man sich denken kann. In einer Rückblende in die vierziger Jahre sehen wir einen jungen Nachwuchsgangster, der in New York dem Chef seines Syndikats die Beute aus seinem letzten Raubzug abliefert, aber selber auch einen Teil davon abzwacken will. Dieser Chef ist ein strammer deutscher Nazi, der den Kleingangster mit einem schneidigen "Heil Hitler!" begrüßt und ein schmuckes Eisernes Kreuz am Hals trägt.

Als der junge Mann anfängt, Ärger zu machen, schreiten die Schergen des Nazibosses ein: "Jemand töten diesen Fruchtkuchen!" Dieser hübsche Satz ist exakt das Ergebnis einer Google-Übersetzung des Satzes "Somebody kill this fruit cake!" Das schlaue LEO-Wörterbuch verrät uns wiederum, dass "fruitcake" nicht nur "Obstkuchen", sondern im Slang auch "Schwuchtel" oder "Spinner" bedeuten kann.

Relativ einfach rückübersetzen lassen sich die Bendis'schen Satzgebilde "Aber was über die Diamanten?" und "Wir können nicht durch Behörden verfangen werden." Beide sind dem Google-Sprachtool ohne weiteres zu entlocken. Etwas schwieriger wird es dann aber mit folgendem Bonmot: "Gerecht schieben sie ihn und halten sie das Geld! Gerecht schieben sie ihn!". Sachdienliche Hinweise, die zur Ergreifung des ursprünglichen englischen Ausgangssatzes führen, werden in den Kommentaren entgegengenommen.

Tja, man sieht, diese modernen Werkzeuge machen altmodische menschliche Übersetzer vollkommen obsolet. Deutsche Leser, freut euch auf die vollautomatisch übersetzten Comic-Höhepunkte 2005: "Avengers bauten" und "Grüner Laternerebirth". Oder wie wär's mit einer Neuauflage von "Krise auf endloser Masse"?

posted by Thomas um 13:09 | Permalink


18.11.2004

Rock 'n' Roll Realschule
(Link-O-Rama)

  • In unserem Interview hat Devin Grayson eine ganze Ladung an Fragen genannt, die sie gerne in Interviews von ihren männlichen Kollegen beantwortet bekommen würde. Steve Lieber (unter anderem Zeichner von Whiteout) hat sich dazu entschlossen nicht erst zu warten, bis er interviewt wird, sondern die Fragen in seinem Blog direkt selber zu beantworten.

    (Gefunden via Cognitive Dissonance).


  • Tom Spurgeon steht auf und offeriert all denen, die CrossGens Auferstehung im Hause Disney knapp hinter oder knapp vor Jesus Auferstehung von den Toten, als bestes Zeichen dafür halten, dass alles gut wird, einen Alternativstandpunkt. Einen, dem ich gar nicht so abgeneigt bin. Auch wenn jede Firma die überlebt der Industrie nur nutzen kann, es ist nicht so als wenn CrossGen - wie immer noch gerne behauptet wird - nur das Opfer von widrigen Umständen, geld- und publicitygeilen Künstlern und der Schiefe der Ekliptik wurde.

    Spurgeons Punkte sind, dass
    a.) CrossGen ein Fehlschlag war, sonst hätte man nicht so lange warten müssen bis die Zwangsversteigerung stattfand und es hätte mehr als zweieinhalb ernste Bieter gegeben.
    b.) CrossGen durch eigenes Verschulden ruiniert worden sei, da man sich zu sehr an Marvel, DC und dem frühen Image ausgerichtet habe (auch wenn man bekanntermaßen niemals Superheldencomics gemacht hat... ah, well... a rose by any other name...).
    c.) CrossGen künstlerisch nichts Neues geboten habe, sondern alles was CrossGen auslieferte vorher schonmal so oder so ähnlich da war.
    d.) CrossGens Idee alle Künstler als Angestellte in einer Büroatmosphäre zu halten sich nicht durchgesetzt habe, weshalb man später keine Big Names mehr habe ziehen können.
    e.) Dass man über den Jubel, dass DeMatteis und Ploog ihr Abadazad jetzt doch noch veröffentlicht bekommen, nicht vergessen solle, dass es da jede Menge andere ehemalige CrossGen-Angestellte gebe, die diese Chance nicht erhalten.

    Das ist bei Tom Spurgeon natürlich alles ein bisschen detaillierter dargestellt. In verwandten Nachrichten: Bill Rosemann geht zu DC Comics. Rosemanns letzter Job war der des Schönfärbers bei CrossGen, wo er für Mark Alessi der Öffentlichkeit gegenüber die Parole ausgab, dass alles in Ordnung sei, alles gut würde und der das sinkende Schiff CrossGen dann selber rechtzeitig wenige Wochen vor dem endgültigen Kollaps verließ... aus privaten Gründen natürlich... reiner Zufall, dass mit dem Zeitpunkt... bis dahin sah wirklich alles gut aus... richtig gut... wirklich.


  • Dorian sieht in der neuen Space Ghost-Serie eines der Probleme die symptomatisch für die nordamerikanische Comicindustrie seien. Der Titel basiert auf einer eher hanebüchenen alten Zeichentrickserie für Kinder (die vielleicht auf einem Comic basiert hat, da bin ich mir nicht sicher)... allerdings hat DC sich hier entschlossen aus dem ehemals harmlosen Kindertitel eine düstere und brutale Space Opera für "Erwachsene" (da ist wieder das "erwachsen"/"pubertär"-Problem) zu machen. Dorians Frage, warum sowas nötig ist, ist durchaus gerechtfertigt.

    Der Markt ist klein... sicher... und wenn man eine Space Opera machen will bei der man sich nicht sicher ist, ob sie ihre Leserschaft finden wird, dann baut man die Grundidee halt in eine alte Lizenz ein und kann so zumindest auf ein paar Stammleser oder den Nostalgiefaktor hoffen. Gleichzeitig korrumpiert man bei solchen Versuchen aber auch fast immer (außer man hat einen starken Autor) die eigentliche Idee, weil die Leser mit einer gewissen Erwartungshaltung bezüglich des Originals an den Titel herangehen, die erfüllt werden muss. Von einem künstlerischen Standpunkt aus gesehen wäre es also sicher sinnvoller gewesen diesen Titel ohne bestehende Verknüpfung zu einer alten Serie zu starten... sowas wie die amerikanischen Meta Barone. So verwässert man die Grundidee, weil sie irgendwie ins Schema der alten Serie passen muss und man verwässert den Markt, weil man den Nostalgielesern, die wollen, dass ihre Titel mit ihnen "reifen", Recht gibt. Kindercomics sollten nach einiger Zeit auf die Ansprüche von Erwachsenen und Teenagern umgestellt werden. Ich weiß ja nicht ob sich erwachsene Leser dann nicht einfach nach einer neuen Droge umsehen sollten, statt darauf zu bestehen, dass Figuren aus ihrer Kindheit jetzt in neuem Gewand zurückkehren müssen. Früher habe ich Phantomias auch gemocht, trotzdem will ich nicht, dass man daraus einen early-Image-Style T&A/Blood&Gore-Titel macht, nur weil ich jetzt "erwachsen" bin. Dann greife ich doch lieber sofort zu Witchblade und Spawn, oder ähnlichen Titeln. Oder sehe ich da was falsch? Egal. Freuen Sie sich, werter Leser, wenn Archie Comics "Girls Gone Wild: Victoria & Betty Machen's In Paris" herausgibt, denn nach brutalisierten Kindheitshelden ist das der letzte Schritt, der noch fehlt, um die Nostalgiker restlos glücklich zu machen. Ein Erotikcomic der das bietet, was es im Internet schon zu Hauf gibt... aber das ist ja leider nicht "canon". Buäch.


  • Die Sache mit den "Graphic Novels" scheint ein Erfolg zu sein... auf eine gewisse, verquere Art und Weise werden die tatsächlich als "Bücher" angesehen. Eine Siebtklässlerin mit Lernschwäche hat aus ihrer Schulbücherei ein Exemplar von Grant Morrisons "New X-Men: Imperial" ausgeliehen. Statt von einem Comic spricht die Zeitung, die Kevin Melrose hier zitiert, von einem "Buch, illustriert wie ein Comic". What the...? Ein Buch, illustriert wie ein Comic? Also sind Comics die sich nicht direkt an Kinder richten jetzt keine Comics mehr sondern Bücher, illustriert wie Comics. Ja?

