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Die Welt am Draht, das sind Kommentare, Informationen, Gedanken und natürlich News rund um die Welt der Comics und darüber hinaus.

31.01.2010

Comicklassiker jetzt mit Bildungsrabatt
(Spiegelmans Maus wird im großen Stil unters Volk gebracht)

Das Innenministerium von NRW bedient sich bereits seit einer Weile des Mediums Comic, um mit den kostenlos erhältlichen Andi-Heften Schüler über Extremismus zu informieren. (Spiegel Online-Artikel zur zweiten Ausgabe über Islamismus, taz-Artikel zur etwas umstrittenen dritten Ausgabe über Linksextremismus).

Auch die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) hat mit Hanisauland eine Comicreihe im Angebot, in der politische und gesellschaftliche Themen für Schüler der Klassen 3-5 unterhaltsam und verständlich aufbereitet werden.

Aktuell hat die bpb jedoch auch einen waschechten modernen Comicklassiker in ihr Programm aufgenommen: Art Spiegelmans Maus in der vollständigen Fassung wird aufgefahren, um an die Themen Nationalsozialismus, Antisemitismus und Holocaust heranzuführen.

Gegen eine "Bereitstellungsgebühr" von 4 Euro pro Exemplar und die Übernahme der Portokosten von 4,60 Euro für jeweils bis zu 20 kg Bücher lohnt sich vor allem die Anschaffung größerer Mengen für Schulklassen und andere pädagogische Einrichtungen. Aber selbst eine Einzelbestellung ist mit 8,60 Euro immer noch ein Schnäppchen im Vergleich zum aktuellen Verlagspreis.

Schöne Idee der bpb, hoffentlich finden auf diesem Weg noch mehr großartige Comics den Weg in den Bildungssektor. Wir von Comicgate beraten gern bei der Auswahl ...

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posted by Andi um 19:04 | Permalink


19.07.2009

Eine "Graphic Novel" ...?! Kriegst gleich eine geklebt!
(Begriffsdebatte überraschend beendet)

Mit großem Erstaunen und ein bißchen Heiterkeit kann man zur Kenntnis nehmen, was Kollege Wüllner da am Freitag zwitscherte: Das Verkaufsargument "Graphic Novel" gibt's ab sofort, hochoffiziell und verlagsübergreifend, als Aufkleber.

Die Realität der Verkaufspraktiker hat Comicforscher und Literaturwissenschaftler mal wieder überholt, überrollt - ja, überklebt, möchte man sagen. Rötzedöng: Mein Kommentar einen Monat zuvor, der Begriff werde "auf alles draufgepappt", mutet angesichts dieser überraschenden Entwicklung geradezu prophetisch an.

Wie das vom Reprodukt-Verlag betriebene PR-Blog namens Graphic Novels (was auch sonst?) an eben jenem Freitag also mitteilt, haben sich die Häuser Avant-Verlag, Edition Moderne, Edition 52, Cross Cult, Schreiber & Leser und natürlich Reprodukt auf einen schicken Aufkleber geeinigt, der die von ihnen feilgebotenen "Graphic Novels" künftig als solche kennzeichnen soll. Immerhin: "Der Carlsen Verlag macht es schon eine ganze Weile".

Sammler, dies gleich vorweg, dürfen beruhigt sein, denn aus rein materieller Sicht sind keine bleibenden Schäden zu erwarten. "Der Sticker lässt sich einfach und ohne lästige Kleberückstände von der Buchoberfläche trennen", wird versichert. Puh, Glück gehabt.

Darüberhinaus bleibt wohl abzuwarten, wie sich das mit den lästigen Kleberückständen dann auf dem deutschsprachigen Comicmarkt verhalten wird. Der Kommentar, die Verwendung des Etiketts bedeute ja nicht, "dass der Begriff 'Comic' weniger geschätzt" werde, kommt zum Beispiel schon etwas scheinheilig daher; wenn's sich bei der Etikettierung nicht um eine Qualitätsmarke handelt, die die "Graphic Novel" vom "herkömmlichen" Comic oder Manga abgrenzen soll, worum denn dann bitte sonst?

Die Sorge, dass derartige bewusste oder unbewusste Bestrebungen Erfolg haben könnten, die ja unter anderem auch von den Comicforschern Kronthaler und Sackmann auf dem diesjährigen Comicfestival geäußert wurde, teile ich nach wie vor nicht. Selbst wenn alle Verlage mit vereinten Kräften und sehenden Auges diesbezüglich an einem Strang ziehen würden, wozu es nicht kommen wird: Sie täten's nicht schaffen. Es wird nämlich schon jetzt auf der ganzen Welt viel zu viel Ramsch produziert und als "Graphic Novel" verkauft.

