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Die Welt am Draht, das sind Kommentare, Informationen, Gedanken und natürlich News rund um die Welt der Comics und darüber hinaus.

28.10.2004

3 Jahre INKplosion!
(Herzlichen Glückwunsch!)

Unsere lieben Kollegen vom Online-Comic-Magazin INKplosion sind nun schon seit drei Jahren im Internet vertreten. Sie präsentieren junge Künstler in dem regelmäßig erscheinenden INKmagazin, den Specials und den Online-Comics.

Gestern gingen gleichzeitig Special Nr. 16 und INKmagazin Nr. 19 online. Und auch unter die schreibende Zunft wird sich nun fortan gewagt - mit der Kolumne "Gegenpunkt" sollen bestimmte Themen kontrovers diskutiert werden. Den Anfang machen "Superheldencomics".

Comicgate sagt Danke und wünscht Euch weiterhin alles Gute!

Und nun bitte einmal kräftig drücken, um kostenlos (!) auf mittlerweile über 1000 (!!) Comicseiten auf hohem Niveau zuzugreifen:
www.inkplosion.de

posted by Frauke um 23:14 | Permalink


27.10.2004

Wanna Freebase?
(Comics in der Öffentlichkeit)

Polite Dissents Scott, von Berufswegen Arzt, hat eine Idee wie man effektiv neue Leser ansprechen kann, die mir persönlich sehr gut gefällt. Er hat die kinderfreundlichen Comics die er am Free Comic Book Day erhalten hat in seinem Wartezimmer ausgelegt, wo sie offenbar ziemlich gut angenommen werden.

Seine Idee ist, dass ein Verlag, ein lokaler Comicstore oder der Diamondvertrieb sich einsetzen für Comics die preiswert bis billig sein dürfen. Nicht sonderlich lang, ruhig auf dem altbekannten Klopapier gedruckt, hauptsache die Kosten sind niedrig. So würden Kinder (und eventuell auch Erwachsene) die Gelegenheit bekommen Comics kostenlos zu lesen, was immerhin ein oft genannter Punkt ist wenn die Frage aufkommt: "Wie bringen wir Comics in die Öffentlichkeit?" Dazu könnten die Comicläden/Verlage die Gelegenheit natürlich nutzen um sich selber ein Stück weit bekannter zu machen, da könnten Ärzte und Comicläden zusammenarbeiten. Natürlich sind Ärzte nicht die einzige Zielgruppe für sowas, sondern jeder andere Betrieb der ein Wartezimmer und junge Kundschaft hat böte eine genauso interessante Möglichkeit. Alternativ könnte man natürlich auch alte Ausgaben billig abtreten, die sonst in den Back-Issue-Kästen verstauben würden. Oni Press hat schon zugesagt ein kleines Paket mit All-Ages-Titeln zusammenzustellen, wobei das Angebot erstmal nur für Scott gilt.

Das klingt für mich wirklich nicht dumm, weil Wartezimmer definitiv eine der Schnittstellen sind, auf die man mehr Wert legen sollte. Und zumindest für die großen Zwei sollte es doch möglich sein einmal im Monat eine Art "Werbeheft" zusammenzustellen, das man billig abtritt ohne dass man gleich dem Ruin entgegensteuert. Immerhin ist das kein verschwendetes Geld, sondern eine Investition. Werbung, quasi. DC hat neben den Kerntiteln die Chance hier Kindercomics wie Teen Titans Go bekannter zu machen und für Marvel dürfte das, wenn man 2005 wirklich Jungen im Alter von zehn bis zwölf ansprechen möchte, doch auch ziemlich interessant sein. Ich weiß nicht wie das in den USA aussieht, aber wenn ich mir die Zeitschriften in heimischen Arztpraxen ansehe, wo Hattings Lesezirkel SPIEGEL-Ausgaben von der Bundestagswahl 2002 ausliegen hat oder man sich fragt wieviel von der GEO 02/03 man noch auswendig kann seit dem letzten Besuch, dann dürften Comics wirklich eine gute Chance haben da von vielen Leuten -und nicht nur von Kindern- gelesen zu werden. Also, auf den ersten Blick sieht die Idee wirklich gar nicht mal dumm aus...

posted by Björn um 16:06 | Permalink


Neue Märkte braucht das Land
(Ausblick auf 2005)

Drüben bei Thought Balloons fasst Kevin Melrose die Graphic Novel-Beilage von Publishers Weekly zusammen, die ansonsten nur via Abonement der Zeitung zugänglich ist. Hier bat man unter anderem Verleger doch mal ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern was man für 2005 so in Petto habe.

Ein paar interessante Tidbits zum Zustand des Comicmarkts lassen sich da wieder finden, die über die inhaltliche Ebene und den aktuellen Schockevent der Woche hinausgehen. Marvels Dan Buckley erwähnt etwa, dass man experimentieren möchte um den Markt der zehn bis zwölfjährigen Jungen anzusprechen. Hm. Das aktuelle Experiment Teenagermädchen mit den "Marvel Age"-Comics zu gewinnen scheint ja mehr oder weniger gescheitert zu sein. Paul O'Brien hat einige Zahlen dazu. Jubilee startet mit 31.000 bestellten Kopien und ist darum spontan zu einer Miniserie von 6 Ausgaben mutiert. Emma Frost hat im letzten Jahr fast 37 Prozent seiner Leser verloren und wird scheinbar im Januar eingestellt, Mary Jane endet mit Ausgabe vier und wird auch nicht fortgesetzt. Nicht auf Mädchen ausgerichtet, aber Marvel Age Fantastic Four verkauft sich kaum besser als Human Target und dürfte auch als Mißerfolg gelten.

Natürlich sind das nur die Zahlen aus dem Direktmarkt, da sind Supermärkte, Buchhandlungen und Zeitungsläden nicht eingeschlossen, aber wenn man bedenkt, wie stiefmütterlich das ganze Projekt von vornherein behandelt wurde, dann darf man mit Fug und Recht bezweifeln, dass die Titel sich da besser schlagen. Auch wenn ich jetzt wieder in meine "Maaaarveeeel!"-Verzweiflungsphase verfalle (ein bisschen so als wenn Mr. Wilson "Deeeeennis!", oder J. Jonah Jameson "Paaaarker!" ruft), die Hauptfrage hier muss sein: was hat Marvel aus dem "Marvel Age"-Experiment gelernt? Interessant scheint schon die Zielgruppe zu sein die man hier anpeilt. Jungen zwischen 10 und 12.

Womit sich die Frage stellt, ob man weiterhin auch versuchen wird mehr Mädchen zu begeistern, oder ob das Experiment "Mädchen für Marvel" (sowas wie "Swiftboat Veterans for Truth") als gescheitert gilt und eingestellt, oder zumindest ordentlich zurechtgestutzt, wird. Man siehe oben: zur Zeit sieht es danach aus (und das obwohl Hollywood zur Zeit mit Filmen wie Mean Girls oder Plötzlich Prinzessin 2 den Mädchenmarkt ganz fest im Visier hat). Lohnenswert ist dafür das Ziel Jungen vor ihren Teenagerjahren anzupeilen. Das ist ein Alter, in dem man sich Stammleser heranziehen kann und in dem sich die Jungs noch nicht auf einen Stil (also derzeit den japanischen) festgelegt haben. Teenager mit Pseudomanga zu locken ist halt schon erheblich schwieriger.

Das bedeutet natürlich auch, dass man dieses mal anders vorgehen muss. Wir alle wissen, dass eines der Probleme von Comicstores auch die Überalterung ist. Nicht, dass gar keine Kinder sich in Comicstores verirren, wenn es Yu-Gi-Oh! oder etwas aus Film und Fernsehen bekanntes gibt, dann schauen auch Kinder vorbei. Ein guter Comicstore ist auf sowas vorbereitet. Aber wenn man dieses Marktsegment effektiv abschöpfen möchte (wie wir Ultrakapitalisten von der Dagobert-Duck-Schule für angewandten Adamsmithmus so sagen), dann muss man vorallem die Problemfelder Supermärkte, Buchhandlungen und Kiosks anpeilen. Marvel, so der Artikel, habe seit 6 Monaten Marvel Age-Sammlungen bei Target (eine US-Buchhandelskette, sowas wie die große Version von Hugendübel) verkauft und habe da positive, wenn auch bescheidene Resultate erzielt.

Nun, die Bescheidenheit muss weg, insbesondere wenn der Regalplatz begrenzt ist und sich Manga viel besser verkaufen. Abwarten oder vorsichtiges rantasten wird da nicht reichen. Wenn ein Händler dreimal soviele Naruto-Titel verkaufen kann wie Marvel-Comics, dann muss er nicht Raketenwissenschaft studiert haben, um zu wissen was er in Zukunft verstärkt bestellen wird. Das ist dann die Stelle an der sich zeigen wird welchen Weg man geht. Offensives Marketing ist nötig um ein Produkt in die Welt jenseits des Direktmarkts zu schießen [und das heißt: mehr als ein Newsarama-Preview], insbesonders wenn kein TV-Programm und kein Film hinter den Titeln steht. Alles andere wäre Sparen an der falschen Stelle. Das bedeutet auch, dass man den Titeln eine Chance geben muss. Im Idealfall macht man von vornherein klar, dass das Kinder anpeilen soll, indem man darauf verzichtet einen alten Charakter zu nutzen, in der Hoffnung so X-Men-Leser und Neuleser für den Titel zu gewinnen.

Aber selbst wenn man für die Kinder-Sektion unbedingt einen alten Charakter aus der Rumpelkammer holen muss, dann sollte man auf jeden Fall zu seiner Entscheidung stehen. Früher oder später... und in Zeiten des Internets heißt das "früher"... werden sich die ersten alten Fans, Marvelstammleser, whatever melden und sich beklagen. Weil wir Comicfans ein weinerlicher Haufen sind. Aber früher war der Charakter doch ganz anders, wo ist die Backstory (der Preis dafür, dass man sich nicht traut einen klaren Schnitt zu machen... siehe Jubilee), wo sind die Gaststars, die Variant-Cover? Warum ist das so langweilig? Das ist ja Kinderkram! Macht mal was richtiges, Marvel. Sowas wird kommen und dann muss man dazu stehen, dass man sich in Sachen Gewalt und Sex einschränkt und hier seinen vier bis sieben anderen Schienen den Vortritt lässt. Kein Marvel Age Disassembled. Und Kindercomic heißt ja nicht, dass es dumm sein muss... man denke an die Batman Adventures.

Man muss es also wagen ein neues Segment anzusprechen, auch wenn man das alte außen vor lässt. Allerdings bedeuten die angepeilten Verkaufsplätze, genannt werden unter anderem K-Mart und Wal-Mart, noch mehr. Kindercomics sollten sowieso nicht zu brutal und erotisiert sein, nicht unbedingt wegen der Kinder ("Die Kinder! Die Kinder! Denkt denn hier niemand an die Kinder!"), sondern wegen der entrüsteten Eltern. Wobei eine Dosis Sex und Gewalt inzwischen nicht mehr automatisch zu Sturmläufen führt, wie man an vielen auf Kinder und Jugendliche abgezielten Manga sehen kann. Aber gerade der Wal-Mart ist halt eine erkonservative Institution. Der letzte Hort des guten, idealen Suburbias der 1950er. Schußwaffen, aber keine CDs mit "Explicit Content" und keine Bücher, Spiele oder Filme die nicht der ganzen Familie gefallen könnten. Man versteht sich als Familienunternehmen.

Das schränkt natürlich nicht nur Marvel ein. DCs Paul Levitz sagt in dem Artikel: "Ich weiss nicht ob es eine natürliche, enorme Chance für Graphic Novels gibt. Wenn du Händler wie Wal-Mart, Target oder K-Mart anpeilst, dann muss du etwas bieten, an das sie glauben."

Was zum Beispiel bedeuten dürfte, dass Vertigo-Dauerbrenner wie Transmetropolitan, Sandman, The Invisibles oder 100 Bullets aufgrund von Nacktheit, Gewalt, Gefluche und Gastauftritten von Luzifer wohl nie beim Wal-Mart ausliegen werden, auch da diese Dinger... anders als ein Buch... viel schneller zu Ärger führen würden. Niemand liest im Wal-Mart ein ganzes Buch, aber alles was es braucht ist ein Kunde, der schnell ein Paperback durchblättert, dabei sieht wie Spider Jerusalem neben seiner nackten Assistentin liegt oder wie ein niedlicher Hund mit einem Messer an einer Tür festgepinnt wurde, und der sich dann beim Fillialleiter beschwert, da er sich persönlich beleidigt fühlt. Und -ZACK!- alle Vertigo-Titel verschwinden aus den Regalen. Das bedeutet, dass solche Paperbacks (und damit sind natürlich auch Oni- oder Image-Titel gemeint), die "Mature Content" haben auch zukünftig primär über Buchhändler (online und offline) und Comicstores vertrieben werden, während die Kerntitel von DC und Marvel sich vermehrt auf Supermärkte konzentrieren werden. Eventuell mit dem Ergebnis, das man sich auch beim Inhalt einschränken wird und lieber auf Nummer sicher geht. Aber okay, das ist Zukunftsmusik, der Weg in die Supermärkte ist noch weit... trotzdem: Go, Marvel! Irgendwann muss die Serie ja mal reißen und etwas richtig laufen. Und wenn es dieser Versuch wäre, dann wäre das viel, viel, viel wichtiger als die Avengers ganz oben auf der Diamond-Shipping-List stehen zu haben.

Wirklich interessant fand ich das Zitat von Stuart Levy von Tokyopop (USA), der sagte, dass man "eine Menge Titel veröffentlicht, es aber kein kluger Zug [sei] mehr als zur Zeit herauszubringen." Hossa. Man kann zwar noch nicht von "crap flooding", also einer Überflutung des Markts mit beschissenen Titeln, sprechen, aber die Befürchtung, dass eine Mangawelle den Markt übersättigen könnte wurde von mehreren Seiten geäußert und ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. Insofern ist es erstaunlich, dass ein Verlag offenbar erkennt, dass es manchmal klug ist die Titelexpansion einzustellen, bevor der Markt in sich kollabiert. Und, nein, damit ist nicht primär Marvels X-Franchise gemeint, auch im Film/Spiele/Musik-Geschäft tendiert man dazu immer den einen Schritt zu weit zu gehen.

Zuletzt gibt es in dem Artikel eine Liste der 25 bestverkauften Graphic Novels 2004. Interessant daran ist, dass man hier Buchläden, Comicstores und Online-Händler addiert hat. Unter diesen 25 Titeln sind 19 Manga, zu denen ich leider nichts sagen kann. Ich weiß nicht inwiefern diese Manga eine begleitende TV-Serie haben (außer Inu-Yasha und Yu-Gi-Oh!), an welches Marktsegment sie sich richten oder wie es mit der Qualität steht. Aber 76 Prozent der Liste sind schonmal kein Pappenstil. Wenn man sich dann die Resttitel anguckt, dann fällt verschiedenes auf. In den Top 5 lassen sich In the Shadow of No Towers von Art Spiegelman und Persepolis II von Marjane Satrapi finden. Beides Titel die in der Mainstreampresse ein wenig Beachtung fanden. Okay, das war ein Understatement. Es gab wohl keine Zeitung, die diese beiden Titel dieses Jahr nicht besprochen hat. Man kann zudem davon ausgehen, dass diese Titel eine weitaus größere Käuferschicht hatten als ein normaler Comic. Dann lassen sich zwei Hellboy-Sammlungen in der Liste finden. Was fällt auf? Genau, Hellboy erschien dieses Jahr auch als Kinofilm. Auffällig dabei auch: kein Spider-Man-Titel in den Top 25 obwohl Spider-Man 2 einer der Blockbuster des Sommers war. DC und Marvel wären in dieser Liste gar nicht vertreten wenn sich nicht 1602 auf den 25. Platz geschoben hätte, geschrieben von Neil Gaiman. Wobei hier zu sehen ist, dass 1602 erst seit ein oder zwei Monaten käuflich zu erwerben ist, also einen richtig starken Start hingelegt hat und vielleicht noch weiter oben stände, wenn der Titel schon im Frühling oder Sommer erschienen wäre.