    Die Mutter der Siebtklässlerin bemänglet, dass in dem Buch, illustriert wie ein Comic, unflätige Sprache, erotische Darstellungen und Gespräche über sexuelle Belästigungen auftauchen... zudem hat sie das Gefühl, dass das Buch Gewalt fördere. Das Positive an dieser Angelegenheit ist, dass sich die Mutter gegen die Schülerbücherei stellt, die dieses Buch, illustriert wie ein Comic, an ihre Tochter ausgegeben, bzw. überhaupt angeschafft hat. Zumindest wird in dem Artikel nicht deutlich, dass sie vorhat rechtliche Schritte gegen Marvel Comics einzulegen, etwa weil man den Comic nicht deutlich genug als für ältere Semester ausgezeichnet hat oder weil man hier heimtückisch junge Menschen einlullt, indem man ihnen ein Buch gibt, aber eben eines das illustriert ist wie ein Comic... um Kinder zu angeln!

    Trotzdem bleibt ein fader Beigeschmack, denn solche Ereignisse können eben auch ganz schnell auf die Comicfirmen zurückfeuern, wenn man an Eltern gerät die wirklich an "moral values" glauben (und die Aussage der Mutter, dass sie ihrer Tochter bestimmte Begriffe nicht erklären möchte geht schon ein wenig in diese Richtung) oder einfach nur einen tollwütigen Anwalt haben, der hier die Chance auf ordentliches Schmerzensgeld wegen seelischer Schäden und bla riecht ('kay, genau dasselbe gilt natürlich auch für die Bücherei). Hier sind Büchereien und ähnliche Institutionen auch gefordert. Nicht, dass sie jeden Titel den sie haben lesen und jeden kleinen Verstoß gegen den "guten Ton" bemerken müssen, aber zumindest muss das Bewusstsein geschafft werden, dass Comics nicht automatisch für Kinder sind (weil es ja inzwischen auch Bücher, illustriert wie Comics, gibt, die sich an ältere Leser richten) und man auch hier eine gewisse Sorgfaltspflicht walten lassen muss. Eine engere Zusammenarbeit zwischen Büchereien und Comicfirmen wäre hier wünschenswert, um solche Vorfälle so weit wie möglich zu verhindern, da beiden Seiten hier böse Schaden nehmen können.

    Insbesonders, da der moralische Konservatismus in den nächsten Jahren in den USA wohl eher zu- als abnehmen wird und Comics mit dem Vorurteil, dass sie als Kindermedium auch generell kinderfreundlich zu sein haben, wohl vermehrt konfrontiert werden dürften. Ist vielleicht eine gute Zeit um den Comic Book Legal Defense Fund zu unterstützen.

  • posted by Björn um 19:37 | Permalink


    VerFLIXt! kommt als Sammelband!
    (neue Veröffentlichung von Flix)

    Schon seit mehr als zwei Jahren veröffentlicht Flix, Max-und-Moritz-Preisträger und Autor/Zeichner von "held", bei uns seine Toons unter dem Titel "VerFLIXt!".

    Obwohl gerade erst sein Album "Sag was!" erschien, ist es bereits sicher, dass Carlsen im Herbst 2005 einen Sammelband der besten "VerFLIXt!"-Toons herausgeben wird. Diese werden größtenteils überarbeitet oder neu gezeichnet sein, und ein paar unveröffentliche Neue gibt es natürlich auch. Die 64 Seiten sind komplett farbig, und der Preis des Hardcoverbandes steht auch schon fest: 10,- Euro.

    Für die Leser von Comicgate hat das zum Glück keine Auswirkungen. Ihr könnt weiterhin die wöchentlich aktualisierten Toons bei uns lesen, und zwar bei unseren Webcomics.

    posted by Frauke um 13:09 | Permalink


    16.11.2004

    Das Imperium schlägt zurück
    (yup, und deutsche Header... äh, Überschriften tun das auch)


    Das Imperium Disney kehrt wieder auf die Landkarte der amerikanischen Comic-Publizistik zurück. Wobei noch nicht ganz klar ist, wie das im Einzelnen aussehen wird. Klar ist nur, dass Disney sich die Rechte für die ehemaligen Crossgen-Properties (wie Abadazad, Ruse und Meridian) gesichert hat. Nun gibt es erste Hinweise darauf, was Disney gedenkt mit dem neu erworbenen Comickapital anzufangen. Zunächst Abadazad. Die Serie soll von den Schöpfern, Marc DeMatties & Mike Ploog, weitergeführt (bzw. neu eingeführt) werden, erste Veröffentlichungen sind Anfang 2006 geplant. Merdidian, Ruse und The Way of the Rat sind momentan noch in der Entwicklung. Da Abadazad bei Hyperion Books For Children im Buchformat (Prosa+Illustration) erscheinen wird, und sich
    im Newsarama Interview auch nur Vertreter von Disneys Kinderbuchlabel äussern, wären Spekulationen, Disney begäbe sich wieder in den Comicmarkt, etwas verfrüht. Es gilt, sich zunächst einmal eine Übersicht über die Crossgen Veröffentlichungen zu verschaffen, aber nach eigenem Bekunden hat die italienische Niederlassung (welche auch für die Erfolge von W.I.T.C.H. und Kylion verantwortlich ist, mit kaum vorstellbar kosmischen Auflagen) noch einiges damit vor.


    Nachdem das traditionell ausgerichtete Disney Comics Anfang der Neunziger gefloppt ist und das geplante Erwachsenenlabel Touchmark gar nicht erst gestartet wurde (dafür aber einige Projekte wie Extremist oder Enigma zu Vertigo wanderten), ist Disneys Publizistikabteilung was Comics angeht ein gebranntes Kind, das sicher keine übereilten Neuverlagsgründungen forcieren wird. Vorstellbar ist, dass die italienische Tochterfirma, wo die ins Teen-Konzept passenden Projekte vermutlich realisiert werden, solche, die sich in Europa bewähren, an die Mutter weiterlizensiert. Ob es sich dann um "astreine" Comics, oder um Buchadaptionen handelt, ist offen. Wie dem auch sei, damit stände Disney eher in Konkurrenz mit den Manga-Verlagen, denn mit den etablierten Big Two, Marvel und DC. Begrüssenswert wäre es allemal, wenn so ein Grosser wieder Interesse am Medium zeigen und die allgemeine Tristesse in der Branche etwas auflockern würde.

    Auch wenn das ganz grosse Momentum vorbei ist (Trennung von Pixar, fehlgeschlagene Übernahme durch Comcast) ist Disney bei einer Marktkapitalisierung von 42 Milliarden Dollar immer noch ein gewichtiger Player in der internationalen Medienbranche. Wenn man bedenkt wie grosszügig Time Warner mit seiner Comicabteilung von DC (und dabei vor allem mit Vertigo) umgeht, kann man sich nur wünschen, dass ein weiterer finanzstarker Player mit langem Atem die Szene betritt. Auch wenn vom Standpunkt des Big Business aus Comics wohl lediglich als eine Art subventionierte Forschungs- und Entwicklungsabteilung für die grossen Content-Lieferanten (Kino, TV, Games...) angesehen wird... solange man die verrückten Wissenschaftler tüfftlen lässt und man als Leser davon profitiert, ist nichts dagegen einzuwenden.




    posted by cristian um 22:25 | Permalink


    15.11.2004

    Befragung der Comicgate-Leser
    (in eigener Sache)

    In unserem Forum haben wir heute eine Umfrage gestartet, um zu erfahren, was Ihr, die Besucher von Comicgate, gerne auf unserer Seite lest, was man noch verbessern kann oder was Euch gänzlich fehlt.

    Wir freuen uns über eine rege Beteiligung, denn anhand der Abstimmung und Eurer Meinungen können wir feststellen, ob wir mit unserem Programm ins Schwarze treffen oder gänzlich vorbeizielen. Und wir hören uns, neben Lob ;), natürlich gerne Kritik an, die wir auch ernst nehmen.