Der Gedanke einer bleibenden Abwertung des guten alten "Comics" scheint in der Realität schon rein deshalb eher abwegig, weil es - natürlich - die beteiligten Verlage selbst sein werden, die, jeweils im Einzelfall und jeder für sich, darüber entscheiden werden, welche Werke sie mit dem Etikett bewerben wollen. Wie sollte es auch anders funktionieren?

"Die Verlage wollen den Aufkleber auch nur auf die Titel kleben, die als Graphic Novel bezeichnet werden können", antwortet Blog-Redakteur und Reprodukt-Mitarbeiter Christian Maiwald auf einen skeptischen Kommentar. Der Satz ist natürlich ohne Zweifel wahr. Natürlich "wollen" die Verlage das so handhaben, denn es liegt ja vor allem in ihrem Interesse, den Begriff "Graphic Novel" möglichst lange als für das Publikum attraktives Gütesiegel zu bewahren.

Dass die Aufkleber aber tatsächlich garantiert und zu hundert Prozent nur auf Comics landen werden, "die als Graphic Novel bezeichnet werden können", wird mit dieser Willensbekundung allerdings wenig zu tun haben. Vielmehr wird das daran liegen, dass zurzeit jeder Comic irgendwo als Graphic Novel bezeichnet werden kann - und wird, wie sich anhand einer schnellen Internet-Suche leicht nachprüfen lässt. Einigkeit darüber, was eine "Graphic Novel" letztlich ausmacht, gibt es nach wie vor nicht.

Eine "Graphic Novel", das ist momentan ganz einfach genau das, was von Verlagen, Künstlern, Lesern, Händlern, Journalisten, Forschern, Sammlern, usw., als solche bezeichnet wird, und nichts anderes. Dass die Verlage diesen Prozess nun durch eine gemeinsame Initiative stärker beeinflussen wollen, ändert daran zunächst einmal nichts. Es ist eben nicht mehr als ein Aufkleber, und man macht sich Illusionen, wenn man sich diese Tatsache nicht zunächst einmal eingesteht, sozusagen als Basis jeden weiteren Handelns.

Kurzfristig kann das alles den Verlagen natürlich egal sein. Wenn der Begriff als Marketing-Maßnahme funktioniert und eine einheitliche Kennzeichnung den Comic in Otto-Normal-Buchhandlungen voranbringt, was ja durchaus möglich ist, dann liegt das sicher im Sinne des Erfinders, und zurecht.

Aber für einen mittel- und langfristigen Erfolg - auch und vor allem den kommerziellen - wird es wichtig sein, präzisere, besser definierte und mehrheitlich tragfähigere Begriffe und Kategorien zu finden.

Das wird schon deutlich, wenn man sich nur auf die in der Pressemeldung genannten Autoren beschränkt. Sind die Autobiographien und Reportagen von Satrapi, Sacco oder Delisle tatsächlich Comic-"Romane"? Wie sieht es mit den oft zunächst in serieller Form erschienen Arbeiten von Moore oder Miller aus? Oder den gesammelten Strips von Joe Matt? Oder müsste man hier nicht konsequenterweise ein Interesse daran haben, Begriffe wie etwa "Nonfiction Comics" und "Comic-Strip Collections" (oder, ganz altdeutsch, "Sachcomics" und "Sammelbände") zu etablieren?

Aber womöglich haben die beteiligten Verlage all das ja schon berücksichtigt, intensive Gespräche geführt, sich auf eine nachhaltig sinnvolle und differenzierte Anwendung des Klebeteilchens verständigt und eine langfristige und durchdachte Vermarktungsstrategie in petto, deren ersten kleinen Schritt wir soeben miterleben durften.

Den ersten passenden Aufkleber zu all dem hätten wir jetzt jedenfalls schon mal.

(Noch ein Programmhinweis auf weiterführende Beiträge zur Diskussion: Vor kurzem ging das erste Comickabinett online, passenderweise mit dem Thema "Comics und Literatur". Comicgate-Mitarbeiter Daniel Wüllner hat die Sendung gehört und bespricht sie hier.)

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posted by Marc-Oliver Frisch um 23:01 | Permalink