Wie geschrieben: Buchhandel, Comicstores und Onlinehändler wurden berücksichtigt und wenn man die Liste durchliest kann man davon ausgehen, dass die Comicstores nur den kleinsten Teil des Reinerlöses ausmachen. Aber das scheint zu zeigen, dass außerhalb unseres Elfenbeinturms andere Faktoren über den Erfolg eines Titels entscheiden. Schauen wir mal, was da -die Manga wieder ausgenommen- für Faktoren Einfluß nahmen. Bei Shadow und Persepolis 2 hatte man eine unglaublich starke Pressepräsenz. Außerdem sind das beides Titel, die als 'künstlerisch wertvoll' galten, die also "Literatur" sind. Aber selbst für mainstreamigere Titel zeigt das, dass man versuchen sollte soviel positive Presse wie möglich zu bekommen. Dann sind da die Film Tie-Ins. Filme schaffen es vielleicht nicht Kunden auf Dauer in die Comicstores zu locken und sie Monatstitel kaufen zu lassen, aber sie können genug Wirbel kreieren um Sammlungen, außerhalb der Comicstores, zu kurzfristigen Höheflügen zu verhelfen. Hellboy ist zweimal vertreten weil Dark Horse seine Paperbacks extra zum Filmstart nochmal neu veröffentlicht hat. Spider-Man ist nicht vertreten, weil Marvel kein klares Produkt zum Film hatte. Kein "Best Of", keine "Nummer 1", nichts dergleichen. DC dagegen dürfte die richtige Entscheidung getroffen haben: wenn Constantine in die Kinos kommt setzt man nicht darauf, dass Leute in eine Hellblazer-Serie einsteigen, die schon ein gutes Dutzend Paperbacks vorweisen kann, sondern man verlegt ein Paperback, das die besten Geschichten sammelt. Das ist eine sinnvolle Art einen Synnergieeffekt zu nutzen. Zuletzt 1602, das durch eher durchwachsene Reviews auffiel und sicher nicht wegen den Marvel-Charakteren in den Top 25 gelandet ist, sondern wegen dem Namen Neil Gaiman auf dem Umschlag. Spätestens mit American Gods, immerhin Nummer 1 Beststeller des New York Times Book Reviews, dürfte sich Mr. Gaiman in die Riege der Literaturprominenz begeben haben. Er ist sicher noch kein Haushaltsname wie Clancy, Grisham oder King, aber aus dem Comicghetto ist er ausgebrochen. Es ist also nicht unvernünftig anzunehmen, dass Menschen denen American Gods gefiel sich auch mal einen seiner Comics bestellt oder spontan gekauft haben. Nennen wir die Kategorie also mal Stardom. Zusammenfassend kann man also sagen, dass Titel sich nicht deshalb gut verkaufen, weil sie notwendigerweise qualitativ hochwertig sind (okay, das ist im Direktmarkt genauso), sondern weil sie ein starkes Vehikel haben (Film, Fernsehen, Autor, Presse). Falls der Heftmarkt wirklich irgendwann zusammenbricht dürfte das das Ende für viele Traditionstitel bedeuten.

Allerdings schaut diese Liste nur auf 2004, so das ein interessanter Faktor fehlt: Konstanz (nein, damit meine ich nicht, wie gut sich die Titel am Bodensee verkaufen). 1602 zieht jetzt gut, aber Marvel ist dafür bekannt, dass die Paperbacks schon nach einem halben Jahr kaum noch zu finden sind. Hellboy hat den Film, aber mit jedem Tag verliert der Name Hellboy an Bedeutung (bis Hellboy 2 kommt). DC hält seine Topseller über Jahre hinweg im Druck, die verdienen jetzt noch an Sandman, einem Titel der seit fast 15 Jahren konstant verkauft wird, oder an The Dark Knight Returns, der stark auf seinen 20. Geburtstag zugeht. Diesen Punkt sollte man bei einer solchen Liste natürlich nicht ignorieren (okay, bei dieser Liste, die nur auf 2004 schaut darf man es natürlich nicht einfließen lassen, aber man sollte den "steter Tropfen"-Aspekt im Hinterkopf behalten)...

posted by Björn um 01:17 | Permalink


25.10.2004

Der Treppenwitz der Frankfurter Buchmesse 2004: Sondermann Nachwuchspreis
(Kritik)

Preise sind Schmeiße. Eigentlich ist es müßig solche Sachen zu hinterfragen oder gar zu kritisieren, vor allem wenn die Hintergründe klar auf der Hand liegen. Es wird noch sinnloser wenn man sich glücklich schätzen kann in der Heimat des ICOM Independentpreises zu wohnen, der alles richtig macht. Was vor allem daran liegt, daß wenn er mal was falsch macht, die Kraft hat sich zu ändern um besser zu werden. Aber trotzdem ..."Sondermann Nachwuchspreis" war das Thema.

Hintergründe


Die Buchmesse Frankfurt wird vom Börsenverein des deutschen Buchhandels veranstaltet. Das ist etwas über das sich meine Mutter beim Brötchenkaufen keine Gedanken macht, aber diese Organisation gibt es und sie hat ihre Regeln. Darum durfte man früher nämlich auch als Normalpublikum nie was mitnehmen - nichtmal für Geld. Denn dann würden die Verlage den Buchhändlern Konkurrenz machen und das will man ja nicht. Heutzutage darf man wenigstens Sonntags zulangen.

Seit 2000 gibt es nun die "Faszination Comic" während der Buchmesse. Eine Veranstaltung, bei der der Börsenverein wohl dem verstärkten Interesse an Manga und damit Comic Rechnung tragen wollte. Anfangs nur als Testphase gedacht, ist die "Faszination Comic" mittlerweile (hoffentlich) etabliert. Der Zuspruch der "Normal- und Nicht-Buchandelsmenschen" ist jedenfalls enorm. Jeder der einmal den sonntäglichen Cosplay-Wettbewerb auch nur am Rande mitbekommen hat, wird das verstehen können.

Nun ist es so, daß es auch ein Rahmenprogramm gibt. Das soll bunt und lustig und interessant sein. Um's bunt und lustig zu haben braucht man 1. Exotisches 2. Stars 3. einen Preis, weil man ist ja eine wertvolle Veranstaltung und deshalb hat man auch einen Preis zu vergeben. Im Umkehrschluss ist es auch einfacher an Stars ran zukommen. Man kennt das: Einfach mal einen Lebenswerkpreis hingeschmissen und schon hat man Chancen.

Aber weil die "Faszination Comic" für das Publikum ist, ist der "Sondermann" ein Publikumspreis. Soweit schön und gut, warum sollen die die blechen nicht auch mal mitentscheiden dürfen. Ja man merkt, so langsam kommen wir zum Höhepunkt, daß merkt man hoffentlich.

Publikumspreise haben es so an sich, daß man wählt was man kennt. Absolut albern wird es, wenn man einen Nachwuchspreis auslobt der sich als Förderpreis versteht und diesen vom Publikum absegnen läßt. Jeder Höhlenbewohner kann sich da mit ein paar Kohlehölzchen ausrechenn das am Ende derjenige gewinnte, der... na? ... der am meisten verkauft, denn der dürfte zwangsläufig am bekanntesten und bliebtesten sein. Das Problem hierbei ist: Dieser der ist dadurch auch am wenigsten auf Förderung angewiesen. Sowa smuß also zwangsläufigvon einer Jury entschieden werden um das dem Sinn nach hinzubekommen. Stichwort: Expertenjury.

Wenn das nicht so ist, nenne ich das halt Kardinalfehler.

Höhepunkt...jetzt!


Zugegeben, es ist klar das man hier was Gutes tun will, schließlich ist das hier die Buchmesse und die hat Renomée und der Comic in Deutschland hat dieses R-Wort dringend nötig. Insofern möchte ich da echt niemand auf die Füsse treten, auch wenn ich jetzt gleich schreibe, daß solche Aktionen echt ein Schuß ins Knie sind.

Wer den "Sondermann-Nachwuchspreis" im Detail angeschaut hat, war wahrscheinlich sowieso etwas verwundert. Nominiert waren allesamt Comicer die entweder bei Ehapa oder Carlsen unter Vertrag stehen oder es früher mal waren. Angeblich hatte man größte Mühe in Deutschland Comictalente unter 30 Jahren zu finden. Dazu kann ich nur sagen: Wenn man schon Kontakte zur Comciszene hat, dann sollte man diese auch Nutzen. Mir fallen da spontan so einige ein, die unter 30 sind und Förderung gut gebrauchen könnten, aber was soll's.

Orientiert hat man sich schlußendlich an den Verkaufszahlen vom Buchhandel (auf die Idee muß man erstmal kommen). Noch witziger wird es wenn dann zwangsläufig unter den Nominierten der erfolgreichste deutsche Comicer der letzten Jahre ist. Wobei man da natürlich kleinlich sein könnte - sind Cartoons wirklich Comic? Aber in einem Land in dem Trickfilmserien mittlerweile ahnungslos als "Comic"serien tituliert werden, ist das eh sowas von Wurscht.

Joscha Sauer hat jedenfalls, nach allem was man weiß, an die 60.000 mal seinen ersten "Nicht Lustig!" Band verkauft (zum Vergleich: ausser einigen Manga, Micky Maus und Simpsons sind fast alle Verkaufszahlen einstellig). Für diesen Band hatte er, ohne es zu planen oder zu wissen, zwei Jahre lang eine große Werbekampagne gemacht. Nämlich in Form eines täglich frischen Cartoon im Internet. Das war so erfolgreich, daß das Interview mit Joscha vor ein paar Jahren (vor dem Comic) die Klickzahlen von Comicgate in die bisher höchsten Höhen getrieben hat und wir sind sonst auch nicht schlecht besucht, wenn ich das mal so sagen darf. Als der Band dann rauskam war es wie ein aufatmen für die Fangemeinde. Endlich etwas festes.

Tja und wenn man dann weiß wie der Sondermann bestimmt wurde, nämlich per Internet-Umfrage, dann ist das alles halt ein Treppenwitz. Von wegen Nachwuchspreis, von wegen Förderpreis. Joscha Sauer meinte dann auch auf die Frage, ob er damit gerechnet habe den Nachwuchspreis zu bekommen, völlig nicht lustig: Ja!

posted by Sascha um 22:58 | Permalink


A Quick Visit
(Zwischenfutter)

Aufmerksame Leser werden bemerkt haben, dass das Blog in der letzten Woche ein wenig brach lag. Es ist allerdings zu hoffen, dass in den nächsten Tagen Beiträge wieder regelmäßiger und in kürzerem Abstand hier erscheinen werden. Bis dahin zwei Links.

Tom Spurgeon, ein alter Hase im Comicgeschäft, hat jetzt seine eigene Website The Comics Reporter, neben eigenem Blog werden da bald Reviews, Interviews und Kommentare von Mr. Spurgeon zu finden sein. Und es gibt jetzt schon einiges an Content. Generell ein kluger Zug eine Seite nicht ganz bei Null anfangen zu lassen. Dürfte sich lohnen die Seite im Auge zu behalten.

Derweil hat die britische Marine sich entschlossen satanische Praktiken auf ihren Schiffen zu erlauben, da man niemand aufgrund religiöser Ausrichtung vom Dienst ausschließen möchte. Der auf der H.M.S. Cumberland stationiertet Satanist, der dies bewirkt hat strebt nun an, Satanismus bei der Marine auch als offizielle Religion durchzusetzen. Das ist definitiv eine der bizarrsten Nachrichten, die ich in letzter Zeit gelesen habe und beweist mal wieder das die "Stranger than fiction"-Aussage einen gewissen Wahrheitsgehalt hat. Und um den obligatorischen Kalauer auch noch loszuwerden: das Schiff wird ab nächster Woche unter dem Namen H.I.M.S. Cumberland auslaufen (okay, der Kalauer ist nicht sonderlich kreativ, aber das Gesetz erfordert es, dass jeder der über diese Nachricht berichtet ihn anbringt).

posted by Björn um 18:28 | Permalink


18.10.2004

Way it is
(Link-O-Rama)

  • Cristian merkte neulich in den Comments an, dass sich viele Internetkommentatoren immer über Marvel und DC beschweren, aber sich gar nicht erst die Mühe machen würden, sich mal richtige Indie-Titel anzugucken. Ich bin mir nicht ganz sicher was alles als 'richtiger' Indie-Titel durchgeht, aber das ist vielleicht eine gute Gelegenheit zu Christopher Butchers Previews/Reviews zu linken. Christopher gibt Kaufempfehlungen für die aktuelle Woche und durchforstet, ähnlich wie Daniel in Mind the Gap, den Previews-Katalog, wobei er besonderes Augenmerk auf die Titel legt die jenseits von Marvel, DC und Image erscheinen und die ansonsten wenig Beachtung im Netz finden.


  • Und wo wir schon bei den Previews sind, im neuen Tilting at Windmills wirft Brian Hibbs einen Blick darauf, wie er Comics bei Diamond vorbestellt, wobei er aus Platzgründen die Indies außen vorlässt (wer eventuell eine Ausgabe von Tilting sehen möchte, in der Brian erklärt nach welchen Kritierien er Indies bestellt, der soll ihm eine E-Mail schicken). Dabei ist natürlich zu bedenken, dass er nur beschreibt wie er Comics für seinen eigenen Comicstore ordert, andere Händler können da ganz andere Systeme haben. Wie man von Hibbs erwarten darf, ein ziemlich lesenswerter Text, vorallem weil darin einige der Punkte deutlich werden, die bei mir Gänsehaut verursachen wenn ich nur an das Diamond Shipping System denke.

    Die US-Händler müssen kurz nachdem sie den Previews-Katalog erhalten haben entscheiden, wieviele Kopien sie von einem bestimmten Heft haben möchten. Das bedeutet, dass sie zwischen einem und vier Monaten bevor ein Heft offiziell rauskommt entscheiden müssen. Überraschenderweise scheint Marvel hier am liberalsten zu sein und erlaubt den Händlern drei Wochen vor dem Versand eines Heftes die Stückzahlen nochmal zu korrigieren (allerdings hat Marvel immer noch die ziemlich geschäftsschädigende Politik nicht mehr Hefte zu drucken als auch wirklich bestellt wurden, so dass dieser Vorteil wieder ausgeglichen wird). Händler müssen also meist nach Trends gehen und grob schätzen wieviel ihre Leserschaft kaufen wird, auf den nicht verkauften Titeln bleiben die Händler selber sitzen. Es ist also ein konstanter Konflikt zwischen "Nachfrage abdecken" und "Verluste minimieren". Im Zweifelsfalle: better safe than sorry.

    Es ist schon faszinierend zu lesen, nach welchen Kriterien Mr. Hibbs seine Stückzahlen bestimmt. So stellen kleine und unbekannte Titel ein ziemliches Risiko für den Händler da, außer der Preis ist niedrig genug um es einfach zu versuchen und im Zweifelsfalle nicht zuviel Geld zum Fenster rausgeworfen zu haben. Von Justice Society of America #68 bestellt er sechs Kopien mehr als von der vorherigen Ausgabe, weil sie ein Cover von Alex Ross hat. Hm. Ebenfalls gilt es zu bedenken in welchen Wochen Comics versandt werden (natürlich immer in der Hoffnung, dass nicht die Deadline gesprengt wird). In den mittleren Wochen des Monats in denen kaum Big-Names erscheinen ist Hibbs gewillter ein Risiko einzugehen, weil die Titel dann keine zu große Konkurrenz im Regal haben, aber wenn Events wie die neuen What if...?-Comics alle in einer Woche erscheinen, in einer Woche in der Zudem die Avengers, Ultimate Secret und Warren Ellis Iron Man in den Regalen auftauchen, dann senkt Mr. Hibbs die Bestellungen lieber. Dazu kommen auch Probleme wie Variant-Hefte. Wenn von je 10 Kopien eines Titels eine eine schwarz-weiß Ausgabe ist, die wahrscheinlich bleiern in den Regalen liegt, und somit 100 bestellte Hefte in Wirklichkeit nur 90 oder 92 Hefte sind. Beides Dinge die man Joe Quesada vielleicht auch nochmal sagen sollte...

    Das Vorbestellsystem wird ganz seltsam für Titel wie George A. Romero's Toe Tags #3. Bei einem Comic, der zwar einen prominenten Namen auf dem Titel hat, bei dem aber die erste Ausgabe noch nicht erschienen ist, wird das System zum Blindflug. Selbst wenn man sich mit dem System auskennt, es ist wirklich interessant mal nachzuvollziehen, was im Kopf eines Comichändlers -nicht eines Fans- vor sich geht, wenn er den Previewskatalog durchforstet.