    Hier geht's direkt zur Umfrage:
    http://www.comicforum.de/showthread.php?t=67666

    Wer noch kein Mitglied beim Comicforum ist, muss sich allerdings zuerst registrieren, um abstimmen zu können (wer das nicht möchte, kann auch gerne hier in den Kommentar seine Meinung schreiben).

    Vielen Dank schon mal für Eure Teilnahme sagt das gesamte Comicgate-Team. :)

    posted by Frauke um 17:23 | Permalink


    14.11.2004

    Marvel versus City of Heroes
    (Rechtliches)

    Wie inzwischen in einem ganzen Rutsch an Zeitungen berichtet wurde (zuerst in der USA Today) hat Marvel einen weiteren Schritt zur Erfüllung der "Matt Murdock Memorial Mission" ausgeführt. Das Ziel der MMMM - so genannt in Anlehnung an Daredevil, der in seiner Geheimidentität ein heldenhafter Zivilrechtsanwalt names Matt Murdock ist - ist es, hungerleidende Rechtsanwälte vor dem Absturz zu retten, indem man sie durch, von normalen Menschen als wahnsinnig erachtete, Prozesse im Berufsleben hält.

    Okay, das war ein bisschen dick aufgetragen. Marvel handelt hier ja nicht als Superschurke. Also der Reihe nach: Worum geht's?

    Seit einiger Zeit ist ein Online-Spiel namens City of Heroes der große Renner unter Multiplayer- und Comicfreunden. Man erstellt sich seinen eigenen Superhelden, sucht sich den passenden Server und kann dann in einer Metropole mit tausenden anderen Spielern losziehen um Superschurken oder andere Superhelden zu vermöbeln. Comicfans lieben es und auch die Fachpresse äußerte sich ausgesprochen positiv über das Spiel. So weit, so gut... wo ist nun der Klagegrund für Marvel?

    Nun, Marvel verklagt zwei, an der Herstellung des Spiels beteiligte, Firmen namens NCSoft und Cryptic Studios, da der Superheldeneditor, mit dem man sich seinen eigenen Charakter erschafft, die Möglichkeit offen lässt, auch Charaktere zu schaffen, die Marvel-Charakteren ähnlich sehen. Die Schadenssumme die Marvel hier veranschlagt ist nicht genauer spezifiert, aber eine der Forderung von Marvel ist, dass die Firmen aufhören, die Verwendung von Marvels geistigem Eigentum im Spiel zu erlauben.

    Ein Beispiel, das Marvel hier ins Feld führt, ist die Erstellung eines "gigantic, green, 'science-based tanker'-type hero that moves and behaves nearly identically" wie Marvels Hulk. Auch könne man ein Kostüm erstellen, dass dem von Wolverine ähnelt und viele Fans würden ihre Charaktere nach Marvelcharakteren benennen.

    Aber wenn doch Fans die Charaktere erstellen... warum verklagt Marvel dann die Firmen?

    An dieser Stelle ähnelt die Klage von Marvel den Klagen der Plattenindustrien gegen Peer-to-Peer-Software à la Napster. Zum einen Stellen die Firmen Serverspace zur Verfügung auf dem die Charaktere untereinander interagieren. Für Rechtsbrüche auf diesen Servern, ist nicht nur der einzelne User, sondern auch der Serverbetreiber haftbar, der diese zu unterbinden hat. Zudem macht die von den Firmen ausgelieferte Software, also der Editor in C.o.H., den Rechtsbruch möglich. Zusätzlich würden die von Spielern erstellten Charaktere Marvels Lizenzprojekten für ähnliche Spiele schaden.

    Warum klagt Marvel hier überhaupt?

    Es ist leicht hier in einen Automatismus zu verfallen der auf kreativer Seite besagt: "Charakterklau böse!" und auf Fanseite: "Marvel böse!" Beide Positionen sind hier vertretbar. Bei Newsarama äußerte sich Jimmy Palmiotti und betonte, dass du als Künstler klagen müsstest, wenn eine Firma deinen Charakter nehme, ein paar kleine Änderungen vollziehe und ihn dann verwende (z.B. ein Charakter der Flammen kontrolliert und "Mash" statt "Ash" hieße). Das ist korrekt, geht aber am Kernpunkt vorbei: nicht die Firmen erstellen die beanstandeten Charaktere, sondern die Fans.

    Die Klage gegen die Firmen ist, dass man den Fans das Werkzeug (Editor) und den Platz (Server) dazu gegeben hätte. Das ist kein neuer Zug, letztes Jahr sorgte Marvel dafür, dass Irrational Games, die Macher von Freedom Force, einem anderen Superheldenspiel, gegen Seiten vorgingen auf denen Skins angeboten wurden, die Marvelcharakteren entsprachen (die Kernaussage dieses offenen Briefes war in etwa: Wenn ihr weiter Skins von Marvel- und DC-Charakteren anbietet, dann verklagt Irrational Games euch, bevor Marvel uns verklagen kann). Dabei ist nicht relevant ob die Skins frei zugänglich waren oder verkauft wurden. Marvel ging damals direkt gegen Skindex.net, die größte Seite dieser Art im Internet, vor. Man drohte mit Strafen von bis zu 100.000 US-Dollar pro Bruch des Copyrights und verlangte vom Betreiber der Seite Auskünfte über alle Personen die die beanstandeten Skins erworben (also runtergeladen) hatten.

    Es geht hier nicht darum, wie manchmal diskutiert wird, das Marvel Angst hat sein Copyright auf bestimmte Charaktere zu verlieren. Das wird nicht passieren. Aber es geht hier darum, dass Marvel mit seinen Charakteren gerne Geld verdienen möchte. Dazu sind sie immerhin da, und genau dabei sind diese Fanprojekte ein Problem. Wenn Marvels Charaktere benutzt werden, dann möchte Marvel dafür natürlich Lizenzgebüren vom Nutzer sehen. Beispiele wären Tony Hawk's Pro Skater 2 & 3. Spiele in denen Spider-Man, respektive Wolverine, als spielbare Charaktere vorkamen. Allerdings: diese Charaktere wurden vorgefertigt vom Spieleproduzenten mitgeliefert, nicht von den Fans selber erstellt.

    Die verständliche Argumentation von Marvel ist aber auch bei Fanprodukten: Wenn man es den Fans ermöglichen möchte, Spider-Man in Freedom Force oder City of Heroes zu spielen, dann sollen die Hersteller halt die Rechte erwerben. Diese Fanprodukte sind also zumindest theoretisch Lizenzgebühren, die Marvel verloren gehen. Im Falle von C.o.H. kommt noch ein Faktor hinzu: Universal hat für 2005/2006 ein Massive Multiplayer Online Role Playing Game (MMORPG) angekündigt, dass exklusiv auf dem Marveluniversum basieren wird. Aus diesem Grund reagiert man natürlich gereizt darauf, dass Marvel-Fans ihre Superheldenfantasien in einem Konkurrenzprodukt ausleben und dann vielleicht 2005/2006 nicht das offizielle Marvel-MMORPG erwerben werden.

    Aber: kann das Urteil denn so entscheidend sein, dass die Klage solche Wellen schlägt?

    Die Antwort in aller Kürze: Ja. Hier geht es nämlich um mehr als um Marvel gegen die beiden Firmen. In den EULA (End User License Agreements - Endnzutzerlizenzbestimmungen), die man als Spieler bestätigen muss, ehe das Spiel installiert wird (dieser lange Textblock, in dem die Firmen auch verlangen könnten, dass man ihnen seine Seele verschenkt, weil die eh nie jemand liest) ist klar festgelegt, dass man kein durch Copyright geschütztes Eigentum (Name oder Aussehen einer Figur) verwendet. Spieler die hiergegen verstoßen und von den Serverbetreibern erwischt werden, werden normalerweise schnell gekickt.