  • Dann nochmal zu den Indies. Der Wizard empfiehlt den Indie-Comic aus Albion The Chase. Und wenn das Heft erstmal populärer wird, dann kann man schon sehen wie der Wert verdammt schnell in die Höhe schießt. DAzu kommt, dass Sketch-Cover, seltene, signierte Ausgaben und mehr die Norm für APComics sein. Whow! Wer hätte je gedacht, dass Indie-Comics so cool sind. Himmel...


  • Ein Nachtrag zum "Some Kind of Monster"-Post. Ich erwähne darin einige Kurzgeschichten und habe mal im Internet nach den Texten gesucht, damit man selber einen kleinen Eindruck erhält, was ich mit 'unheimlich' meinte und warum ich gerade auf diese Titel verwies:

    Neil Gaiman - The Price (zu finden in Smoke & Mirrors, oder auf Deutsch: Die Messerkönigin... man beachte da auch das total sinnlose Titelbild, das mit keiner der Kurzgeschichten irgendwas zu tun hat).

    H. P. Lovecraft The Music of Erich Zann und The Case of Charles Dexter Ward ("Music" lässt sich zusammen mit wirklich vielen anderen Kurzgeschichten im Lovecraft Omnibus - Volume II finden, oder auf Deutsch in dieser Loseblattsammlung des Suhrkamp-Verlags... hier ist übrigens das amerikanische Titelbild richtig daneben, nur so am Rande).

    Ray Bradbury - The Dwarf. Ich hatte nach "The Scythe" gesucht, weil das die beste Kurzgeschichte im erwähnten October Country ist, und eine der besten Horrorkurzgeschichten überhaupt, aber leider ist die Story nicht on-line (aber dafür in October Country, da habe ich keine deutsche Ausgabe finden können).

    Ende der Propaganda.


  • Television is a Virus: Jon Stewart, Moderator der von mir hochgeschätzten Daily Show, geht zur CNN-Sendung Crossfire und erklärt den beiden Moderatoren, dass sie in ihrem Job fürchterlich versagen und statt politisch zu informieren nur Theater spielen. Wenn sie dann versuchen zu argumentieren, dass er John Kerry in seiner Show hatte und auch keine kritische Fragen gestellt habe schlägt Stewart zurück, dass das vieles über die US-Medienlandschaft erkläre, wenn man seine journalistischen Standards aus einer Comedyshow beziehen würde ("In der Sendung die vor meiner Sendung läuft machen Puppen Scherzanrufe..."). Selbst als man sein Buch promoten will lässt sich Stewart von seiner Attacke nicht abbringen. Respekt. Man kann sich das ganze kostenlos hier anschauen oder das Transkript hier durchlesen. Man stelle sich vor jemand würde sowas mal zu Sabine Christiansen sagen... hach...

    Derweil klingt dieses Konzept... nein, nicht "zynisch und menschenverachtend", sondern eher... seltsam. Eine Big Brother-Stadt, die auf dekadenlange Ausstrahlung hin ausgerichtet ist? In einer Zeit wo man bei mieser Quote nichtmal bis in die nächste Woche planen sollte? Wer will denn sowas sehen? Und was für eine Medienhure muss man sein um sich sowas als Kandidat tatsächlich anzutun (okay, steht im Text, man will Arbeitslose angra... Arbeitslosen eine Chance bieten)? Na schön, das gibt mir zumindest die Gelegenheit statt der Trueman Show-Referenz noch ein weiteres tolles Buch zu bewerben, das die ganz ähnliche Grundidee einer von der Außenwelt isolierten und von wem auch immer kontrollierten Stadt hat, in der Menschen sich freiwillig über Jahrzehnte hinweg beobachten lassen wollen. Sehr feiner, sozialkritischer, russischer Futurismus. Boris und Arkadi Strugatzki Das Experiment (sehr empfehlenswert von den Gebrüdern Strugatzki ist auch Picknick am Wegesrand, die literarische Vorlage zu Andrei Tarkowskijs Film Stalker).

    posted by Björn um 11:15 | Permalink


  • 15.10.2004

    Some Kind Of Monster
    (Comics & Horror)

    Ein besonderer Service von Comicgate. Wer zu den vorherigen Posts will und sich dabei eine Sehnenscheidenentzündung ersparen und nicht 17 mal den Page-Down-Button verwenden möchte, kommt mit diesem Link direkt zum letzten Post.

    Momentan wird gerne diskutiert, ob Comics und Horror zusammepassen. Dazu erstmal der Link zu Eat More People, wo Rick Geerling zwar keine Comics mehr, aber dafür jeden Tag des Oktobers einen Horrorfilm diskutiert (wobei Horror hier sehr breit gefächert verstanden wird, sogar Fear and Loathing in Las Vegas zählt dazu). Ich bin kein großer Fan von Halloween, zumindest in Deutschland, aber das ist eine sehr nette Oktoberidee.

    Aber gut, die Frage war ob Horror in Comics funktioniert. Ich denke schon, ja. Aber er muss dem Medium entsprechen. Horror als Kategorie ist ein Oberbegriff, das darf man nie vergessen. So wie Science Fiction eine ganze Sockenschublade von Cyberpunk und Speculative Fiction, über Hard SF (sehr stark auf Physik eingehen) und Social Fiction bis hin zu Slipstream und Space Opera umfasst, so gibt es auch den Horror nicht. Nightmare on Elm Street ist ebenso Horror wie An American Werewolf in London, Night of the Living Dead, Hellraiser, Evil Dead, Texas Chainsaw Massacre, Poltergeist oder The Exorcist. Diese Filme sind von Grund auf unterschiedlich. Darum ist es ziemlich vermessen ein generelles Statement abzugeben, ob Horror in Comics funktioniert oder nicht. Bestimmte Dinge funktionieren, andere nicht. Man muss schauen welche Art von Horror man wünscht.

    Der typische Slasher-Horror (also etwa Halloween oder Scream) funktioniert meiner Ansicht nach nicht, auch wenn Devil's Due so etwas mit Hack/Slash geplant hat. Slasher-Horror war nie mein persönlicher Favorit. Also, ein irrer Killer bringt Teenager um. Naja (Ausnahme: Nightmare on Elm Street, erster Teil... Sack Zement, das war unheimlich, vorallem die Idee, dass man in seinem Schlaf nicht sicher ist fand ich sehr beängstigend. Das hat man aber in den nächsten Teilen glorreich in den Sand gesetzt, als Freddie Kruger ein besserer Stand-Up-Comedian wurde). Das lässt mich Nachts nicht schlecht schlafen, auch weil in diesen Filmen meist der Status Quo gewahrt wird. Okay, ein Haufen Teenager ist tot, aber das sind meist die arroganten Kotzbrocken und ungehörigen Flittchen. Und auch der Slasher erhält zumeist seine gerechte Strafe (bis zur Fortsetzung). Aber Slasher-Filme leben auch nicht davon, dass sie tagelang Angst machen, oder beim Zuschauer Paranoia hervorrufen. Slasher-Filme leben vom Moment. Sie leben von der beklemmenden Atmosphäre (normalerweise finden Slasher-Filme in einem mehr oder weniger hermetisch abgeschotteten Raum statt). Die zweite Zutat sind die Schockmomente. Wenn sich plötzlich das Messer durch die Brust eines Opfer bohrt oder der Killer vor der Tür steht. Sowas ist verdammt schwer in einem Comic zu transportieren. Wenn man sich die Previewpages zu Hack/Slash anschaut, dann ist alles da. Striptease. Killer steht plötzlich hinter dem Mädchen. Mord 1. Flucht. Stolpern. Mord 2. Aber seien wir ehrlich, es wirkt nicht, wie es in einem Film gewirkt hätte. Der Schockeffekt kann nicht wirken, weil er unten rechts auf der Seite auftaucht - also wahrscheinlich schon aus den Augenwinkeln wahrgenommen wurde - und weil Comics immer statisch sind. Man kann in Comics nur sehr schwer ein "plötzliches" auftauchen kreieren, weil zwischen zwei Panels immer eine gewisse Pause von mehreren Sekunden liegt.

    Dazu kommt: im Kino ist sowas multimedial. Das plötzlich auftauchen wird mit einem Soundeffekt verbunden, der den Zuschauer erschrecken lässt. Ohne den Soundeffekt wäre die Hälfte solcher Kinoüberraschungen vergeudet. Und in Comics ist er nunmal unmöglich. Selbst eine handwerklich richtig gemachte Sequenz wie die in den Previewpages wirkt darum eher steif. Hmm, wenn ich drüber nachdenke, ich korrigiere mich... es gibt einen Slasher-Film den ich doch liebe. Alien. Kein Slasher-Film? Alle Zutaten sind da: scheinbar unbesiegbarer Killer (einer... viel deprimierender als die Horden an Xenomorphen in Aliens), hermetisch abgeschotteter Raum (die Nostromo), überraschende "Morde", ein weiblicher Protagonist, die beschriebenen Schockmomente. Dazu als Pluspunkte: ein paar sozialkritische Ideen (Raumfahrer die keine Helden sind, sondern Blue-Collar-Worker) und keine Teenager.

    Also. Slasher-Horror halte ich nicht für comicadäquat. Damit stellt sich die Frage nach den Zombies, die ja wieder sehr èn vogue sind. Zombies sind definitiv Horror, aber auch Zombies sind eine sehr spezielle Variante von Horror, vielleicht macht gerade das Zombies zu Monstern die auch im Comic richtig gut funktionieren. Die besten Zombiefilme sind immer noch die drei Zombiefilme, die George A. Romero gedreht hat. Night of the Living Dead, Dawn of the Dead und Day of the Dead. Diese Filme setzen auf Blood und Gore und auch auf Schockmomente. Die sind allerdings eher sparsam dosiert. Die Zombies sind ein Element dieser Horrorgattung, aber nicht das entscheidende. Der Terror, der den Zuschauer in den besseren Zombie-Filmen packt geht von anderen Dingen aus. In den Romero-Filmen waren die Zombies für sich nie gefährlich, nur die bloße Masse machte sie zu einer Bedrohung. Die Zombies eigneten sich allerdings hervorragend als Allegorien. Die Allegorie in Dawn ist deutlich: die Zombies, die selbst nach ihren Tod zur Mall strömen als Kritik am allgegenwärtigen Konsum. Der Sinnentleerung des American Dream hin zu etwas, in dem "pursuit of happiness" primär für den kollektiven Kaufrausch steht. In Night ging Romero etwas subtiler vor. Eine Gruppe Überlebender verbarrikadiert sich in einem Haus und muss die ganze Nacht Zombies abwehren. Ein kleines Mädchen wird dabei sträflich vernachlässigt und stirbt, ohne das ihre Eltern es merken. Resultat: auch sie wird unbemerkt zum Zombie. Während man sich gegen die Gefahr von außen wappnet züchtet man sich im Inneren eine Gefahr heran, ohne es mitzubekommen.

    Die Zombies in den Originalfilmen waren als Monster nie wirklich bedrohlich. In Dawn wird es am Ende so abstrus, dass die Bikergang beginnt den Zombies Torten ins Gesicht zu knallen. In 28 Days Later und Dawn of the Dead: 2004 sind die Zombies schneller, gefährlicher, stärker. Flitzezombies. Trotzdem bleiben sie eher Hintergrundsetting. Der wirkliche Terror kommt aus zwei anderen Faktoren. Der unglaublichen Desolation, wenn den Überlebenden bewusst wird, dass die Welt wie sie sie kannten, nie mehr existieren wird, dass die Zivilisation über Nacht gefallen ist... dass diese Überlebenden vielleicht die letzten Überlebenden auf der Welt sind. Diese Form der Einsamkeit ist ein sehr furchteinflößendes Mittel. Der stärkste Teil von Dawn 2004 war der Anfang, als sich ein langweiliges Suburbia in ein Pandämonium verwandelt. Die Einstellung in der man über den Großteil der Vorstadt sehen kann war wahnsinnig effektiv... Feuer, Müll, Autounfälle, Leichen, lebende Tote. Auch Danny Boyles 28 Days Later ist am stärksten wenn unser Protagonist im Krankenhaus erwacht (ein Zombiefilmklischee) und das menschenverlassene London durchsucht. Einsamkeit kann sehr, sehr erschreckend sein (man siehe dazu auch die erste Hälfte und das Ende von This Quiet Earth). Der andere Terror kommt aus der Gruppe Überlebender, die immer so heterogen wie möglich ist. Rassisten und Farbige. Feministinnen und Machos. Kinder und Zyniker. Das einzige, dass diese Menschen verbindet ist ihr Interesse zu überleben. Es ist ein bischen wie mit Deutschen im Urlaub. Man freundet für die Zeit des Urlaubs mit Landsleuten an, die man sonst nicht in der selben Stadt wohnen haben möchte. Über kurz oder lang brechen diese Konflikte immer auf und die Gruppe beginnt von innen heraus zu zerfallen. Die Zombies sind eine ausgesperrte Gefahr, die Sorge, dass ein Gruppenmitglied endgültig durchdreht und Menschen aus der Gruppe umbringt ist eine ganz andere. Auf diesen Ebenen funktionieren gute Zombiefilme. Psychologischer Terror eher als wirklicher Grusel. Dazu aber trotzdem Schockeffekte und Blood & Gore. Schlechte Zombiefilme begnügen sich meist mit letzterem.

    Anyway, das kann nicht nur gut im Comic funktionieren, das funktioniert sogar hervorragend. Das Comics in der Lage sind Blood & Gore zu präsentieren wissen wir alle. EC Comics (Tales from the Crypt) ist damit in den 1950er Jahren sehr gut gefahren. Image in den frühen 1990ern auch. Und da der Großteil des Schreckens, den Zombiefilme ausüben, eher aus tiefsitzenden Ängsten als aus Schockeffekten gezogen wird gibt es hier für Comics kein Problem. Charakterszenen, Isolation und Apokalypse... all das kann man im Comic gut umsetzen. Robert Kirkmans The Walking Dead erfüllt diese Aufgabe zur Zeit mit Bravour. Die ruinierten Vororte und das menschenleere Atlanta, in die es den Hauptcharakter verschlägt, sind sehr gut wirkungsvolle Stimmungsmacher. Die Intragruppenkonflikte streicht Kirkman sehr schön heraus. Das Ende des ersten Paperbacks steht nicht der Showdown zwischen Überlebenden und Zombies, sondern der Showdown zwischen zwei alten Freunden, von denen einer mit der Frau des anderen geschlafen hat. Der schwelende Konflikt der beiden Charaktere bedroht die Gruppe stärker als es die Zombies tun. Aber auch die Zombies setzt Kirkman geschickt um. Ich sagte ja, dass ich glaube, dass Schockeffekte im Comic nicht funktionieren. Aber Kirkman weiß das. Es gibt eine Szene die komplett ruhig und friedlich verläuft, eine reine Dialogszene zwischen den Überlebenden. Eine Figur verlässt die Gruppe kurz, umblättern... ein Zombie beisst sie. Das ist kein Schock- sondern ein Überraschungseffekt. Man erschreckt zwar nicht, aber als Leser hätte man es auch so nicht erwartet, Kirkman hat den Leser mit der ruhigen Szene davor komplett eingelullt. Statt auf den Schockeffekt sollte man also lieber auf Überraschungen setzen, wenn man Horror in Comics umsetzen will. In short: Zombies funktionieren, wenn richtig gemacht, ziemlich gut in Comicform.

    Ein Standard in Sachen Comics und Horror sind seit fast zehn Jahren die Babe-Horror-Comics (wenn man Vampirella als Urgestein nimmt sogar noch viel länger). Darunter fallen für mich solche Titel wie Lady Death, Chastity, Purgatori oder jetzt BloodRayne. Das diese Art von Horror im Comic funktioniert sieht man daran, dass Lady Death die größte Sorge vieler Leser war, als CrossGen Anfang des Jahres endgültig den Bach runtergangen ist. Allerdings sind das auch Titel die auf einer ganz anderen Art von Horror basieren, den Grusel, Terror oder Schockeffekte sind hier gar nicht gewollt. Hier geht es in erster Linie um Splatter und Sex (und immerhin, die Dame aus dem BloodRayne-Computerspiel hat es sogar in den Playboy geschafft... an dieser Stelle würde ich gerne einen schnippischen Kommentar anbringen, aber das steht für sich alleine schon ziemlich gut). Das können Comics beides bieten, wir Comichistoriker nennen es "Image Comics, circa 1993". Allerdings ist das meist kein 'richtiger' Horror (sofern es den denn überhaupt gibt) sondern eher eine Mischkategorie. Sowas wie Action-Horror oder Horror-Komödie. Es fällt schwer sich effektiv zu gruseln wenn die Hauptfigur ein Reizwäschemodel ist, das reihenweise Feinde mit einem Schwert niedermäht. Damit folgt man Filmen wie Army of Darkness, Braindead, Jesus Christ - Vampire Hunter (kein Scherz!) oder auch dem Blade-Film (der einen Blade präsentierte, der nicht der Comic-Blade war). Army of Darkness wurde ja früher schon einmal in Comicform umgesetzt und hat ja momentan bei Devil's Due wieder eine eigene Minisierie. Horror der sich nicht ernst nimmt, der nicht schocken oder erschrecken, sondern unterhalten will.