    Die Frage die sich hier stellt ist eine Frage nach dem "fair use" und wie weit sowas geht. Bis wohin darf eine Firma Archetypen verwenden? Muss man wirklich alle x tausend Namen, auf die Marvel und DC ein Copyright haben, als Spielernamen sperren? Der Editor lässt zehntausende mögliche Figuren zu, die einzige Chance hier zu verhindern, dass man Charaktere erstellt, die lizensierten Figuren ähneln, wäre den Editor radikal zusammenzustreichen, so dass man nur eine kleine Menge Figuren erschaffen kann, die bestehenden Figuren nicht zu sehr ähneln. Nur würde das den Sinn dieses Editors komplett unterminieren. Abgesehen davon: wo beginnt das "ähneln"? Wäre der "gigantic, 'science-based-tanker-type' in Ordnung wenn er orange statt grün wäre? Sind schon bestimmte Superkräfte wie Unsichtbarkeit oder Feuerkräfte an der Grenze?

    Vorallem geht es aber darum, dass hier der eigentliche Rechtsbruch von Fans begangen wird, Marvel aber gegen die Serverbetreiber und die Softwareproduzenten (auch im Falle von Freedom Force) vorgeht. Sollte Marvel hier siegen, könnte das einen Wendepunkt für Onlinespiele bedeuten. Egal ob ein Editor mitgeliefert wird oder nicht, Veränderungen an der Spieleengine -so genannte "Mods"- gibt es meist relativ schnell im Internet. Für Shooter wie Quake III oder Unreal Tournament gibt es mehrere tausend von Fans produzierte Mods, darunter unzählige rechtlich geschützte Charaktere wie Darth Maul, Spider-Man, Superman, Johnny Bravo... you name it, they got it. Für Max Payne gibt es Mods und Total Conversions die die Handlung von The Matrix emulieren.

    Sowas könnte die Betreiber der Spiele, aber auch diejenigen, die Serverspace anbieten, dann teuer zu stehen kommen. Insbesondere, da es schwer ist zu verhindern, dass Fans die Spieleengine knacken und verändern. Die einzig sichere Alternative wäre auch hier: die Fans verklagen, bevor man selber verklagt wird. Was das allerdings für das Klima zwischen Fans und Spieleherstellern bedeuten dürfte, sollte klar sein. Ebenfalls dürften Editoren mehr oder weniger vom Markt verschwinden. Wenn die Gameengine geknackt wird, dann hat sich jemand strafbar gemacht. Wenn man einen Editor beiliefert, siehe C.o.H., kann das so ausgelegt werden, als ob man den Kriminellen das Werkzeug in die Hand gibt, den Rechtsbruch also aktiv fördert. Im weitesten Sinn kann das auch als Lackmustest für die sogenannte "Inducement Bill" gelten. Einen Gesetzesentwurf, der vorsieht, dass die Produzenten von Produkten, die zur illegalen Vervielfältigung von Lizenzprodukten genutzt werden, ebenfalls strafrechtlich angreifbar sind (dazu könnten theoretisch auch Hersteller von Leer-CDs, DVD-Brennern, Kopierern, Videorecordern, usw. gehören... mehr Informationen bei der Electronic Frontier Foundation, dem Computeräquivalent zum Comic Book Legal Defense Fund). Ein Sieg könnte zudem als Präzedenzfall gelten, der es ermöglicht Seiten, die Fanart oder Fanfiction veröffentlichen, zu verklagen, da auch dies Missbrauch von bestehenden Lizenzen ist. Theoretisch wäre das jetzt schon möglich, allerdings scheuen die meisten Rechteinhaber die Kosten einer solchen Klage... ein Präzedenzfall dürfte das ändern.

    All das sind theoretische Möglichkeiten, aber sollte Marvel mit dieser Klage Erfolg haben, deren Gründe durchaus verständlich sind, dann könnte das die Spieleindustrie und Teile des Internets komplett umkrempeln. Hier geht es also um mehr als um Marvel gegen zwei Spieleproduzenten...

    Bonusfrage

    Wie sieht das eigentlich mit Titeln wie Planetary oder Astro City aus, die ziemlich offensichtlich Charaktere präsentieren die erkennbar an die Fantastic Four, Hulk, Nick Fury, Superman, Wonder Woman oder Doc Strange angelehnt sind? Natürlich würden weder Marvel noch DC Kurt Busiek oder Warren Ellis verklagen, solange diese noch für sie als Autoren arbeiten können... aber fällt sowas unter "fair use"? Parodien haben da freies Feld (siehe "MAD"), aber kann man dieses Argument auch für 'Hommagen' gültig machen (insbesondere Planetary #11 macht ja keinerlei Anstalten zu verbergen welche Charaktere da wirklich gemeint sind), oder hätte eine Klage hier ernste Erfolgsaussichten?

    posted by Björn um 01:50 | Permalink


    13.11.2004

    More of the same
    (... oder auch nicht)

    In Analogie zu Björns Blogophobie erscheint mir eine Bemerkung zu Paul O'Briens neustem Ninthart Beitrag nicht unangebracht. Paul, für einen Schotten durchaus ungeizig was Sprachwitz und Fleiß angeht (für die wenigen die ihn noch nicht kennen, er rezensiert wöchentlich auf seiner X-Axis page sämtliche Mutanten-Machwerke und manchmal noch mehr) wirft einen alteuropäischen Blick über den grossen Teich und ist, wie wahrscheinlich alle die diesen Blog lesen, nicht sonderlich angetan über die four more years. Zitat:
    "But George W Bush is sticking around. If I'd realised it was a choice, I'd have opted for four more years of reviewing Chuck Austen. I'm self-sacrificing like that. "
    Soweit, wie gewohnt lustig. Ernst wirds als er sich darüber im Klaren wird, dass sämtliches Bush-Bashing inzestuös ist, weil die ganzen Leute die sich darüber aufregen eben auch nur von jenen gelesen/konsumiert werden, die bereits ähnlich darüber denken.


    Kein sonderlich neuer Gedanke. Vor einem halben Jahr habe ich ein Interview mit Woody Allen gelesen, irgenwo in der Zeit oder der Süddeutschen oder sonst einem Blatt, dass sich verpflichtet fühlt nachzufragen, weswegen Allen in der Öffentlichkeit so unpolitisch daherkommt. Seine Antwort war lapidar, von wegen, ihm ist klar, dass Interviews mit ihm ohnehin nur von Leuten gelesen werden, die seine politische Meinung teilen. Und weil er den politisch Andersdenkenden nicht erreichen kann, lässt ers eben ganz.

    Abgesehen davon, und darauf macht auch O'Brien aufmerksam, äußern sich die meisten Linken/Liberalen eher in abwertender, arrgoganter Weise über ihren Gegner, was den Zugang von der anderen Seite her nicht gerade erleichtert. Natürlich kann man anführen, dass die schiere Verzweiflung in Anbetracht der aussichtslosen Lage, in welcher die amerikanischen Liberalen sich befinden, kaum mehr Platz lässt für ausgewogene, argumentative oder zumindest frische Möglichkeiten der Kritik. Am Ende bleibt die Dreifaltigkeit aus Zynismus, Sarkasmus und Ironie, die Waffen der Enttäuschten und der An-Den-Rand-Gedrängten. Und da ist ist beinahe folgerichtig, dass Bush und sein auserwähltes 51%-Volk die Wahl für sich entscheiden kann.

    Interessant in diesem Zusammehang ist der Neustart von Marvel's Iron Man unter der Ägide von Warren Ellis. Nicht gerade der politischen Einseitigkeit unverdächtig (zumindest in seinen besseren Transmetropolitan-Momenten) geht Ellis an den Waffenerfinder und Grosskonzernbesitzer Anthony Stark aka Iron Man durchaus ambivalent heran. Der Charakter wird ge-retconned, was soviel heisst, dass er in unsere Zeit übersetzt wird. Wir erfahren, dass Anthony zu Zeiten des ersten Irak-Krieges 19 Jahre alt war und bereits für Amis Waffen entwickelt hat. In einer sehr interessanten Passage des Comics, gewährt uns Ellis einen Einblick in Tonys und möglicherweise auch in seinem eigenen, persönlichen Dilemma. Tony gibt einem Dokumentarfilmer ein Interview. Dieser konfrontiert ihn mit der Tatsache, dass seine Erfindungen Kinder im Irak und in Afghanistan viel Leid zugefügt haben und versucht ihn mit moralischen (nennen wir sie ruhig liberalen) Argumenten in die Enge zu treiben. Zunächst in Verlgenheit gebracht, fasst sich der Eiserne wieder. Nicht nur, dass Anthony sich auf die moralfreie Wissenschaft beruft und ausführt, dass Gelder, die aus militärischen Erfindungen stammen, dazu verwendet wurden verschiedene medizinische und damit gesellschaftlich relevante Projekte zu speisen. Er wolle eben die Welt verändern und das könnte man nicht, wenn man immer Angst hätte sich dabei die Hände schmutzig zu machen. Und Tony geht sogar in die Offensive und fragt den Interviewer offen:
    "... Intellectuals, critics and activists follow your films closely, but culturally you're almost invisivble, Mr. Pillinger... Have you changed anything?" Etwas vedutzt antwortet er "I don't know".