    Army kann man einfach nicht ernst nehmen, wenn Ash einen One-Liner nach dem anderen zum Besten gibt, die bösen Skelette die drei Stooges nachmachen und die Guten schließlich einen Helikopter zusammenschrauben ("Say hello to the twentyfirst century. Yeehaw!"). Der Ton ist damit übrigens ganz anders als in Evil Dead II, meinem Favoriten der Serie. Auch hier herrscht viel Humor vor, aber gemischt mit einer sehr bizarren, albtraumhaften Szenen, etwa wenn Ashs Spiegelbild mit ihm streitet oder ihn ein ausgestopfter Hirschkopf verspottet. Das ist so abgedreht gefilmt, dass man Jägermeister-Werbung immer mit ganz anderen Augen sieht. Noch deutlicher wird das Spaß-Element bei Peter Jacksons Braindead. Das ist alles so überzogen, dass man es nicht ernst nehmen kann. Nazidoktoren, Kung-Fu-Priester, die Szene in der ganze Zombiehorden mit einem Rasenmäher in handliche kleine Stücke zerlegt werden und mehr Kunstblust fließt als in jedem anderen Horrorfilm. Hier will man unterhalten und das schafft man. Ob man sowas dann mag oder nicht (egal ob es jetzt die Reizwäschemodels oder der Spaß am 'bad taste' (hohoho... ein kleines cineastisches Wortspiel... oh, wie geistreich) sind). Blade schlägt in eine ähnliche Kerbe. Zwar übertreibt man hier nicht und setzt nicht Humor, aber wirklich unheimlich sind die Vampire in dem Film auch nicht. Gut, sie haben eine Subkultur und unterwandern die Gesellschaft. Aber die Art und Weise wie Blade sich durch einen ganzen Club voller Blutsauger sticht, ballert und hackt nimmt der Idee einer Vampirschwörung viel an Bedrohlichkeit. Es ist in erster Linie ein Actionfilm. Ob John MacClane nun ein Dreamteam internationaler Terroristen niederschießt oder Blade eine Familie Nachzehrer dezimiert ist letzlich ein und das Selbe. Ich habe auf Van Helsing und Underworld nach den Trailern verzichtet (vorallem diese "Matrix mit Vampiren"-Vorschau von Underworld war mir zuviel), aber ich schätze, dass sie in die selbe Richtung schlagen. Auch diese Art von Horror, also Horror der eigentlich nur als Leitmotiv dient um eine Komödie oder einen Actionfilm zu machen (und theoretisch kann man hier natürlich immer noch dutzende andere Genres von der Liebesgeschichte bis zur Musikdokumentation einbinden) funktionieren im Comic. Mal abgesehen von oben erwähnten Babe-Comics fallen auch einige Hellboy-Geschichten und Eric Powells The Goon in diese Kategorie von Horror der eher unterhaltsam als gänsehauterzeugend ist.

    Aber die Frage bleibt: können Comics nicht auch Horror bieten der wirklich verstörend und angsteinflößend ist? Ich würde sagen: ja. Aber dazu muss schon das generelle Setting stimmen. Warum ich das erwähne? Weil bei Hellblazer und Sandman ein wenig Grusel dadurch verschenkt wird, dass es im DC-Universum spielt (Hellblazer habe ich seit einiger Zeit nicht mehr verfolgt, ist John Constantine noch Bestandteil des DC-Universums oder hat man ihn wegen Vertigo und dem bevorstehenden Kinofilm in ein unabhängiges Universum transferiert?). Sicher, der Luzifer den Gaiman geschaffen hat ist ein ziemlich finsterer Zeitgenosse, seine Hölle ist wirklich erschreckend und es ist unfair hier Dinge einzuwenden, die es zu Gaimans Sandman-Zeit noch nicht gab aber... es fällt schwer sowas ernst zu nehmen wenn man beim Lesen daran denken muss, dass ein anderer Höllenfürst namens Nekron das Radio von Lobo im Kopf hat (Underworld Unleashed), dass es einen Himmel gibt in dem Barry Allen den ganzen Tag in seinem roten Strampelanzug durch die Gegend flitzt und sich Jason Todd in seinem Kostüm durch die Lüfte schwingt (Green Arrow - Quiver... und nein, nicht darüber nachdenken ob es Sinn macht im Paradies im Superheldenoutfit rumzuflitzen wenn es doch keine Verbrechen und nichts Übles gibt), dass Tommy Monaghan in Hitman einen Dämon als Stammgast in seiner Kneipe hatte und dass Etrigan einmal pro Woche in irgendeiner Serie den lahmen Gaststar mit noch lahmeren Reimen abgeben muss. Nichts davon war klar, als Sandman und Hellblazer damals geschrieben wurden und es ruiniert die Stories nicht. Aber es verwässert sie zumindest.

    Trotzdem sind in beiden Titeln gute Ansätze zu entdecken, die zeigen, dass auch Grusel und Terror in Comicform funktionieren können. Tim O'Neil hat neulich einen Blick auf Marvels Hellraiser-Comics geworfen. Ich habe den Comic nicht gelesen, aber laut Tim scheint das Horror zu sein, der funktioniert, weil er auf Mittel setzt, auf das auch der Film Hellraiser setzt. Nihilismus. Der erste Film war auf jeden Fall visuell beängstigend, all die Haken und Ketten, das zerfetzte Fleisch, die Xenobiten in ihren Sadomaso-Klamotten, die Idee sich die Haut eines anderen Menschen anzuziehen (okay, das ist eine Idee die aus alten Mythologien stammt und der sich auch Grant Morrison in Say You Want A Revolution bedient hat). Aber der Film hatte etwas wirklich bösartiges an sich und ich würde Tim zustimmen, dass es das Fehlen eines Helden oder einer kosmischen Güte war. Der Comic scheint diese Idee noch weiter voran zu treiben und anzudeuten, dass das Leben schon grausam ist, aber nichts im Vergleich zu der Idee, das es nur der Warteraum zu ewigen Qualen ist. Nicht im religiösen Sinne als Strafe für Verfehlungen des Fleisches, sondern schlichtweg weil wir den Fehler gemacht haben geboren zu werden. Diese Idee ist... beunruhigend. Im Grunde wird hier die Grundangst aus den Zombiefilmen, diese Troslosigkeit, noch eine Stufe höher gedreht.

    Wenn über Horror gesprochen wird, dann denkt man meist an Filme. Ich selber habe ja dieses Post auch mit Filmen begonnen. Wenn man allerdings betont, dass Horror in Comics nicht funktioniert, weil viele Horrorfilmkonventionen nicht übertragbar sind, dann greift man zu kurz. Horror hat immerhin lange vor den Filmen in Büchern und Volkssagen existiert. Die osteuropäischen Strigoi, die russische Baba Yaga, die mitteleuropäischen Werwölfe. Bram Stokers Dracula. Lovecrafts Cthulhu-Mythos. Bradburys October Country. Viele Geschichten und Gedichte von Poe. E.T.A. Hoffmann. Die alle hatten auch nicht die Möglichkeit Schockmomente einzubauen, der Grusel hier musste also aus etwas anderem kommen. Aus geschickter Wortwahl und aus der richtigen Atmosphäre. Das ist der Punkt an dem Horrorcomics die Gänsehaut erzeugen wollen (also anders als die oben erwähnten Beispiele) ansetzen müssen. Gute Horrogeschichten liest man nicht im Bus, in der Bahn oder in der Badeanstalt. Gute Horrorgeschichten liest man spät Abends im abgedunkelten Raum, im Idealfall stürmt oder regnet es draußen. Dann ist man viel aufnahmefähiger. Und eine gute Horrorgeschichte ist dann um einiges gruseliger als fast jeder Horrorfilm der existiert. The Music of Erich Zann oder The Case of Charles Dexter Ward sind in so einem Setting wirklich beunruhigend. Ein sehr effektives Mittel hat Neil Gaiman in seiner Kurzgeschichte "The Price" verwendet. Modernes Setting, Vorort, popkulturelle Referenzen im Überfluss, moderner Protagonist. Und dann in der Mitte der Geschichte die Textzeile:

    "And there was indeed something coming down the driveway toward the house. I could see it through the binoculars clear as the day. It was the devil."

    Yikes. Gelesen während meines Zivildienstes kurz vor Mitternacht im tiefsten Winter, während ich der einzige Anwesende in einer Jugendherberge war die außerhalb der Ortsgrenzen lag und ihre 150 Jahre auf dem Buckel hatte. Diese Textzeile hat mich die halbe Nacht kirre gemacht. Und das obwohl die Prosa so wahnsinnig simpel ist. Keine überflüssigen Adjektive, keine albernen Adverbien, kein prätentiöses Zurückgreifen auf Horrorstilmittel des 19. Jahrhunderts. Nur dieser Satz, kalt, nüchtern, matter-of-fact. Und sowas können auch Comics nutzen, starke Off-Texte. Die müssen aber, wie obiges Beispiel zeigt, simpel und effektiv sein. Sobald man schwammig wird und versucht zu klingen wie Lovecraft oder Poe ruiniert man normalerweise den Effekt und statt unheimlich wirkt sowas albern. Und es gibt viele Comicautoren, die sowas ganz leicht verbacken können wenn sie nicht aufpassen. Aber das ist ein Stilmittel auf das Horrorcomics setzen sollten, hier sollte man sich lieber an Büchern als an Filmen orientieren.

    Das ist aber natürlich nur die eine Hälfte die einen Comic ausmacht. Die andere Hälfte ist das Artwork. Und auch hier haben Horrorcomics einen Vorteil den Filme nicht haben. Filme müssen immer in Bewegung bleiben, aber Comics können Stimmungsbilder verwenden die der Leser erstmal in Ruhe auf sich einwirken lassen kann. Es gibt Triptychons von Hieronymus Bosch die einfach nur verstörend sind. Das gleiche gilt für einige Bilder von Salvador Dalí. Wenn ein Autor, der in der Lage ist unheimliche Texte zu schreiben, nun mit einem Zeichner zusammenarbeitet, der unheimliche Panels zeichnen kann, dann hat man einen sicheren Erfolgsgaranten. Neben den spaßigen Stories auf die ich oben einging gibt es zwei Hellboy-Kurzgeschichten die ich wirklich beängstigend finde. "The Wolves of Saint August" und "The Chained Coffin" (beide im The Chained Coffin-Paperback zu finden... meiner Ansicht nach die beste Hellboy-Collection). Beide Geschichten leben von Mignolas Verständnis dafür, wie man mit Schatten und Silhouetten zu arbeiten hat. Nicht unwesentlich tragen auch die Panels dazu bei, in denen Mignola einfach nur Ausschnitte aus mittelalterlichen, religiösen Skulpturen darstellt. Teile von einem Kreuz. Close-Ups von Heiligenfiguren. Und wer mal eine gothische Kathedrale gesehen hat weiß wie unheimlich diese Dinge sein können. Mignolas Artwork erzeugt in diesen Momenten eine sehr bedrohliche Atmosphäre, weil er religiöse Urängste damit vermischt, dass er nicht alles zeigt. Das ist wieder eine Kinokonvention. Wenn du das Monster zu klar sehen kannst, dann ist es nicht mehr unheimlich. Aber der Dämon in "The Chained Coffin" ist größtenteils Schatten und Kontur. Klar genug erkennbar um in eine Richtung zu deuten, aber gleichzeitig unscharf genug um dem Leser Platz zu lassen den er mit seinen eigenen Monstern füllen kann.

    "The Wolves of Saint August" ist die beunruhigendste Hellboy-Story die ich je gelesen habe. Vielleicht liegt es daran, dass Werwölfe mein persönlicher Schrecken sind. Vampire? Ha. Zombies? Phhht. Drachen? Ach komm. Aber Werwölfe haben etwas, dass mich persönlich irritiert. Und Mignola setzt das großartig um, gepaart mit starken Dialogen. Wenn da ein Mädchen steht, mit traurigen Augen und fragt warum Gott sie hasst und wenn dann nach dem umblättern steht das Mädchen in Wolfsform da und betont: "He made me this." Pffft. Starker Tobak. Insgesamt setzt Mignola auch hier viel auf Silhoutten. Menschenkörper mit Wolfsköpfen finde ich sehr wirkungsvoll, nicht umsonst war der Wolf in Märchen und Volkssagen ein sehr beliebter Bösewicht (und in vielen Versionen von Rotkäppchen die vor den Gebrüdern Grimm und Charles Perrault existierten triumphiert der Wolf am Ende... denn wenn Rotkäppchen unversehrt entkommt hat sie nichts gelernt außer, dass sie schon jemand retten wird, wenn sie Mist baut). Wenn der Oberwerwolf später in der Geschichte beginnt sich die Menschenhaut vom Leib zu reißen und darunter der Wolfskörper zum Vorschein kommt muss ich immer wieder an einen Film denken. Die Verwandlungsszene in An American Werewolf in London war ziemlich hart (wobei das verstörendste Bild in diesem Film die Werwolfnazis waren, die in einem Traum in ein friedliches Einfamilienhaus eindringen), aber die Verwandlungsszene am Anfang von Zeit der Wölfe... nun, die hat mir Mitte der Neunziger nächtelang Albträume bereitet. Auch das können gute Horrorcomics bieten. Bilder die erschrecken weil sie viel offen lassen, weil sie an Urängste appellieren und weil sie automatisch unangenehme, bedrohliche Assoziationen hervorrufen.

    Um abschließend -und ich weiß, das war ein verflixt langes Post- auf die Frage zurückzukommen: können Horrorcomics funktionieren? Na, aber hallo. Horror ist zu vielfältig um kategorisch sagen zu können, dass er in Comicform nicht funktioniert, so wie das Steven Grant oder Dorian Wright tun. Bestimmte Arten von Horror funktionieren im Comic besser als andere. Bestimmte Elemente an die wir bei Horror denken sind zu sehr auf andere Medien ausgerichtet, als das wir sie nutzen könnten. Aber ich wage zu behaupten das Comics, wenn sie einen guten Autor und Zeichner haben, in der Kategorie "unheimlich" besser abschneiden als Filme. Man muss sich nur darauf besinnen wo im Comic, im Zusammenspiel von Literatur und Kunst, die Stärken liegen und wie man beide effektiv verbindet. Wenn man darauf setzt, dann sehe ich keinen Grund warum neben den Zombie- und Action-Horrorcomics nicht auch wirklich gänsehauterzeugende Horrorcomics funktionieren sollten.

    posted by Björn um 13:47 | Permalink


    14.10.2004

    Origin of Symmetry
    (Donnerstägliche Gedanken)

    Ignore the Big Two: Ein Monat ist ein bisschen lang. Aber ich werde, auf Thomas Anregung hin, versuchen die nächsten zwei Wochen die beiden großen Publisher weitestgehend zu ignorieren, sofern nichts wirklich wichtiges passiert. "Wichtig" ist ziemlich relativ und ziemlich schwierig, weil die Grenzen nicht klar abgesteckt sind. Also gleich ein paar Einschränkungen: Vertigo ist zwar de facto DC, aber das werde ich in meiner selbstgefälligen Ader nicht in die Ignore-List aufnehmen. Desweiteren ist es möglich, dass ich über alte Comics von DC oder Marvel reden werde. Ganz grob gilt das Ignorieren also für jeden Medienstunt den DC oder Marvel in den nächsten zwei Wochen aus dem Hut ziehen, einer läuft ja gerade schon. Das ist allerdings nur ein Versuch, es ist gut möglich, dass ich in ein paar Tagen einknicke und dem großen M und dem großen D mit C wieder meine unendliche Treue schwöre.

    Y - The Last Man: Ich habe jetzt Paperback 2 und 3 von Y - The Last Man gelesen und mir kommt eines seltsam vor am Ton der Serie. Die Serie selber ist okay. Könnte ein bischen mehr Tempo vertragen, aber sie ist gute Unterhaltung. Nur: sollte die Stimmung nicht um einiges apokalyptischer sein? Nicht nur, dass mit dem Tod aller Männer die Menschheit ihrem Ende ins Auge sieht, alle Säugetiere sind hiervon betroffen. Nun machen Säugetiere nur knapp 1 - 2 Prozent der Gesamtzahl an Tieren auf der Erde aus, aber selbst wenn die Menschheit sich letzten Endes retten kann, sie steht einer radikal veränderten Umwelt gegenüber. Sofern sie nicht in der Lage ist, die rund 4600 rezenten Säugetier-Arten zu retten würde sich doch einiges verändern, oder? Natürlich sind 2% nicht entscheidend, die Biosphäre wird nicht zerstört, aber sie wird radikalst verändert. Das Nahrungsnetz ist so komplex und verwoben (nicht wie die immer noch oft verwendete Idee der Nahrungskette), dass es fast unmöglich ist präzise vorherzusagen was passieren wird, wenn man einige Tiere aus dem Netz entfernt. Ganz zu schweigen von 1-2% aller Tiere.

    Wenn Tiere ohne natürliche Feinde, wie der Braunbär oder der Tiger, wegfallen bedeutet dies, dass sich andere Tiere verstärkt ausbreiten, worunter wieder andere Tiere zu leiden haben. Mit dem Aussterben der Säugetiere würde also auch das Aussterben einer ganzen Ecke anderer Tiere einhergehen, über Bande gespielt quasi. Dazu würden sich bestimmte Tierarten, vorallem die Insekten (und hier insbesonders die aggressiven südamerikanischen Ameisen, die jetzt schon auf dem Vormarsch sind) noch schneller ausbreiten und ganze Lebensräume für fast jede Tier- und Pflanzenart unbewohnbar machen. Und auch Pflanzen, die sich stark verbreiten, aber durch herbivore Säuger eingedämmt werden, würden sich vermehrt ausbreiten und so anderen Pflanzen die Lebensgrundlage entziehen. Das würde sich wieder auf die noch verbleibende Tierwelt auswirken, die eventuell von den verdrängten Pflanzen lebt. Sogar das Klima könnte sich hierdurch radikal verändern, auch wenn sich das ökologische Gleichgewicht auf kurz oder lang wieder herstellt wird.

    Klar, das ist Erbsenzählerei und vielleicht hat Brian K. Vaughan all dies bedachtet wenn er seine Arcs schreibt. Vielleicht spekuliert er auch darauf, dass die meisten Menschen resigniert und ihr Schicksal akzeptiert haben. Wenn es keine nächste Generation mehr gibt, warum sich sorgen. Aber der Ton der Serie kommt mir irgendwie zu optimistisch vor, wenn man überlegt wie radikal die Veränderung allein für die Menschheit ist, die plötzlich ohne Männer da steht und auch mit dem Zusammenbruch der Infrastruktur (Verkehr, Elektrizität, Wasser) und Kommunikation zu kämpfen hat. Und, sollten nicht zumindest diejenigen, die wissen, dass es noch einen Mann gibt und das dieser eventuell den Fortbestand der menschlichen Rasse sichern könnte, sich auch Gedanken darüber machen wie es dann mit dieser hypothetischen nächsten Generation weitergehen wird? Auch wenn Menschen vegetarisch leben können, der Tod der Säugetiere würde auch auch die Düngemittelproduktion betreffen. Ist aber auch möglich, dass ich nur irgendwo einen Denkfehler gemacht habe (ich bin immer noch verschnupft und die Gedanken müssen sich durch eine mentale Milchglasscheibe präsentieren) und da Probleme sehe, die gar nicht existieren...

    US-Debatten: Okay, fucking hell. Warum bleibe ich eigentlich auf um die US-Debatte zu schauen. Ich kann ohnehin nicht wählen in den USA, aber anders als die Wahlen in der Schweitz oder in Dänemark (die eine anarcho-kommunistische Theokratie eingeführt haben könnten, ohne dass ich es mitbekommen hätte) habe ich das Gefühl, das diese Wahl wirklich die ganze Welt betrifft. Trotzdem sind diese Debatten irgendwie wertlos und sollten in Deutschland nicht imitiert werden, weil wir eine ganz andere politische Kultur haben (und seit neuestem auch wieder eine politische Unkultur). Ich hätte es besser wissen sollen, es geht bei diesen Debatten nicht um Fakten oder Pläne. Es geht um Telegenität und das nicht erst, seit Kennedy den schlecht aussehende Nixon geplättet hat. Beweise nötig? Worüber redet man nach der ersten Debatte? Über Kerrys Visionen? Bushs Ziele? Fehler und Voraussicht? Nein, man redet darüber ob die Beule in Bushs Jacke darauf hindeutet, dass er verkabelt war. Und spätestens bei der ersten Frage des Moderators Bob Schieffer gestern hätte mir klar werden sollen, wieviel Wert diese Debatten haben. Aus dem Transkript:

    "And that is, will our children and grandchildren ever live in a world as safe and secure as the world in which we grew up? "

    Whoa! Das nennt man also Erinnerungskultur. Früher war alles besser. Wie sicher hätten Sie's denn gerne lieber Wähler? Schieffer tippe ich auf um die 70 Jahre. Also, so sicher wie damals als in Deutschland 6 Millionen Juden umgebracht wurden und die Gefahr bestand, dass die menschenverachtende Maschinerie des Nationalsozialismus ganz Europa übernimmt? Kerry und Bush sind um die 60. Also, so sicher wie eine Welt in der Russen und Amerikaner H-Bomben haben und in der General Douglas MacArthur dazu aufruft diese auch in Korea und gegen China zu benutzen? Eine Welt die so sicher ist, dass der dritte Weltkrieg nur einen Herzschlag entfernt war als Chruschtschow Atomrakaten auf Kuba stationieren wollte? Duck and Cover? Oder ging es um die Neuwähler, die in den 1980er aufgewachsen sind? Nato-Doppelbeschluss? Nukleares Wettrüsten? Totrüsten? Dazu noch eine spur libyscher Terrorismus? Lockerby? Mein Gott. Und das war die erste Frage des Abends.

    Abgesehen davon: more of the same. Eine Art Best of aus Debatte 1 und 2, nur nicht zu sehr wie ein Politiker wirken, es geht hier immerhin um die Untenschlossenen, die lieber einen Präsidenten wollen mit dem sie ein Miller zischen können, als einen Politiker. Butler Lurch... äh... John Kerry macht einen Witz und vergleicht Bush mit Tony Soprano, um wie ein richtiger Mensch zu wirken. Bush witzelt, dass Kerry ganz weit links steht und dass die ganze Welt die USA um ihr Gesundheitssystem beneidet. Es ist unschön. Aber ich bin selber Schuld, ich hätte es wissen können und trotzdem falle ich immer wieder drauf rein... Hunter S. Thompson hatte Recht. Politik ist eine Droge. Ich persönlich würde auf schlecht verschnittenes Crack tippen.

    Dazu eine Passage aus Ray Bradburys wundervollem Roman Fahrenheit 451, den ich als Dystopie für viel besser und effektiver halte als 1984 oder Brave New World, weil er relevanter ist und immer noch vieles passt wie die Faust auf's Auge. So wie diesen Absatz darüber nach welchen Kriterien in seinen USA der Zukunft eine Wahl entschieden wird. Beim folgenden Absatz also bendenken, das wurde 1950 geschrieben. Fast ein Jahrzehnt vor der Kennedy-Nixon-TV-Debatte:

    "Let's talk politics, to please Guy!"
    "Sounds fine," said Mrs. Bowles. "I voted last election, same as everyone, and I laid it on the line for President Noble. I think he's one of the nicest-looking men who ever became president."
    "Oh, but the man they ran against him!"
    "He wasn't much, was he? Kind of small and homely and he didn't shave too close or comb his hair very well."
    "What possessed the 'Outs' to run him? You just don't go running a little short man like that against a tall man. Besides ? he mumbled. Half the time I couldn't hear a word he said. And the words I did hear I didn't understand!"
    "Fat, too, and didn't dress to hide it. No wonder the landslide was for Winston Noble. Even their names helped. Compare Winston Noble to Hubert Hoag for ten seconds and you can almost figure the results."
    "Damn it!" cried Montag. "What do you know about Hoag and Noble?"
    "Why, they were right in that parlour wall, not six months ago. One was always picking his nose; it drove me wild."
    "Well, Mr. Montag," said Mrs. Phelps, "do you want us to vote for a man like that?"


    Wie die Faust auf's Auge. Übrigens bei dieser Debatte wurden die Podeste so installiert, dass Bush nicht kleiner wirkt als Kerry. Nur so am Rande...

    Doom - The Comic: Auf der Buchmesse noch mit Sascha Thau drüber geredet. Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Doom Comic hier schon verlinkt hatte, aber da mir Mike Sterling sogar die Arbeit abnimmt den Comic nochmal via Suchmaschine finden zu müssen. Hier, passend zu Doom 3, der offizielle Comic zu Doom. Mit Dialogperlen wie: "I'm cookin with gas coz I got a handful of vertebrae and a head full of mad.", "You are huge! That means you have huge guts! Rip and tear!" oder "Gah! Radioactive waste! Burns! Stinks!". Danach gerät der Protagonist sogar in eine philosophische Krise, warum er eine Welt retten soll, die sich mit ihrem Giftmüll selbst verdammt.

    Goldig.

    posted by Björn um 15:18 | Permalink


    13.10.2004

    Math Won't Miss You
    (Link-O-Rama)

    Uäch. Der Herbst ist da und ich bin auch gleich erkältet. Hooray for me. Während also ACE-Saft und Vitamin-C-Bomber der Erkältung den Kampf ansagen kann ich ja zumindest einen kleinen Spaziergang durch die Blogsphäre anregen:

  • Ich vermute zwar, dass diejenigen die es bis zum Blog schaffen auch den Rest der Website durchforsten, aber für alle die es noch nicht gemerkt haben, es gibt einen neuen Kri-Ticker. Natürlich sollte man alle Kritiken lesen, aber wenn man in Eile ist, dann sollte man sich zumindest den JLA-Verriss gönnen, den Marc-Oliver zum Besten gibt:

    "Daher, bevor jemand Geld in dieses Armutszeugnis investiert, mein Geheimtipp: In einem bequemen Sessel platznehmen, ein Loch ins Knie bohren, Käse reingefüllt und fröhlich darin rumgepopelt. Das ist nicht nur billiger und spannender als dieser Comic, es tut obendrein auch nicht so weh."

    Ich wünsche Menschen ja prinzipiell nichts Schlechtes, aber wenn Marc-Olivers Verrisse so amüsant bleiben, dann ist zu hoffen, dass er auch in Zukunft den ein oder anderen schlechten Comic zwischen den guten Ausgaben finden wi... oh, wir reden ja über den US-Markt der immer noch Byrne, Claremont und Chuck Austen unterstützt. Na also, ich wusste doch, dass das es dafür einen tieferen Grund geben muss.

  • Vertrauen Sie diesem Mann. Wenn Tom the Dog noch ein drittes Post über Film und Fernsehen hinlegt, dem ich nur zustimmendes Nicken hinzufügen kann, dann verweise ich in Zukunft einfach nur auf sein Blog wenn ich über einen Film oder eine Serie schreiben möchte. Heute: Warum Enterprise abstinkt und warum Farscape eine fünfte Season verdient hätte. So ziemlich allem was er beschreibt kann ich nur zustimmen. Bis auf die Sache mit der "Kreativität" oder den "guten Ideen". Selbst da stinkt Enterprise böse ab, in erster Linie restverwertet man nur Stories aus den ersten vier Star Trek-Serien, wobei man allerdings alle Charakter- oder Diskussionsszenen wegflext und durch hirnlose Action und selbstgerechtes Handeln ersetzt. Yeehaw. In gewisser Hinsicht ist Enterprise ein ziemlich gutes Beispiel für die Art wie man zur Zeit die amerikanische Außenpolitik und das amerikanische Selbstverständnis sehen kann. Wir machen viel falsch. Wir entschuldigen uns nicht. Im Zweifel lässt sich jedes Problem mit dem Phaser lösen. Aber... wir meinen es ja eigentlich nur gut. Und, kann jemand der seinen Bassett liebt ein schlechter Captain sein?

  • Nächste Woche legt Zombiegroßmeister George A. Romero sein Comicdebut bei DC vor. Newsarama hat ein kleines Interview und drei Previewseiten. Das dürfte ziemlich interessant werden, wie sich Romeros Zombiecomic gegen Robert Kirkmans The Walking Dead behauptet, dessen Angang an das Zombiesetting definitiv sehr stark von Romeros Living Dead-Trilogie geprägt ist und der in gewisser Hinsicht den besten Romerofilm seit Day of the Dead erzählt. Altmeister gegen Jungspund. Original gegen "Hommage". Platzieren Sie Ihre Wetten.

  • Joe Quesadas Interview auf Newsarama (garstige Analyse) wird hier von Matt Maxwell kommentiert. Matt geht mit Quesada sogar noch härter ins Gericht als ich das getan habe und kritisiert besonders wie Marvel in diesem Interview als kreativer Underdog präsentiert wird. David Welsh vergleicht Quesadas Antworten mit den Antworten von DCs Dan Didio im Interview und stellt erstaunt fest, dass Marvel und DC wirklich so unterschiedlich sind wie Tag und Nacht... zumindest wenn wir uns am Polarkreis befinden. Und Kevin Melrose geht das Interviews auseinanderpflücken inzwischen zu weit.

  • Manchmal ist es nicht einfach ein megalomanischer, menschenverachtender, osteuropäischer Despot zu sein. Die Arbeitszeiten sind beschissen, jede zweite Woche sprengen einem die Avengers oder die Fantastic Four den Palast kaputt und unter dem Metallpanzer juckt es an einer Stelle ganz schrecklich, aber den kann man ja in der Öffentlichkeit nicht einfach so ablegen. Und dann ist auch noch internationaler Macht-euch-über-Doctor-Doom-lustig-Tag. Den Anfang macht David Welsh, der den schwachbrüstigsten Plan aller Zeiten aus Avengers #25, der vier Avengers entführt um damit die Fantastic Four zu erschrecken. Muhahaha. Um das zu machen schreibt er an Scarlet Witch und Quicksilver einen Brief in dem er behauptet, dass er ihre bisher unbekannte Tante sei und sie mal kennenlernen wolle. Muhahaha. Ah, die Verschlagenheit. Nachmittags malt Doom dann große Zielscheiben auf die Straße, stellt kleine Futterschälchen mit "Free Birdseed"-Schildern auf und lässt darüber einen Flügel an einem leicht zu kappenden Seil anbringen. Muhahaha. Okay, das habe ich erfunden, aber das hat die selbe schurkische Qualität. Der gute Doctor scheint den Grundkurs Superschurkerei an der Looniversity bei Wile E. Coyote und Elmer Fudd belegt zu haben. Äh, anyway. Als er dann die vier Rächer hat ändert sich sein Plan und er behauptet, dass er diese vier gefangen habe um so die FF nach Latveria zu locken. Muhaha. Nur verbietet die US-Regierung es ihnen einzugreifen, weil Latveria eine befreundete Nation sei. Offenbar hat Doom wirklich gar nicht damit gerechnet, dass irgendjemand so dumm sein könnte auf seinen teuflischen Plan hereinzufallen.

    Diesen Faden nimmt John Jakala auf, der berichtet wie Doom und Daredevil ihre Körper tauschen. Anschließend finden viele amüsante romantische (naja, fast) Verwechslungen statt, zur allgemeinen Freude der Leserschaft. Oh, hey, und Daredevil in Dooms Körper erklärt mehreren Nationen den Krieg um Doom in Daredevils Körper vom Angriff auf die FF abzuhalten. Beeindruckt ist John vor allem davon, dass Doom zwar den Körper von Matt Murdock übernimmt, aber es versäumt zu bemerken, dass Murdock blind ist. Indem er seine Sicht einschränkt, so Dooms These, hat Daredevil alle anderen Sinne geschärft. Ipso facto macht sich Doom gar nicht erst die Mühe mal die Maske abzunehmen. Wile E. Coyote und Victor van Doom. Seperated at birth?