    Eine Bankrott-Erklärung? Nicht unbedingt. Zumindest zeigt dieser Comic in die richtige Richtung. Fingerzeig-Mentalität und Nörgelei brigen uns nicht weiter, eine kontroversere Auseinadersetzung mit der "anderen Seite" aber uns der Sache zumindest ein Stück näher. Und in doppelter Analogie verweist Iron Man auch auf die Auseinandersetzung mit Superhelden-Comics.

    Vielleicht wird Brubakers Captain America doch interessanter als (zumindest von mir) angenommen. Und vielleicht sind Superhelden-Comics eben doch das amerikanischste am amerikanischen Comic, eben der Mainstream und deswegen das legitime Medium für den politischen Diskurs (den ich momentan in der US-Gesellschaft momentan als sehr spannend und herausfordernd auch für Kreative empfinde). Denn was nutzen vielleicht intelligentere, aber eben unrelevante, weil nicht beachtete kleinauflagige und inzestuöse Intellektuellen-Comics? Oder nach der alten Devise: lieber die Grossen besser machen als sich darüber zu ärgern, dass die Kleinen nicht grösser werden.
    Punkt für die Grossen, diesmal.

    Aber da wir schon dabei sind, hat schon jemand "Mother, come home" von Paul Hornschemeier gelesen? Ein ganz grosser Kleiner. Passt zwar null hier rein, aber musste einfach erwähnt werden, nennen wir das einfach die Indie-Quote.

    posted by cristian um 01:22 | Permalink


    11.11.2004

    A Daisy through Concrete
    (State of the Blogosphere)

    In den Tonnen an Wahlkampfnachbetrachtungsanalysengejammer-wutaufbruchsstimmungsartikeln fand sich auf Salon.com dieser Kommentar (zuerst muss man eine kleine Werbung lesen), der besagt, dass einer der Gründe warum viele Demokraten vom wirklichen Wahlausgang überrascht wurden, der war, dass sie sich in einer Art "Echo-Kammer" befunden hätten.

    Die Idee gefällt mir, weil man sie relativ gut von der Politblogosphäre auf die Comicblogosphäre übertragen kann. Und -nein- die Idee ist natürlich nicht neu, aber auch etwas ältere Ideen sollte man von Zeit zu Zeit wieder ausgraben um zu sehen ob sie noch gültig sind. Die Echo-Kammer-Theorie besagt, dass man dadurch, dass man seine Zeit auf Demokraten-Blogs wie Atrios - Eschaton oder Daily Kos verbracht habe zwar jede Menge über das politische System in den USA, die kleinen und großen Skandale und Falschmeldungen der Republikaner erfahren habe, dass man aber zeitgleich auch den Kontakt nach draußen verlor. Das man übersehen habe, wie die Mehrheit wirklich denkt. Wie bestimmte Dinge außerhalb der Echokammer wahrgenommen werden. Man habe sich eine behagliche, kleine Nische geschaffen in der jedes Presserelease und jede Nachricht so gedreht wurde, dass sie in den eigenen Werte- und Vorstellungskomplex passte.

    Ich schätze, wenn man hier Republikaner und Demokraten rausnimmt, dann hat man eine nicht ganz unpassende Beschreibung der Comicsblogosphäre, die ich zwar immer noch sehr schätze, die aber leider die gleichen Züge annimmt, wie der Großteil der restlichen Comicwelt (gut, diese Züge waren schon immer da, aber da Blogs oft als sowas wie die Demokratisierung der Nachrichtenwelt angesehen werden bestand auch die Hoffnung, dass sich ein breiteres Ensemble an Blogs formen würde) und mehr und mehr insular und inzestös wird. Ich kann mich und dieses Blog von diesem Vorwurf nicht freisprechen. Wir formen einen schönen Kreis und kratzen uns gegenseitig den Rücken (die ursprüngliche Formulierung habe ich geändert weil es ja auch zwei oder drei weibliche Bloggerati gibt). Wir linken zu Posts die zu anderen Posts linken die zu unserem ursprünglichen Post gelinkt haben. Wir sind alle tierisch nett zueinander. Wir haben uns alle ganz doll lieb, weil wir fast alle an die gleichen Dinge glauben, daran, dass Superheldencomics in der jetzigen Form größtenteils obsolet sind, dass wir mehr von den kleinen Indie-Produkten pushen müssen, dass wir die Leute erreichen müssen, die mit Comics nichts anfangen können, Mutterliebe, Apfelkuchen, yadda-yadda-yadda. Wer die Argumente nicht kennt muss nur ein paar meiner letzten Posts lesen, da sind sie aufgelistet. Natürlich glaube ich immer noch an all das, aber wir müssen uns fragen ob die Form, in der wir das tun wirklich nützlich ist.

    Blogger A schreibt etwas tolles über Titel X. Blogger B und C verweisen darauf was Blogger A geschrieben hat. Blogger D und E verlinken zu Blogger B und C. Blogger A verweist darauf, dass auch Blogger B, C, D und E das toll fanden. Blogger F findet das toll, dass alle das toll finden und verlinkt auch zu A bis E. Einen Monat später wird Titel X gecancelt und alle fragen sich: "Wieso?" Der Titel lief doch gut. Blogger A bis E haben ihn geliebt. Und dann kann man sie sehen, die Echokammer.

    Anti-Flag haben ein Lied namens Got the Numbers. Gute Frage für die Blogosphäre: ist das bei uns auch so? Offenbar nein, wir sind immer noch zu Wenige, sonst würden oft gepriesene Titel wie She-Hulk, Fallen Angel oder Human Target nicht so mies laufen. Wie groß ist die Blogosphäre? Vierzig bis fünfzig Blogs die regelmäßig geupdatet werden? In den Comments hat man vielleicht einhundert Stammposter, von denen wir aber die vierzig Bloggerati abziehen können, die sich da gegenseitig den Rücken kratzen. Seien wir freundlich und zählen wir nochmal hundert konstante Lurker, also Leute die lesen aber nicht posten, dazu, dann haben wir eine "Szene" die aus knapp zweihundert Leuten besteht. Das ist nicht gerade beeindruckend.

    Let's face it, in der jetzigen Form sind wir ein Anhängsel, nicht mehr. Wir machen uns das nur nicht bewusst, weil da eben besagte Echokammer ist. Dadurch, dass wir konstant untereinander verlinken und uns alle ganz doll lieb haben nutzen wir niemanden. Sicher, es ist komfortabel mit Leuten zu reden, die denken wie wir, die unsere Vorliebe für bestimmte Comics teilen und sich aus sicherer Distanz über die Deppen bei Newsarama, auf dem Bendis Board oder bei Millarworld lustig zu machen. Nur... ändern tun wir dadurch gar nichts. Das heißt ja nicht, dass Fanboy Rampage (zur Zeit geschlossen, da Graeme aus persönlichen Gründen außerhalb des Internets beschäftigt ist) jetzt aufgegeben werden sollte. Eine gesunde Portion Arroganz sollten wir uns gegenüber Deppen ruhig bewahren. Wir sollten aber auch gleichzeitig aus unserem Kuschelghetto ausbrechen und versuchen da etwas zu bewegen, wo eine größere Zahl an Comiclesern zuhause ist. Artikel auf The Pulse oder Newsarama unterbringen. Das heißt aber auch, dass es nicht reicht Marvel und DC einfach auszuklammern, sondern die großen Themen immer wieder kritisch anzugehen.

    Die Blogosphäre darf dabei ruhig zum Teil in ihrer jetzigen Form bestehen bleiben, als kleines Westentaschenuniversum in dem arrogante Bessergeschmäckler sich den Rücken kratzen und über ihre eigenen Themen reden und sich manchmal ganz sinnfreiem Nerdgehabe hingeben. Aber das sollte halt auch nicht alles sein, was die Blogosphäre ist. Sie sollte auch ein Platz sein, von dem aus man versucht andere Leser, neue Leser zu erreichen statt sich mehr und mehr abzuschotten. Es ist doch öde wenn bei den US-Verlosungen von einem Blogger immer drei andere Bloggerati gewinnen. Mit sowas muss man auch auf Seiten gehen, die nicht von den eigenen Stammleser frequentiert werden um neue Kundschaft anzulocken. Darum ist es auch wichtig, dass uns jemand wie Ken Lowery immer mal wieder daran erinnert, dass die Blogosphäre nicht oh so groß, schön und mächtig ist, und dass keiner gewinnt wenn wir uns immer nur gegenseitig anschleimen, wie toll wir doch alle sind, in der Hoffnung, dass jemand zurückschleimt, dass "du aber auch ganz toll bist, mein Lieber." Sonst verkommt die Blogosphäre zum Äquivalent einer dieser Fanart- und Fanfiction-Seiten die man im Internet fast so häufig findet wie das Wort "fuck" in einem Bendis-Comic und wo sich untalentierte Schmierfinken die von Anatomie, Perspektive oder einer gewissen Grundästhetik (sowas wie die pummeligen Bauchfreittopträgerinnen, die durch ihre Ohrstöpsel Maroon5 hören, dazu "singen" und in Casting Shows zu Hauf in der ersten Runde ausgesondert werden) nicht den Hauch einer Ahnung haben (und ich erkenne sowas, weil mein Geschmiersel sogar noch Schlimmer aussieht), aber von anderen talentfreien Teenagern auf diesen Seiten gepriesen werden, als wären sie Michelangelo redivivus und vice versa. Und früher oder später diesen Scheiß wirklich glauben. Und wenn die Blogosphäre in diesen Gefilden angekommen ist, dann hat keiner was gewonnen, oder?

    Der Titel dieses Posts ist ein Lied von den eels, das erstaunlicherweise nicht das übliche "Life sucks, so better kill yourself"-Gejammer enthält sondern mit den Lyrics startet: "Wake up the dying, don't wake up the dead... change what you're saying, don't change what you've said... now that it's time, that I get out of bed..."

    Tja, entweder wir schaffen das oder wir verdienen es wahrscheinlich Scheiße zu fressen und daran zu sterben.

    ____


    Erinnert ihr euch wie ich damals versprochen habe, dass es mit der Politik hier wieder weniger wird? Tja, mit Konrad Adenauer: "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern." Nachdem ich und einige andere seit Dienstag diese "Gut dass Deutschland soviel besser ist als die USA"-Arroganz zur Schau trugen: Offenbar haben die lustigen Geschichtsverweigerer von der NPD, also speziell ihr Herr Leichsenring, im sächsischen Landtag zwei Stimmen mehr erhalten als sie Abgeordnete haben. Es haben also entweder zwei CDUler für die NPD gestimmt, weil sie mit Milbradt nicht mögen, oder zwei SPDler, weil sie gegen die "große Koalition" sind oder zwei PDSler um Unfrieden zwischen CDU und SPD zu stiften. Pick your own conspiracy theory. Auf jeden Fall fällt das scheinbar unter Protestwahl.

    Protestwahl.

    Wie war das nochmal, was man den Wählern erzählte? Die Nazis darf man nichtmal wählen, wenn man Protest ausdrücken will? Ja, das werden die Wähler sicher begreifen, wenn sie in der Politik so tolle Vorbilder haben. Ganz toll gemacht, liebe Demokratie. Scheiße. Ich bekomme wirklich Angst davor, wie die bei der Bundestagswahl 2006 abschneiden. Not much fun in politics. No sir. Mit den Worten von HL Mencken:

    Democracy is the theory that the common people know what they want and deserve to get it good and hard.

    Treffer. Versenkt.

    posted by Björn um 15:19 | Permalink


    07.11.2004

    Cartoon-Wettbewerb für AIDS-Hilfe
    (gewinnen und helfen)

    Die AIDS-Hilfe Neumünster veranstaltet einen Cartoon-/Comicstripwettbewerb zum Welt-Aids-Tag 2004 am 1. Dezember. Die Gewinnerbeiträge bleiben Eigentum der Künstler, dürfen aber von der Aids-Hilfe Neumünster verwendet werden.
    Thematisch soll es sich natürlich - zumindest im weiteren Sinne - um AIDS oder HIV drehen. Ein Beispiel und weitere Infos findet Ihr auf dieser Seite.
    Einsendeschluss ist der 26. November, zu gewinnen gibt es Gutscheine von Karstadt bzw. Union-Cinemotion Kino.

    posted by Frauke um 10:29 | Permalink


    05.11.2004

    Who is Karl Zinsmeister?
    (Comics & Politik)

    Ja, ich weiß. Es häuft sich momentan mit der Politik hier im Blog, aber ich verspreche das in Zukunft wieder etwas zurückzustellen. Dieses mal geht es allerdings auch wirklich um einen Comic. Wie Daniel im neuen Mind the Gap angemerkt hat bringt Marvel einen Comic namens Combat Zone: True Tales of GI's in Iraq heraus. Geschrieben von Karl Zinsmeister, seines Zeichens "embedded correspondent".

    Daniel ist schon prinzipiell darüber entsetzt, dass Marvel so ein Projekt veröffentlicht... aber stellen wir uns doch mal die Frage: Wer ist Karl Zinsmeister? Wie "wahr" sind diese Geschichten von den G.I.s im Irak? Das letzte kann man natürlich nicht beantworten, ehe man nicht den Comic gelesen hat. Man kann aber schon eine begründete Vermutung darüber abgeben, dass Karl Zinsmeister ein gewisses Anliegen hat, das er möglicherweise auch in diesem Comic vertreten wird.

    Wie die Previews erwähnen ist Karl Zinsmeister ein "embedded correspondent". Wie die Previews nicht erwähnen ist Karl Zinsmeister nebenbei Chefredakteur des The American Enterprise - Magazins, einem Magazin herausgegeben vom American Enterprise Institute (AEI). Einer Organisation die ihre Ziele wie folgt beschreibt:

    The American Enterprise Institute for Public Policy Research is dedicated to preserving and strengthening the foundations of freedom--limited government, private enterprise, vital cultural and political institutions, and a strong foreign policy and national defense [...]

    Das AEI ist ein 1943 gegründeter neokonservativer Think Tank und eine der einflussreichsten Interessensgruppen bei der Bush-Regierung. Außerdem war das AEI eine treibende Kraft in der US-Außenpolitik der momentanen US-Regierung, was man auch an dieser Rede des wiedergewählten US-Präsidenten sehen kann, die er vor dem AEI hielt und in der er die Zukunft des Iraks diskutierte. Neben Zinsmeister hat das AEI noch weitere Prominente Mitglieder, die zeigen, wo es politisch beheimatet ist: Richard Perle, ehemaliger US-Verteidigungsminister, Mitglied einer Komission zur US-Außenpolitik und einer der Initiatoren des Kriegs im Irak. Newt Gingrich, ehemaliger Sprecher des Repräsentantenhauses und einer der ersten Akteure beim Versuch Bill Clinton wegen der Lewinsky-Affäre abzusetzen. Lee Raymond, Vorstandsvorsitzender von ExxonMobil. Michael Ledeen, verstrickt in die Iran-Contra Affäre. Der erzkonservative Kolumnist Michael Novak. Lynne Cheney, Ehefrau des US-Vizepräsidenten Dick Cheney.