  • Das hier ist einfach zu gut. Six Degrees of Kevin Bacon oder wie komme ich in zwei Posts von der Frage "Mag Joe Casey den Brian Bendis nicht?" zu der Frage "Sind Republikaner heuchlerische Mistkerle oder Demokraten von Michael Moore ferngesteuerte Jammerlappen?" Das ist Diskussionskultur wie es sie im Internet leider immer seltener gibt. Fast wie in der richtigen Politik. Ganz große Kunst. Und wer hat gesagt, dass Marvel Comics nicht sehr politisch sein könnten?

  • Zuletzt, kein Comiclink, aber ein Stück ziemlich guter Journalismus. Warum das nächste große Massaker zwischen Ossetien und Inguschetien nur eine Frage der Zeit ist. Gerade nach dem terroristischen Anschlag auf die Schule in Beslan droht der Konflikt entgültig außer Kontrolle zu geraten. Das schlimmste ist, dass sich der Weg den man da gehen wird schon klar abzeichnet und trotzdem die Weltgemeinschaft nicht in der Lage ist zu helfen. Ein ziemlich interessanter Artikel, vorallem weil er sich weniger auf die politischen Rechtfertigungen als eher auf das Stimmungsbild der Bevölkerung konzentriert.

    posted by Björn um 01:29 | Permalink


  • 11.10.2004

    Hey, Joe!
    (Quesada im Interview)

    Bei den guten Menschen von Newsarama lässt sich zur Zeit ein sehr ausführliches Interview mit Marvels Chefredakteur Joe Quesada finden. Und einmal mehr muss ich erstaunt feststellen, dass viele der Fragen wirklich gut sind (egal ob man ihnen noch mehr Nachdruck hätte verleihen können oder ob Quesada manchmal ein bisschen sehr ausweicht). Was ich so bei einen Newsarama-Interview nicht vermutet hätte. Lob dafür. Leider sind viele der Antworten nicht ganz so zufriedenstellend. Also werde ich hier mal so frei sein und ein paar Anmerkungen und Gedanken zu dem Interview abgeben, die natürlich nur meine persönliche Meinung als Comicleser, ohne tieferen Einblick in die Geschäftspraktiken, wiederzuspiegeln. Eine Diskussion in unserem sehr feinen Cafè de Comments ist also sehr erwünscht.

    Und natürlich ist eines klar: Joe Quesada regiert über Marvelland, insofern ist er die letzte Person die hier etwas Negatives sagen kann. Wenn der Chefredakteur Marvel kritisiert, warum sollten dann noch jemand in Marvel investieren? Und wir alle wissen, dass 80% von Marvels Einnahmen aus dem Lizenzgeschäft kommen. Trotzdem sind einige Äußerungen... diskutabel.

    Paperbacks, Imprints, Erwachsen sein

    So wird Quesada gefragt, warum man nicht mehr "erwachsene, experimentelle Titel" veröffentlicht wie das zu Bill Jemas Zeiten mit Cage, The Truth oder X-Statix der Fall gewesen sei. Quesada antwortet:

    "Ich habe das Gefühl, dass wir die selbe Menge experimenteller Titel machen wie in den ersten paar Jahren. Der Unterschied ist das die Zeit voranschreitet und diese Dinge erscheinen weniger und weniger radikal und mehr wie das normale Rauschen."

    Er verweist dann darauf, dass man heute die Imprints Marvel Knights, das Ultimate-Universum, MAX, Marvel Age und ein kleines Imprint namens Icon habe. Dazu sei man groß im Paperbackgeschäft. Das stimmt teilweise. Eines der Probleme ist der schon erwähnte Unterschied zwischen "erwachsenen" Comics und "jugendlichen" Comics. Die Ultimate- und Knights-Titel, sowie MAX bedienen alle eher das jugendliche Element. Seien wir mal ehrlich, wenn The Wasp den unglaublichen Hulk stoppt, indem sie ihm ihre Brüste ins Gesicht hält, dann ist das doch schon sehr Malle-Party (O-Ton: "Zeig doch mal die Möpse, die wür'n uns interessier'n."). Aber, okay, in Amerika ist man etwas prüder. Trotzdem, im Grunde genommen macht man bei allen drei Imprints die Comics, die man immer schon gemacht hat... nur mit mehr Sex und Gewalt. Da spricht man wieder nur die Leser an, die die Charaktere schon aus dem regulären Universum kennen und bietet ihnen eine... ahem... "realitätsnähere" Umgebung. Mehr nicht. Das einzige Imprint, das nicht direkt auf das Kern-Marveluniversum zurückgreift, also sowas werden könnte wie DCs Vertigo, ist Icon. Aber: Icon wird von Marvel nicht konsequent verfolgt. Es geht hier nicht darum, ein Zuhause für unabhängigere Titel zu schaffen. Es geht hier darum, Autoren, die für Marvel schreiben ein kleines Schmankerl bieten zu können. Das hat man bei Bendis und Ellis gesehen und es wäre auch gut möglich, dass The Walking Dead und Invincible vom neuen Marvel-Allesschreiber Robert Kirkman da landen. Erprobte Titel, aber kein Konzept für eine Expansion.

    Insofern kann man sagen, dass Marvel weiterhin auf Konsolidierung und auf das gleiche Käufersegment setzt. Interessanterweise sieht Quesada das bei den Marvel Age-Titeln anders, dazu kommen wir gleich. Bleibt die Aussage, dass man groß im Paperbackbusiness wäre. Das dürfte eine leichte Übertreibung sein. Sehr zu loben ist, dass Marvel die Essential-Collections versucht, also schwarzweiße Paperbacks die gleich mehrere Jahrgänge alter Serien wie Avengers oder Spider-Man beinhalten. Schöne Sache, das. Aber auch wieder in erster Linie an Stammleser gerichtet. Wenn man sehen will, wie eine ordentliche Paperback-Backlist auszusehen hat, dann sollte man sich mal bei amazon.com anschauen, wie DC und Oni Press das machen. Paperbacks nicht als kleines Extra, sondern als gleichwertiger Ersatz. Nehmen wir wieder Vertigo... die Heftverkäufe sind hier meist mäßig, werden aber durch großen Paperbackabsatz ausgeglichen. Auch über einen langen Zeitraum hinweg. Der Unterschied ist natürlich, dass die Vertigo und Oni-Geschichten meist einen geschlossenen Handlungsbogen haben, und somit besser als Paperback geeignet sind, während - abgesehen von MAX - bei Marvel primär Endlosserien laufen. Und die sind numal eher heftadäquat. Trotzdem... wenn ich jetzt schon Probleme habe, Morrisons New X-Men-Paperbacks zu erwerben, dann klaffen da zwischen Anspruch und Realität noch riesige Lücken.

    The Living Dead

    Joe Quesada wird auch gefragt, wieso ausgerechnet Colossus bei den X-Men von den Toten zurückgeholt wird. Quesada habe diesen Fall doch immer als Beispiel benannt für einen Tod, den man nicht rückgängig machen würde, weil er storytechnisch sinnvoll gewesen sei:

    "Ich glaube der Begriff war bedeutender Tod. Ich habe aber auch gesagt, dass ein Autor der einen Charakter der einen bedeutenden Tod gestorben ist zurückbringen will schon mit der besten Story aller Zeiten aufkreuzen muss. [...] Zu allererst zwingt das unsere Künstler dazu nachzudenken bevor sie einfach einen Charakter killen und zweitens zwingt es sie sogar noch mehr darüber nachzudenken ob sie diese Charaktere zurückbringen wollen. [...] Außerdem, wegen der "Tot bleibt tot"-Politik sind Dinge wie die Rückkehr von Colossus, wenn sie richtig angepackt werden, unglaubliche Überraschungen. Etwas das der Comicwelt komplett fehlt.

    Aua. Ich komme mir vor wie in einem Riddlerrätsel aus der alten Batman-TV-Serie. Wann ist ein Toter nicht tot? Wenn der Tod bedeutend war. Ja, klar das ist Erbsenzählerei, weil ohnehin jedem klar ist, dass sich Marvel nie an die "Tot bleibt tot!"-Politik halten wird. Aber immer wieder darauf rumzureiten, das wird schnell öde. Vorallem in einem Sommer, in dem man einen Haufen irrelevanter Avengers plus Hawkeye tötet. Das kann doch niemand ernst nehmen. Hawkeye geht, Colossus kommt wieder. Man sollte die Leute gar nicht erst begraben sondern einfach nur ein "Currently Dead - Back in 5 Issues"-Schild am Spind anbringen und gut sein lassen. Überraschend ist es nicht, wenn Comicfiguren von den Toten zurückkehren. Nur wenn man ausgerechnet das Musterbeispiel für "Tot bleibt tot!" zurückholt, dann ist das schon eine Überraschung. Abgesehen davon sollte man die Politik entweder auf sich beruhen lassen, oder sie konsequent verfolgen. Dann hätte Avengers Dissasembled vielleicht auch ein wenig Signifikanz. Aber dieser Zickzackkurs ist ziemlich lasch.

    Der Status Quo

    Auf die Frage, wie Quesada sich gegenüber denen fühlt, die behaupten, dass der Umgang mit den Figuren in Disassembled oder in ASM #512 "respektlos" wäre antwortet Quesada:

    "Als Marvels Chefredakteur ist es meine Aufgabe die Fans auf dem Rand ihrer Sitze herumrutschen zu lassen, sicherzustellen, dass sie nicht wissen was als nächstes passiert, was sie als nächstes zu erwarten haben. Sicherstellen, dass das Marvel Universum eine aufregende und unvorhersehbare Welt ist [...]. Es ist nicht mein Job den Status Quo aufrecht zu erhalten, den Job kann jemand anders haben. [...] Denk an all die anderen großartigen Momente in Comics, denk an all die Wendepunkte, was haben die gemein? Einen radikalen Wandel im Status Quo."

    An dieser Stelle wäre es sicher gerechtfertigt zu fragen: Was genau ist der Status Quo? Ist der Status Quo schon radikal verändert, wenn Hawkeye sich die Radieschen von unten anguckt und Gwen Stacy mit dem Green Goblin schläft? Ach komm. Marvel erfüllt in der Comicwelt die Rolle von Mainstreamhollywood. Den Anschein von Wandel erwecken, aber den wirklichen, den zugrunde liegenden Status Quo nicht antasten. Comics sind Rückzugsraum für ängstliche, alte Männer. Comics sind eine Komfortzone die immer noch das bietet, was man seit Jahren kennt und die es auch in ein paar Jahren noch bieten wird. Und in der Welt in der wir leben, ist so eine Komfortzone sehr gefragt. Marvel erweckt aber nur den Anschein von Veränderung. Bestes Beispiel sind die oben genannten Titel. Wenn Marvel den Status Quo wirklich konstant verändern würde, hätte dann Disassembled diese Schockwirkung? Wenn Marvel nicht auf der Stelle treten würde könnte man dann eine fast 35 Jahre alte Geschichte als Schockmittel in der Gegenwart benutzen? Nein. Aber weil man seit 35 Jahren immer nur den selben Flecken Erde planiert, wirkt jeder kleine Wandel schon wie eine Revolution. Obwohl Marvel weiterhin keine Anstalten macht sich vorwärts zu bewegen. Auf kurz oder lang wird der Bruch in der Comicwelt zwischen den alten Publishern, die dem Status Quo huldigen, und den Upstarts, die auf einen Status Flux setzen, deutlicher werden. Insofern ist es ziemlich ironisch, dass Quesada später im Interview Hollywood dafür kritisiert, dass er bei vier aus fünf Filmen, die er schaut, das Gefühl hat, dass er sie schon kennt. Da ruft ein Esel den anderen Langohr.

    Und auch seine spätere Aussage, das wirklich zeitgemäße, neue Ideen sich nur während des Spekulatorenbooms halten konnten... Das gilt vielleicht innerhalb des Marvel-Universums, aber ich verweise nochmal auf Vertigo, Oni... sogar Fantagraphics. Wenn man "wirklich neue Ideen" versucht und ihnen eine Chance gibt, dann könnte das was werden. Wenn man neue Ideen allerdings immer ganz in die altbekannte "aber mit Superkräften"-Marvelbrühe eintauchen muss, damit nicht auffällt, dass sie neu sind, dann ist es kein Wunder, dass weder Leser die immer das Selbe, noch Leser die wirklich was Neues wollen Interesse zeigen. In Gefahr und schlimmster Not, bringt der Mittelweg den Tod... wie ein Filmtitel mal so schön sagte.

    Die Geheimtipps

    Quesada wird außerdem gefragt, wie er es sich erklären könne, dass Geheimtipps wie She-Hulk, Amazing Fantasy oder District X wie Blei in den Regalen lägen:

    "Ich wünschte mir, ich könnte das erklären. [...] Ich denke in vielerlei Hinsicht ist das Problem, dass die Fans zögerlich sind mit einem neuen Produkt zu experimentieren, besonders weil jeder ein begrenztes Budget hat, aber ganz ehrlich, ich weiss es wirklich nicht."

    Naja, Joe, eine Antwort könnte sein, dass hier das passiert, was man bei den Manga gerade kritisiert. Es kommen so viele raus, dass es schwer ist, das gute Zeug zu finden. Und um ganz ehrlich zu sein, Joe, wenn du wirklich nicht weißt wo eines der Probleme liegen könnte, dann frage ich mich doch, warum du Chefredakteur bist. Wenn in manchen Wochen sieben oder acht X-Titel rauskommen, von denen fünf oder sechs bestenfalls Mittelmaß sind und einer als Geheimtipp gilt, dann ist es doch kein Wunder, dass kaum jemand das Stehvermögen hat diese Perlen aus dem Dreck zu fischen. Wenn sie dann, wie She-Hulk, vielleicht noch ein anders Marktsegment ansprechen, dann macht es wenig Sinn sie nur bei Newsarama und im Wizard zu bewerben. Wenn ich also Titel habe, die wirkliches Potential haben oder sich zu Geheimtipps mausern, dann sorge ich dafür, dass sie nicht in einer Woche herauskommen, in der sie aus gegen vier oder sechs Toptitel aus dem eigenen Haus zu kämpfen haben. Erstens. Und zweitens, wenn sie ein anderes Marktsegment ansprechen könnten, dann sollte ich offensiv um dieses andere Marktsegment kämpfen und mich fragen, wo könnte ich sinnvoll werben um dieses Marktsegement anzusprechen? Sorry, Joe, aber wenn dir das nicht klar ist, dann solltest du doch hoffen, dass Scott McCloud mal Publishing Comics schreibt.

    Dazu passt auch diese Aussage: "Klar, wir könnten den ganzen Tag über Spidey und die Avengers reden, aber Marvel Age ist wirklich die wichtigste Neuigkeit des Jahres. Wichtiger als das Ultimate Universe, Avengers Disassembled, Indentity Crisis und Spider-Man Sins Past zusammen."

    Ach, ist dem so? Warum sehe ich dann überall Pressemitteilungen für Spidey und die Avengers? Warum gibt es ein Rieseninterview zu Disassembled und nicht zu Marvel Age? Warum verbringst du dreiviertel des Interviews damit, über all diese nicht so wichtigen Dinge zu reden und handelst die "wichtigste Neuigkeit des Jahres" in einem Satz ab? Jaja, die Fragen zielten nicht darauf ab, aber dass Mr. Quesada ein Interview lenken kann hat er oft genug gezeigt. Es stimmt, Marvel Age ist eine Chance. Ich persönlich bin nicht überzeugt davon, aber es ist immer noch besser als fast alles andere was Marvel in Petto hat um Neuleser(innen) zu gewinnen. Nur, wenn es so wichtig ist, dann muss man sich auch dafür einsetzen, dann muss man ein bisschen Verve zeigen und ein bisschen Risiko wagen. Wenn man den Markt mit Schockheften wie ASM #512 und Disassembled flutet, die von vornherein als sichere Kandidaten für ein ordentliches Tohuwabohu in der Comicpresse zu gelten haben, dann kann ich nicht jammern, dass keiner mehr Marvel Age wahrnimmt. Und das gilt auch, wenn die Kernleserschaft hier nicht im Direktmarkt sondern im Buchhandel gesucht wird, da müssen die Comics immerhin gegen Manga antreten deren Mund-zu-Mund-Propaganda weitaus größer und besser sein dürfte.