    Na, merkt man einen Trend? Öl, Militär und die Ehefrau von Mr. Halliburton? Interessant auch eine weitere Verknüpfung des AEI. Richard Perle und Dick Cheney sind Mitglieder des Project for a New American Century (PNAC), jenem erzkonservativen Think Tank, der betonte, dass "eine amerikanische Führerrolle (leadership) gut für Amerika und die Welt", dass "zu wenig politische Führer heutzutage für diese globale Führungsrolle eintreten" und dass man alte Allianzen und Verbundenheiten aufgeben und spontane Allianzen einführen müsse, um diese Rolle zu erringen. Und bevor man mir da jetzt vorwirft "6 Degrees of Kevin Bacon" zu spielen und nur um vier Ecken Verbindungen herzustellen: das AEI hat dem PNAC Bürofläche in seinem Gebäude zur Verfügung gestellt und arbeitet auch ansonsten eng mit dem PNAC zusammen.

    Fassen wir zusammen: Combat Zone: True Tales from GI's in Iraq wird also geschrieben von jemandem, der nicht nur "embedded" war, sondern außerdem Chefredakteur der Hauszeitschreift eines neokonservativen Think Tanks ist, der wiederum in enger Verbindung mit dem noch neokonservativeren Project for a New American Century steht, das geleitet wird von Vizepräsident Dick Cheney und Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz. Hooray. Zinsmeister hat Europa 2002 als "veraltet und im Weg stehend" bezeichnet. Im National Review hat er eine Kolumne darüber geschrieben, wie die US-Medien zu negativ über den Krieg berichten, weil sie keine Ahnung vom Militär haben und damit den GIs schaden, wobei er betont, dass mehr und mehr Zuschauer wegen der negativen Stimmungsmache die "Alternativen" nutzen, etwa Fox News (einem Rupert Murdoch gehörenden Nachrichtensender, der aus seiner politischen Stoßrichtung nie einen Hehl gemacht hat) und wie diese einseitige Berichterstattung dem US-Nationbuilding schadet. Wie damals in Vietnam! Dieses verdammte, linksliberale Medienpack! In seinem letzten Artikel im American Enterprise Magazin schreibt er über die Erfolge der US-Politik der letzten drei Jahre. Und darüber, dass man jetzt den GIs den Rücken stärken und das System arbeiten lassen muss, immerhin befinde man sich ja im Krieg. Und nach anderthalb Jahren sahen der Unabhängigkeitskrieg, der Bürgerkrieg und der zweite Weltkrieg auch noch schlecht aus.

    Das bedeutet nicht, dass Combat Zone eine neokonservative Orgie wird. Das bedeutet nicht, dass die Geschichten nicht eventuell wahr sind. Das bedeutet nicht, dass der Comic notwendigerweise schlecht wird. Aber wenn man ihn liest, dann sollte man zumindest bedenken welchen Hintergrund der Autor hat.

    Eigentlich ist es mir egal welche politische Meinung Autoren verfolgen solange die Story stimmt... ob nun Steven Grant sich liberal-demokratisch oder Chuck Dixon sich konservativ-republikanisch gibt. Aber es stellt sich die doch die Frage, was Marvel bewogen hat ausgerechnet eine derartig klar definierte Persönlichkeit für diese Kooperation zu organisieren. Ob Marvel nun in der Koalition der Willigen angekommen ist oder nicht, sei mal dahingestellt. Joe Quesada hatte ja mal gesagt, dass man wenn man etwas über den Irak machen würde, das Thema direkt und nicht metaphorisch angehen würde. Das tut man. Es gibt Presse- und Meinungsfreiheit und ich werde Marvel hier nicht das Recht absprechen, ein politisches Statement abzugeben (und zumindest in meinen Augen ist das die Zusammenarbeit mit dem Chefredakteur des American Enterprise Magazins)... aber irgendwie finde ich diese Geschichte doch befremdlich.

    posted by Björn um 13:39 | Permalink


    01.11.2004

    Four More Years!
    (Comics & Politik)

    Es gibt in Ghost World (dem Comic, beim Film weiß ich's nicht) eine Szene in der Enid, die Protagonistin, erwähnt, dass ihr Vater politikbegeistert ist... so wie andere Leute von Profisport begeistert sind. Das war einer der besten Sätze im gesamten Comic weil er absolut auf den Punkt ist. Das ist die perfekte Umschreibung einer Spezies zu der ich mich auch in gewisser Hinsicht zählen würde: Politik-Junkies. Hunter S. Thompson hat es in diesem Rolling-Stone-Artikel auch relativ nett gesagt:

    The genetically vicious nature of presidential campaigns in America is too obvious to argue with, but some people call it fun, and I am one of them. Election Day -- especially a presidential election -- is always a wild and terrifying time for politics junkies, and I am one of those, too. We look forward to major election days like sex addicts look forward to orgies. We are slaves to it.

    Mit kaum mehr als anderthalb Tagen ehe die ersten Resultate der U.S.-Präsidentschaftswahl erwartet werden dürfen stellt sich auch bei mir eine gewisse Erwartungshaltung ein, die irgendwo zwischen Vorabend-Seifenoper und Champions League-Finale liegt, mit der Hoffnung, dass es so ausgeht wie ich es mir wünsche und der Befürchtung, dass nicht. Auch wenn, wie es ein Kerry-Wahlhelfer, letzte Woche sagte "ausländische Medien für uns so nützlich [sind] wie Läuse" und relativ klar ist, dass Deutschland, Europa, der Rest der Welt keinen Einfluss auf diese Wahl nehmen kann (außer vielleicht ein gewisser bärtiger Höhlenbewohner der sich gerne auf Video sieht... zumindest werden das die Wahlverlierer als einen der ersten Gründe angeben) kann man ihr ja auch hier schon seit einigen Monaten nicht mehr entgehen. Denn wo zwei oder drei versammelt sind im Namen der Politik, da ist jemand der Michael Moore zitiert immer mitten unter ihnen. arte hatte Amerika-Wochen, das Zett De Eff zumindest einen Amerika-Tag. Und immerhin hat die ZEITUNG sogar eine Wahlempfehlung für George W. Bush ausgesprochen... wen auch immer sie damit ansprechen wollte (schön übrigens dieser Grund den Präsidenten zu wählen: "Unter Bush werden die USA als Supermacht weiterhin die Hauptlast in dem von den islamistischen Fanatikern einseitig erklärten "Heiligen Krieg" tragen - militärisch, finanziell und auch beim Blutzoll."... also, solange Bush Präsident ist sterben eher US-Soldaten im Irak und werden islamische Fanatiker lieber in den USA als in Europa zuschlagen? Ganz tolle Argumentation, liebe ZEITUNG).

    Der Wahlkampf hat also ein ganz gewaltiges Bewegungsmoment gewonnen. Die Bundestagswahl 2006 oder die Europawahl mögen für mein persönliches Leben bedeutender sein, aber der Showeffekt den die US-Wahlen haben ist, abseits von allen relevanten politischen Gründen, ist viel stärker. Angefangen fast ein Jahr vor den eigentlichen Wahlen, wenn die potentiellen Präsidentschaftskandidaten der Opposition beginnen um die Kandidatur zu kämpfen, über den Moment wenn der Kandidat seinen Running Mate, den potentiellen Vizepräsidenten, ernennt und schließlich die Kulmination am Wahltag, dem Super-Tuesday. Dazwischen Sex, Lügen, Video. Falsche Anschuldigungen, falsche Zitate, Überraschungen. All die schmutzigen Elemente des Wahlkampfs (und wer glaubt, dass dieser Wahlkampf dreckig war, der sollte mal nachlesen wie George W. Bush 2000 seine republikanische Kandidatur erworben hat). Der Vergleich mit dem Sport oder einer Vorabendserie ist so schlecht wirklich nicht, vorallem wenn man bedenkt, dass es hier um das wichtigste Amt der Welt geht, was die Sache natürlich auch wieder beängstigend macht. Aber trotzdem, US-Wahlen üben eine wirkliche Faszination aus.

    Immerhin ist der Wahlkampf auch in anderen Medien präsent, obwohl es schwer ist die Spannung und Dramaturgie einer echten Wahl zu erreichen. Immerhin geht es bei der echten Wahl um die ganze Welt und immerhin wird die echte Wahl auch nach medialen Elementen gestaltet. Kennedy der Nixon in einer Fernsehdebatte aussehen lässt wie einen ungewaschenen Proleten. Nixon, der mit ausgestreckten Armen das Victory-Zeichen macht, während die Menge "Four more years! Four more years", skandiert. Michael Dukakis im Panzer. Bill Clinton der sich in den Debatten als jovialer Kerl von nebenan gibt. Trotzdem wurde der Wahlkampf im Kino in Filmen wie Wag the Dog, Bob Roberts, Der Kandidat oder The Manchurian Candidate (dessen Remake demnächst in Deutschlands Kinos anläuft... das Original mit Frank Sinatra hieß in Deutschland "Kandidat der Angst" oder sowas...) ziemlich erfolgreich angegangen. Im Fernsehen war er nur ein Teil des politischen Spektrums, dass die Weißes-Haus-Serie The West Wing abdeckt. Es gibt unzählige Bücher über reale oder fiktive Wahlen... Neal Stephensons Interface, Stephen Elliots Looking Forward to It: Or How I Learned to Stop Worrying and Love the American Political Process und Hunter S. Thompsons Fear & Loathing on the Campaign Trail.

    Nur in Sachen Comics fällt mir da auf die Schnelle so ziemlich gar nichts ein. Über Eagle, das erzählt wie ein japanischstämmiger Amerikaner versucht US-Präsident zu werden und das EMA jetzt auf Deutsch verlegt habe ich einiges Gutes gehört und werde die Reihe auch mal versuchen. Aber ansonsten? In Give Me Liberty von Frank Miller und Dave Gibbons gibt es einen Nebenplot, der den Hauptplot um Längen schlägt, über einen machtgierigen US-Präsidenten im Koma, seinen nicht belastbaren Nachfolger und einen jungen, aufstrebenden Soldaten, der auf dem Weg ist das Amt selber an sich zu reißen. Nicht schlecht, aber leider nicht Fokus der Serie. Warren Ellis macht im zweiten Jahr von Transmetropolitan (gesammelt in den Paperbacks Year of the Bastard und The New Scum) ausführlich Gebrauch vom US-Wahlsystem. Durch den Outlawjournalisten Spider Jerusalem erhält der Leser da Einblick in die Wahlen im späten 21. Jahrhundert, die unseren momentanen Wahlen ziemlich ähneln. Vorwahlen (Primaries... nicht die beim Telephon), Wählergruppen, Medienberater, Spin Doctors, die verschüchterten Medien, Nationalversammlungen der Parteien, die Wertesysteme der Kandidaten und die Schachereien der Kandidaten untereinander (du verzichtest auf die Kandidatur und ich nehme dafür einen dir genehmen Vizepräsidenten) sind Elemente die Ellis in diese zwei Paperbacks einbindet. Das macht er ziemlich gut, natürlich rutscht er immer mal wieder in sein albernes Imponiergehabe ab (so muss er etwa einen alten Witz der mit Geschlechtsverkehr und Tieren zu tun hat unbedingt in die Story einarbeiten), aber er schneidet erstaunlich viele relevante Themen an, die auch bei dieser Wahl wieder passten. Trotzdem... drei, eigentlich sogar nur zwei Comics? Das kann doch nicht alles sein? Ist da draußen noch ein Politik- oder Wahlkampfcomic den ich übersehen habe? Wenn ja nenne man ihn mir bitte. Wenn nein... wäre das nicht auch ein interessantes Projekt, gerade im momentanen, weltpolitischen Klima? Sicher, so ein Projekt in den USA ist risikobelastet, aber es bringt auch viele Chancen mit sich...

    Etwas, das ich auch lesen würde wäre eine Superhelden-Wahlkampfstory. Okay, jetzt muss ich gleich zwei "Aua, das hat er nicht im Ernst geschrieben"-Momente beheben. A.) Ich weiß, das klingt total dämlich und scheint nicht zu meinem Credo zu passen, dass man gute Stories nicht mit Superhelden verwässern muss... aber dazu komme ich sofort. B.) Ja, sowas ähnliches gibt es momentan in Savage Dragon, das ist fast das Grundkonzept von Ex Machina, bei den X-Men wollte mal Senator Creed Präsident werden, im Ultimate-Universum gibt es den Ultimate-George W. Bush und Lex Luthor war US-Präsident. Aber sowas meine ich nicht. Nicht ein Nebencharakter der in irgendwelchen Heften hin und wieder auftaucht und auch kein Superheld, der selber Präsident wird oder werden will. Eine Mini-Serie die explizit auf den Präsidenten oder den Präsidentschaftskandidaten in einem Superheldenuniversum fixiert ist. Und im besten Fall kein Surrogatuniversum mit irgendwelchen Superhelden die altbekannte Helden repräsentieren sollen (obwohl, wenn das so gelöst würde wie in Planetary, dann fände ich das doch schon wieder faszinierend), sondern das richtige Marvel- oder DC-Universum.

    Zurück zu A.). Wenn ich schreibe, dass Marvel oder DC einfach eine Agentenserie auf den Markt bringen sollen und nicht immer die "Es ist eine Agentenserie. Mit Superhelden"-Schiene fahren sollen, dann meine ich das auch. Das ist das Pferd von der falschen Seite aus aufzäumen. Aber hier meine ich explizit eine politische Serie die in den jeweiligen fiktionalen Universen spielt und auf deren Mythologie eingeht. Natürlich sind Superheldenuniversen inheränt unlogisch und oft unglaublich albern, aber das darf man sich dabei ruhig zu nutzen machen. Ich denke da ja gar nicht an eine bierernste Repräsentation die versucht reale Politik in einem Superheldenuniversum zu platzieren. Das funktioniert nicht. Aber man kann das ja angehen wie man Damage Control oder Gotham Central angegangen ist... in einem Universum in dem es seit über 50 Jahren Metawesen gibt, wie würde da die Polizei/das Versicherungsgewerbe/die Politik aussehen.

    Wie reagiert ein Präsident im Marvel-Universum darauf, dass eine kleine Inselnation wie Genosha zerstört wird? Gibt es außerhalb von Superheldenbesuchen noch andere Möglichkeiten um die latverianische Diktatur zu schwächen? Ein Handelsembargo? CIA-Bestrebungen einen Putsch durchzuführen? Sollte man nicht die alten SDI-Bestrebungen wieder aufleben lassen um gegen die Skrull gewappnet zu sein? Darf ein Mann wie Reed Richards mitten in New York seine Experimente durchführen? Versucht man als Politiker einen beliebten Superhelden auf seine Seite zu ziehen um so zu punkten? Ist der Punisher ein Vorbild für die National Rifle Association oder eher der Beleg dafür, dass strengere Waffengesetze nötig sind? Sollte man S.H.I.E.L.D. die Einnahmen kürzen und diese lieber ins Strafsystem, die Suchtprävention oder die Bildung umleiten? Wie reagiert man im DC-Universum darauf, dass zwei der größten Städte (Coast City und Gotham) in einer Dekade ganz vernichtet oder von einem Erdbeben verwüstet werden ("Das klingt jetzt vielleicht zynisch, aber wie reagiert die Börse auf diese Nachrichten?")? Wie stehen die anderen Nationen in der UNO dazu, dass sich eine NGO "Justice League of America" nennt und auf dem Mond thront... egal wie oft sie die Welt gerettet haben? Wie verhindert man die "Proliferation" von Superschurken... also, was wenn ein Superschurke nicht mehr selber die Welt übernehmen will, sondern einem lokalen Diktator - einem Mugabe, Caucescu, Noriega, Hussein - zur Hand geht? Darf man dann intervenieren? Und was sagt eigentlich die religiöse Rechte, die schon in Harry Potter Teufelswerk sieht, dazu, dass in besagter Justice League of America mal ein Ex-Engel Mitglied war und in Gotham City regelmäßig der Demon gesehen wird?

    Schon klar, die Grundidee ist nerdig, aber hier geht es ja auch gar nicht um tiefe Einsichten in den Wahlkampf oder um eine politische Allegorie (das können die Stories machen die ohne Superhelden auskommen), sondern nur um einen Aspekt von Superheldenuniversen, der interessant aber kaum beleuchtet ist. Das wäre auch eine Chance von Schema-X der Superhelden wegzukommen, vorallem in den Händen eines guten Autors. Und sicher, die Grundidee ist abstrus... weil Superheldengeschichten von Grund auf abstrus sind... warum das nicht als Stärke ausspielen? Ich würde sowas kaufen....

    posted by Björn um 20:21 | Permalink