    Fazit

    Auch Quesadas Aussagen zu Variant-Covers (er mag sie nicht, aber die anderen hätten damit angefangen und soviele Variants habe man ja nun auch wieder nicht herausgegeben) und zu Astonishing X-Men geben nicht übermäßigen Anlass zur Hoffnung. "Wenn ich eine Ausgabe von Astonishing öffne und lese, dann habe ich das Gefühl als wenn ich die X-Men-Version von Watchmen lese." Watchmen? Wirklich, jetzt? Ja, echt? Ganz im Ernst? Einmal mehr: Ach, komm. Da habt ihr es also aus dem Munde von Joe Quesada persönlich gehört, bleibt alles beim Alten, ein bisschen so tun als wenn man die Dinge bewegt, aber eigentlich ist der Status Quo unantastbar. Zumindest auf eines kann man sich verlassen.

    Wenn Marvel nicht ein Herzstück des Markts wäre und man fürchten müsste, dass ein Einbruch der Marvel-Verkaufszahlen den letzten Resten des Direktmarkts, und damit auch einigen kleinen Pulbishern, das Genick brechen würde, dann könnten einem diese Aussagen ja egal sein. Aber Marvel ist leider noch ein Eckstein des US-Markts. Trotzdem, wenn sich der momentane Trend fortsetzt wird der Tag kommen, an dem Marvel die Wahl hat sich vorwärts zu bewegen oder zu Grunde zu gehen. Und auf den Tag freue ich mich persönlich schon. Und ganz fatalistisch... vielleicht ist es auch ganz egal. Der Direktmarkt ist eine Bauruine. Vielleicht muss er mit all den Altlasten eines unzeitgemäßen Vertriebsystems dran glauben, damit an seiner Stelle etwas gesundes, neues entstehen kann. Vielleicht sind die Altlasten wirklich zu groß um voranzukommen und vielleicht wäre ein kompletter Neuanfang jetzt besser als noch eine Dekade mit der selben, alten Scheiße. Vielleicht bin ich aber auch wirklich nur sehr fatalistisch heute...

    posted by Björn um 14:35 | Permalink


    09.10.2004

    Television is a Virus
    (TV is a Virus)

    Die älteren Leser werden sich daran erinnern, dass ich damals, vor dem Kartoffelkrieg, doch allen Ernstes behauptet hatte, dass Fernsehen nicht immer ein Virus wäre und das jeder 'The Shield' sehen sollte.

    Und da ja bekanntlich keine gute Tat ungesühnt bleibt werde ich auch gleich mal korrigiert. Steigt nicht mehr in die Serie ein, sie könnte euch gefallen... dann geht's euch wie mir und ihr ärgert euch, dass sie abgesetzt wird.

    Ich entschuldige mich hiermit offiziell bei dir, Fernsehen, und halte für die Nachwelt fest: du bist ein Virus. Auch wenn ich manchmal in einem Anfall von Verblendung das Gegenteil behaupte (hatte ich erwähnt, dass Das Büro beim selben Sender mit Witzen die aus Dilbert-Strips von 1993 und 7 Tage 7 Köpfe-Shows von 1743 geklaut waren eine zweite Staffel zur Prime Time erhalten hat? Das hätte mich stutzig machen sollen. Manchmal ist man aber auch vernagelt...)

    posted by Björn um 23:51 | Permalink


    08.10.2004

    Summer's Almost Gone
    (Link-O-Rama)

  • Die neue Ausgabe des Comicbook Journals ist draussen und das heißt, das man sich online den zweiten Teil von Dirk Deppeys Analyse über NuMarvel durchlesen kann. Für diejenigen, die an der wirtschaftlichen Seite der Comicwelt interessiert sind ein interessanter Bericht, aber das war bei Mr. Deppey ja nicht anders zu erwarten. Nicht vorenthalten möchte ich denjenigen, die das nicht so interessiert zumindest Dirk Deppeys Abschlussfazit. Hey, Kinder, ihr glaubt zu wissen was Fatalismus bedeutet? Dann dürftet ihr jetzt eure Skalen neu ausrichten:

    "Kreativ betrachtet ist es genauso schlimm -- Marvel arbeitet heftigst daran seine X-Men-Schiene wieder so dicht wie möglich an den Standard von 1993 zu bringen. Sie bringen jeden Charakter zurück der in den letzten fünf Jahren getötet wurde, sie bringen die Kostüme und die veralteten Tropen zurück und sie haben sogar Fabian Niceiza und Rob Liefeld wieder eingestellt um ihren X-Force-Titel neu zu starten. NuMarvel ist tot und Old Marvel ist aus der Asche emporgestiegen. Einem immer kleiner werdenden Publikum entgegenstehend hat sich Marvel entschieden denen zumindest noch ihr restliches Kleingeld abzugraben. Sich der Zukunft stellen müssend haben sie sich für die Vergangenheit entschieden - und den Weg den Marvel geht, geht auch der Rest des Direktmarkts. Gott stehe uns allen bei."

    Ich würde hier gerne die Geschichte hervorkramen von dem Jungen, der immer Wölfe gerufen hat... aber Dirk Deppey hat in der Vergangenheit ein gutes Gespür für den Markt gehabt und jeder, der auch nur mit einem halben Auge beobachtet hat, was der "Altbau der Ideen" (wie Marvel von jetzt ab genannt werden soll... 'The House Jack Built' scheint inzwischen unter Denkmalschutz zu stehen, weshalb sich keiner mehr traut gründlich zu renovieren) in letzter Zeit verbockt hat kann dem eigentlich nur zustimmen. Verdammt, Quesada, zeig uns schon, dass wir uns alle irren. Mehr wollen wir doch nicht.

    Ansonsten komplett online für diejenigen die immer noch nicht genug von der Dave Sim - Messiah or Misogynist -Debatte haben: Ein offener Brief an Dave der seine Argumentation in Tangents hinterfragt.


  • Argh! Fanboylogik. Post-Crisis hat diese Diskussion bei Newsarama entdeckt, die irgendwo zwischen "zu köstlich" und "darf eigentlich nicht wahr sein" rangiert. Der Initiator stößt eine Debatte an mit der Frage: "Ist Captain America ein Charakter der primär an den Glauben an die weiße, arische Dominanz appeliert und dessen Leserschaft aus nationalchauvinistischen Bigotten besteht?" [von mir paraphrasiert]

    Aber, haha, das war nur das Zuckerbrot mit dem er anlockt... dann holt er die Peitsch raus: "Gefällt eucht das nicht? Tja, so fühle ich mich immer wenn mich jemand beschuldigt, dass ich ein sexistischer Perverser wäre nur weil ich T&A-Comics mag." Also sind... äh... T&A-Comics das Analog zu rassistischer Hetze... oder... nein, moment... perverse Sexisten lesen Captain America... die Logik ist irritierend... ah, jetzt verstehe ich: T&A-Comics sind so amerikanisch wie der olle Captain. Dazu passt auch, dass er später noch die "Liberty of Speech" einbringt, werden doch täglich dutzende Künstler durch den Gruppendruck gezwungen zu verleugnen, dass sie T&A-Comics machen. Man siehe auch die schröckliche Zensur von Shanna - The She-Devil. Ja, das Schicksal als T&A-Künstler ist schon hart. Aber sie können helfen, kaufen Sie jetzt eine Ausgabe von Victory und geben sie einem kleinen Balent, Liefeld oder Silvestri wieder Hoffnung, dass Image wieder zu dem Wahrzeichen der freien Meinungsäußerung wird, das es mal war. Die Welt wird es ihnen danken...


  • Sofern Gwen Stacy nicht schon wiederbelebt wurde wird sie diese Woche in ihrem Grabe rotieren. Die Debatte über JMS' Entscheidung Gwen Stacy retroaktiv schwängern zu lassen hält unvermindert an. Zwei interessante Stimmen sind David Fiore und Scott Tipton. David auf Motime Like the President, der hier langfristige Psychologie am Werk sieht und vermutet, dass diejenigen die damals Zwölf waren und es Gwen Stacy nie verziehen haben, dass sie gestorben ist jetzt ihre Rache nehmen indem sie die "Reinheit" oder "Jungfräulichkeit", die den Mythos Gwen Stacy umgab zerstören. David wünscht sich zwar, dass man diesen Mythos der Reinheit beendet hätte, aber nicht indem man sie "ins Bett mit einem widerlichen, alten Psychopathen" schreibt und sie "'Ick!' schreien lässt" (Ick? Wie kann man denn "Ick!" schreien? Iek, ja, aber "Ick!"... versucht's mal, Kinder, das klingt spaßig... Icky-icky-ptang!... pardon, ich schweife ab). Das wäre eine ziemlich plumpe Masche nur um ein "Object of Desire" im Nachhinein schlecht zu machen.

    Das ist eine nette Theorie, aber irgendwie kommt sie mir seltsam vor... vielleicht bin ich zu naiv, aber in Davids Version wäre das dominante Segment der Spider-Man-Leserschaft früher in Gwen verschossen gewesen. Das würde bedeuten, dass sie mindestens 44 Jahre alt sind. Ist das nicht sogar für einen marvelschen Superhelden ein ziemlich hoher Altersschnitt?

    Scott Tipton, definitiv nicht 44, nutzt die Gelegenheit um einen offenen Brief an JMS zu schreiben. Seine Kernaussage ist eine die ich voll unterstütze und die das Beste ist was man tun kann wenn man mit dem Lauf der Dinge gar nicht zufrieden ist. Er wählt mit seiner Geldbörse und wird aufhören Spider-Man zu kaufen (so wie er schon bei der Clone Saga getan habe). Das ist eine verdammt vernünftige Entscheidung, besser als im Internet rumjammern, aber weiterhin alles zu kaufen, was an Spider-Heften auf den Markt geworfen wird. Für Scott macht ASM #512 die wichtigste Geschichte der Spider-Man-Historie, den Tod von Gewn Stacy, wertlos. Gwen Stacy würde vom unschuldigen Opfer, das starb weil Norman Osborn Peter Parker treffen wollte, zu einer heimtückischen Zicke, die stirbt weil Norman Osborn eifersüchtig auf Peter und voller Wut auf Gwen ist, weil sie ihn von ihren Kindern fernhalten wollte. Gwen würde vom Opfer zu einer Person die zumindest teilweise an ihrem eigenen Tod Schuld sei. Das Argument: "Ist doch nur Fiktion," will Scott nicht gelten lassen: Fiktion sei dazu da den Leser emotional einzubinden und JMS wisse das. Immerhin habe er das Tohuwabohu geplant. Sein Pech sei nur, dass dieser kleine Seitensprung fast schon harmlos wirke im "Comicsommer der Grausamkeiten", neben der Streich-Sie-Durch-Wenn-Sie-Sterben-Avengers-Liste und der Vergewaltigung von Sue Dibny. Wobei auch Scott sich entschuldigen will wenn das hier nicht der neue Status Quo ist, wenn JMS noch etwas aus dem Hut zieht und tatsächlich alle reingelegt hat.

    Zuletzt: Tims Comic-Remix zu diesem Thema. Mein Lieblingszitat: "She screwed around." - "Yeah, we all did. It was the 60s." Treffer, versenkt.


  • Hooray! Eine meiner Lieblingsseiten im Netz ging vor einiger Zeit runter, aber jetzt kommt zumindest ein Mirror wieder daher. Monty Python's Flying Circus in Australia. Transkripte zu jedem Sketch. Den Filmen. Audiofiles der Lieder. Die nie in den Filmen gezeigten Szenen (Martin Luther aus Sinn des Lebens und Otto und die Judäische Volksfront aus Das Leben des Brian). Da mögen die Herren Hilter und Ron Vibbentrop feststellen, dass Stalingrad "no, not much fun" war, aber diese Seite ist klasse. Jetzt fehlt nur noch die obligate Referenz auf den besten Superhelden aller Zeiten.


  • Und jetzt sowas wie Monty Pythons fliegender Zirkus nur auf Englisch:

    Mike Sterling of Progressive Ruin-fame has been kind enough to link to our humble little web-logbook. The least we can do is to defrock ye olde dictionary and thank this ragamuffin in his fine, native tongue. So pray, dear reader, have you visited his web-logbook already? If not, you may wish to leave this insipid wiseacre here alone now and move over to "Progressive Ruin", where Mr. Sterling presents to you a splendid mixture of tattle, chafes and cavils and where he surely will show his risibility (cogitate this). Thanks for linking, Mike.

    And Dorian also put us on his blogroll. That's great. Thank you. Everything I said about Mike's blog is equally correct for Dorian's blog, so what are you still doing here?


    Auf deutsch: Danke an Mike und Dorian dafür, dass sie unser Blog in ihren Blogrolls aufgenommen haben. Also, wäre nett wenn wir ihnen das mit ein bisschen Traffic zurückzahlen könnten (wobei es ohnehin lohnenswert ist diese zwei Blogs täglich zu verfolgen).


  • Wer sich noch nicht ganz sicher ist, ob die neue DC-Enzyklopädie etwas für ihn ist, Tim O'Neil hat hier ein ausführliches Review in dem er positiv überrascht ist., auch wenn er einige Kleinigkeiten wie das Auslassen von John Constantine, das unispirierte Alex Ross-Cover (aber es ist Alex Ross... alles was irgendwie 'wichtig', 'jubiläumisch', 'offiziell' oder 'kritisch' ist muss ein Alex Ross-Cover haben. Comicgesetz.) oder die mangelnden Erklärungen zur Hypertime kritisiert. Gibt es eine offizielle Erklärung wie die Hypertime funktioniert? Müsste die nicht in etwa so klingen: "Wir haben uns gedacht, machen wir doch das Chaos das wir in Crisis on Infinite Earths beseitigen wollten wieder möglich obwohl wir noch nicht einmal das Chaos, das wir in Crisis on Infinite Earths kreiert haben, beseitigt haben... öh... Mark Waid ist Schuld! Und nur der!"


  • Television is a Virus: Wobei, nicht immer. Ich hatte die Sendung schon einmal postiv erwähnt und möchte das nochmal mit Nachdruck bestätigen: The Shield (Pro Sieben, Mittwochs gegen 2315h) ist eine der, wenn nicht sogar die beste Serie, die momentan in Deutschland ausgestrahlt wird. Könnte etwas schwierig sein jetzt noch einzusteigen, aber den Versuch ist es wert. Packende Geschichten, großes und kleines Drama, handwerklich in der ersten Liga spielend und vorallem wirklich erstklassige Charaktere. Keine Guten, keine Bösen. Menschen. Hauptfigur Vic Macky ist dreiviertel einer Folge fürchterlich unsympathisch und dann auf einmal handelt er so, dass man ihn nicht einfach verurteilen kann. Das ist das Schöne an dieser Serie, dass die Charaktere durch die Bank weg komplex und interessant sind, keine Klischees, keine Schablonen. Man kann verstehen wieso die Charaktere so handeln wie sie handeln. Wow. Das ist Fernsehunterhaltung wie sie sein sollte und wie es sie immer noch viel zu selten gibt (und die Deutschland sowieso). Nochmals: Mittwoch, 23 Uhr 15, The Shield.

    Im letzten Television is a Virus hatte ich kritisiert wie ARD und ZDF sich beim Umgang mit den freundlichen Volksverhetzern von der NPD verhalten haben. Dieser Bericht von Report Mainz zeigt jetzt, dass es auch anders geht. Na also, ARD... du kannst ja wenn du nur willst. Eine der Fragen die am Wahlabend dem Herrn Apfel von der NPD gestellt wurde war: "Wann sagen sie ihren Wählern denn endlich, dass sie Neonazis sind?" Weil das ja nicht bekannt war und die NPD ja nie auch nur im Verdacht stand politisch vielleicht einen Tucken rechter zu sein als die SPD. Argh. Dazu hat der verlinkte Bericht sehr gute Zitate von NPD-Chef Udo Voigt:

    "Zweifellos handelt es sich bei Hitler um einen großen deutschen Staatsmann."

    "Was hier in Deutschland abgezogen wird, ist die planmäßige Vernichtung des deutschen Volkes."

    "Für uns ist das kein Holocaust-Gedenkmal, sondern wir bedanken uns dafür, dass man uns dort jetzt schon die Fundamente der neuen deutschen Reichskanzlei geschaffen hat."


    Für all diejenigen die also allen Ernstes behaupten, dass sie die NPD gewählt haben, aber ja nicht wussten, dass das Nazis sind, möchte ich ein Wort benutzen, das Politiker nicht benutzen können, weil das ja alles Protestwähler sind und alles sowieso nicht so gemeint war: Vollärsche! 'tschuldigung, aber da könnte ich wirklich kotzen, wenn diese Idiotie auch noch in Schutz genommen wird...

    Größtenteils ist Fernsehen aber immer noch ein Virus: George Foreman besuchte vorgestern Deutschland und bewarb beim Frollein Kuttner und beim Herrn Raab seinen Grillen-ohne-Fett-Grill. Wobei er die selben Sprüche anbringt, die selben Witze macht und beide Moderatoren gleichermaßen nicht beachtet. Gut, die Kuttner hat sich gefreut einen prominenten Gast zu haben, aber wenn selbst Stefan Raab dich als Promi aus den USA nicht ernst nimmt und es ihm gelingt das Werbespektakel als die Peinlichkeit darzustellen die es ist, ohne das du es bemerkst, dann weißt du, dass du ganz unten bist. Egal ob du nun gegen einen zwanzig Meter großen Metall-Joe-Frazier gekämpft hast oder nicht. They never come back. QED.


  • posted by Björn um 20:11 | Permalink


    Parental Advisory! Explicit Content
    ("Mature"-Readers)

    Nach all dem Lob, das sich in der ganzen Blogosphäre angehäuft hat habe ich mir jetzt die ersten beiden Paperbacks von Sleeper (namentlich Out in the Cold und All False Moves) zugelegt... und irgendwie bin ich unterwältigt. Man verstehe mich jetzt nicht falsch, die Serie ist nicht schlecht. Ich finde sie aber auch nicht wirklich toll. Dabei macht Ed Brubaker hier etwas, dass man loben sollte... er lässt Dinge passieren. Die Serie befindent sich in einem ständigen Wandel, Charaktere tauchen auf, sterben, die Welt von Sleeper ist am Ende einer Ausgabe nicht die selbe wie zu Beginn der Ausgabe, man weiß wirklich nicht was passieren wird. Das ist eigentlich toll. Eigentlich.

    Das Problem ist ein anderes. Ed Brubaker nennt die Serie "mature" also erwachsen... und da habe ich meine Probleme. Wie Brubaker selber Sleeper sieht hat er vor einiger Zeit mal hier dargelegt: "I want something that demands maturity on an intelligence level, not just because it has swearing and nudity. Well, I still want the swearing and nudity - I?m all over that, but that?s where I?m coming from."

    Ich stimme ihm zu, dass die Serie nicht dumm ist... mein Problem liegt in der anderen Sache. Dem Sex und dem Gefluche. Das ist leider nicht so 'mature' wie die Serie gerne sein dürfte. Das ist zumindest mein Eindruck. Die Beziehung die unser Protagonist in Sleeper mit einer Superschurkin aufbaut könnte noch zu einigen sehr interessanten Spannungen führen. Momentan führt sie aber in erster Linie zu ein paar Sex- und Nacktszenen die mir persönlich irgendwie gar nichts bieten. Ist ja schön, dass die beiden so ein ungestörte... okay, das ist schon ziemlich gestört, "wie" die beiden Charaktere zur Sache gehen... also anders, ist ja schön, dass sich beide ihrer Sexualität bewusst sind, aber irgendwann wirkt es ermüdend. Aus einem relativ simplen Grund. Wenn man Ed Brubaker fragen würde warum die beiden quasi immer nackt in der Gegend rumstehen wenn sie sich treffen, dann wäre die Antwort höchstwahrscheinlich aus dem Grundwortschatz für Superschurken: "Weil ich es kann. Muhahaha..."

    Er ist dabei natürlich nicht der einzige Autor der zu sowas neigt. Andere alte Bekannte sind Warren Ellis, Garth Ennis und Brian Michal Bendis. Fangen wir mit Warren Ellis an. Ich liebe Transmetropolitan. Mit Transmet hat mich Mr. Ellis in eine neue Comicwelt eingeführt die außerhalb des superheldischen Ereignishorizonts liegt. Ich mag die Art und Weise wie Ellis seine Geschichte über fünf Jahre strukturiert hat, wie er Ereignisse angedeutet hat, die erst ein oder zwei Jahre später relevant werden würden, wie Spider Jerusalem im ersten Heft dem Zöllner verspricht ihn nochmal zu sehen und er ihm im letzten Heft ordentlich die Nase verbeult. Transmetropolitan wirkt extrem koheränt, man merkt, dass Ellis immer wusste wo er hinwill und den Weg konsequent gegangen ist. Dazu kommt, dass die Stories Spaß machen und teilweise heikle Themen (Religion, Kinderprostitution, Politik) auf eine ziemlich geschickte Art anpacken und gute Ideen einbinden. Aber irgendwann gingen mir bestimmte Angewohnheiten von Mr. Ellis doch auf den Senkel. Die Dialoge... all diese extern anbringbaren Penisprothesen, die Nazisexzwerge, die Gespräche über die größe des Haufens den man jetzt erstmal machen wird, die Androhung nicht mehr in die amerikanische Flagge sondern in einen General zu masturbieren. Argh. Wenn nur Spider Jerusalem und seine Assistentinnen so gesprochen hätten, okay... aber jeder hat so geredet. Und bei genauerer Betrachtung, auch in den meisten anderen Ellis-Comics gibt es mindestens einen Charakter der diesen Ellis-Sprech hat.

    Wieso? Wieso eine gute Geschichte, die ein erstes Thema anpackt unterminieren mit diesem Rumgeprotze. Hey, Kinder, guckt mal was ich alles schreiben kann ohne dass man mich stoppt. Und jetzt alle im Chor: "Hitler's sex midgets." Wahrscheinlich würde es mich weniger stören wenn der olle Warren auf eines verzichtet hätte: Another Cold Morning (Transmetropolitan #8). Die für mich herausragendste Story die es in den vollen fünf Jahren Transmet gab (und jeder der sie nicht gelesen hat oder Transmet nicht mag sollte trotzdem mal schauen ob er das Heft nicht noch zwischen den Back Issues findet, es lohnt sich wirklich). Die Geschichte einer Frau die im späten 20. Jahrhundert in Kryostase versetzt und im späten 21. Jahrhundert wieder aufgetaut wird. Die ganze Ausgabe ist eine einzige, lange Kolumne in der er vom alten und neuen Leben dieser Frau spricht. In kurzen, präzisen Sätzen erschafft Ellis eine unheimliche Atmosphäre irgendwo zwischen Nostalgie und Melancholie, ohne dabei in den Kitsch abzurutschen (verstärkt wird die Wirkung durch Darick Robertsons wunderschöne Zeichnungen). All das ohne Gefluche, ohne juveniles Protzverhalten... und er war nie besser. Aber danach ließ sich in jeder Transmet-Geschichte, egal wie ernst das zugrundeliegende Thema war, immer wieder dazu verleiten doch zeigen zu müssen was er schreiben kann ohne gestoppt zu werden.

    Powers gefällt mir als Geschichte. Nett strukturiert, clever durchdacht, ein schönes zusätzliches Element zur Superheldenfolklore. Aber das ständige Gefluche ist ab der Mitte vom ersten Heft einfach nur affig. So spricht in der Realität niemand. So spricht nichtmal in Filmen jemand, außer vielleicht in South Park - The Movie, nur war das da nicht ganz ernst gemeint. Trotzdem trägt Bendis ganz dick auf, weshalb ich Powers eben nur ganz nett finde, aber wirklich begeistert bin ich nicht. Bei Garth Ennis fällt mir Fury als eines der traurigen Beispiele ein... da hätte man was draus machen können. Nick Fury, kalter Krieger der den Krieg nicht aufgeben kann, der nur zufrieden ist wenn er töten darf. Die letzte Seite der Miniserie ist wirklich klasse. Eine ziemlich böse Abrechnung mit dem Gut-Böse-Mythos der dem Marvel-Universum zugrunde liegt. Nur, um bis zu dieser Seite zu kommen muss man so einiges über sich ergehen lassen. Ein Präservativ - benutzt (wie das in Blues Brothers hieß), ein Charakter namens Arseface, eine zweieinhalbseitige Szene in der ein Kommandant seinen Truppen èn detail erzählt wie und wohin Arseface sie ficken wird, wenn sie ihm nicht gehorchen. Ja. Ne. Ah komm, lass stecken, Garth.

    Dabei bin ich ja nicht generell über diese Art von Amüsement erhaben, aber es gibt, wie wir alle aus den Filmen wissen, für alles die richtige Zeit und den richtigen Ort. Ennis Punisher ist so ein Fall. Auch hier: eine Orgie aus Gewalt und albernen Sexwitzchen. Nur, hier passt es. Punisher hat keine Ambitionen mehr zu sein, Ennis versucht hier nicht nebenbei noch eine 'ernste' Seite einzuflechten. Punisher ist auch in vierlei Hinsicht... hm... pubertär, aber das geht für mich in Ordnung, weil es offen und ehrlich geschieht, weil die Serie (die 12-teilige 'Welcome Back, Frank'-Miniserie) gar nicht versucht was anderes zu sein. Das selbe gilt für viele Ausgaben von Transmetropolitan in denen Warren Ellis einfach nur ein wenig albern sein will, ein wenig über die Stränge schlagen, seine Charaktere andere Charaktere mit dem "Stuhlbein der Wahrheit" vermöbeln lassen will. Kein Ding, wenn die Geschichte von vornherein als solche ausgespielt wird, dann bin ich vollends dafür. Bei Powers und Sleeper verschenkt man mir aber zuviel Potential mit dem Versuch soviel Sex, Gewalt und Obszönität wie möglich in die Story zu packen.

    Ed Brubaker und Greg Rucka scheinen gut miteinander zu können und oft werden Queen & Country und Sleeper in einem Satz genannt wenn man diskutiert, was der Markt der Zukunft für Chancen bietet, wie es endlich möglich ist Sex und Gewalt in einem erwachsenen Stil anzupacken. Dabei könnten Sleeper und Queen & Country nicht weiter voneinander entfernt sein in dieser Hinsicht. Rucka benutzt auch Sex und Gewalt, aber er schwelgt nicht darin. Er dosiert es, setzt es da ein, wo er glaubt das es wirkt und wo er glaubt, dass es einen Effekt haben könnte (etwa wenn Tara Chace im zweiten Arc einfach einen anonymen One-Night-Stand hat... der aber auch dazu dient die Isolation und Verletzlichkeit der eigentlich relativ toughen Agentin zu präsentieren). Bei Sleeper könnte Brubaker die Karte ähnlich ausspielen, immerhin Holden Carver hat durch seinen Auftrag seine Frau an einen anderen verloren und die Beziehung zu einer Superschurkin, die er eigentlich ausschalten sollte verwandelt sich auf beiden Seiten langsam in eine echte Liebe. Scheiße, daraus könnte man wirklich was machen. Nur wirkt es zu oft einfach nur wie die "Sex-Szene der Ausgabe", als wenn Brubaker in seinem Vertrag stehen hätte eine davon pro Heft zu zeigen. Vielleicht noch ein Beispiel für eine sinnvolle Sexszene lässt sich in der ersten Human Target-Miniserie finden, wenn Christopher Chance eine Prostituierte zum Sex mit auf sein Zimmer nimmt, versucht mit ihr zu schlafen, merkt, dass es nichts wird und sie dann bittet, es sich selbst zu besorgen. "I'd rather just watch." Nach ein paar Panels verzichtet Chance sogar auf's zuschauen. Diese Sexszene hilft Chance zu charakterisieren, ein Mann der immer nur jemand anders ist, der so sehr von seinem eigenen Selbst distanziert ist, dass er gar nicht in der Lage ist selbst zu handeln, selber aktiv an etwas teilzunehmen. Da liegt ein Unterschied im Angang an diese Szenen. Wäre Sleeper in erster Linie ein Comic der nur auf Action und Sex ausgelegt ist, okay her mit den Nacktszenen. Aber da wäre einfach mehr möglich...

    Ich kenne die Ursache dafür nicht, ich kann nur vermuten, aber ich schätze dass der Grund dafür, dass soviele -und ich benutze das hier mangels besserer Begriffe- Comics mit erwachsenen Themen sich dann doch in pubertären Verhaltensweisen verfangen stark mit der Comic Code Authority zu tun hat. Über Jahrzehnte hinweg wurden US-Mainstream-Comics künstlich auf einem kindlichen Niveau gehalten. Peter Parker mag zwar Gwen Stacy verloren haben, aber durfte nichtmal darüber fluchen. Batman musste sich den Behörden und der Obrigkeit unterordnen. Green Arrow durfte ein liberaler Hippie werden, aber Joints waren für ihn tabu (ja, ein Superheld würde ohnehin nicht kiffen und bla... aber hier geht es ums Prinzip). Superman hat Frau Lane über ein halbes Jahrhundert den Hof machen müssen ehe er endlich mit ihr ins Bett durfte. Dabei hatten Männer wie Jack Kirby oder Steve Ditko durchaus mehr Hintergrund und gerade bei diesen beiden kann man ahnen was für Comics sie heute machen würden, wenn sie die Chance dazu hätten und sich nicht künstlich zurückhalten müssten.

    Weil wir es können. Es ist ein wenig wie diese Mädchen von denen man in Geschichten immer wieder hört, die ihre Pubertät in einem katholischen Mädchenheim verbracht haben und dann, wenn sie da raus sind, ihre ganze angestaute Lust sich pubertär zu benehmen in einer großen Orgie aus Sex, Drogen und Alkohol ausleben. Ah, vergessen wir das Mädchenheim. Zwei Worte: Spring Break. Ein bisschen nachholen was man versäumt hat. Das geht in Ordnung, aber ich würde es sehr begrüßen wenn wir uns dann langsam klar werden, was wir wollen.

    Es ist genug Platz für erwachsene Geschichten und für Geschichten die einfach Spaß an Sex und Gewalt und Gefluche haben und gar nichts anderes wollen. Im Kino ist ja auch genug Raum für Scorsese und für Tarantino. Aber es wäre wünschenswert, wenn dieser Unterschied auch in den US-Mainstreamcomics etwas klarer würde und sich die Einsicht durchsetzen würde, dass man erwachsene Unterhaltung bieten kann ohne Sex und Gewalt gleich säckeweise ranzukarren. Entweder, oder. Beides ist fein. Aber es ist einfach schade, wenn eine potentiell ziemlich erwachsene Geschichte dadurch verhunzt wird, dass man darin noch "pubertäre" Restgelüste ausleben muss.

    (Der Autor entschuldigt sich bei allen pubertierenden, katholischen Schulmädchen... aber wenn selbst Babelfish die Pubertät als "rodent years" übersetzt, dann muss was dran sein. Wer bessere, präzisere Begriffe anstelle von 'erwachsen' und 'pubertär' hat, der nenne sie mir bitte, das würde diese Diskussion doch erleichtern.)

    posted by Björn um 13:17 | Permalink


    06.10.2004

    And the award goes to... comic love!
    (spx04 und die Ignatz-Awards)

    Ärgerlicherweise ist mir ein ausführlicherer Eintrag eben abgestürzt, deswegen gibt es jetzt nur die Kurzfassung.
    Letztes Wochenende fand zum zehnten Mal die Small Press Expo (kurz: spx) in der Nähe von Washington DC statt. Die spx dient in erster Linie als großes Familientreffen für Fans und Schöpfer von Indie-Comics. Und intim-familiär scheint die Atmosphäre dort tatsächlich zu sein, wenn man dem Bericht von Raina Telgemeier glauben darf. Zusammen essen gehen, zusammen zeichnen, miteinander plauschen, zum Beispiel auch mal über die Vor- und Nachteile von Autobio-Comics (yup, siehe zwei Einträge vorher, die Comicgater ganz am Puls der Zeit).
    Und wem Eisner und Harvey schon zu sell-out sind, bekommt mit dem Ignatz-Award auch den ultimativen Indie-Award. In der Nominiertenliste tummeln sich neben den üblichen Verdächtigen auch obskure und (noch) unbekannte Indieartists die es zu entdecken gilt, auch wenn das in Deutschland nicht gerade einfach ist. Und wenn mein magisches Dreieck (BlackDog-Amazon-Ebay) versagt, wirds schon eng und die Wahrscheinlichkeit, dass ich je einen Comic von (beispielsweise) John Hankiewicz lesen werde, rückt in weite Ferne.
    Aber immerhin, eine weit edlere Sehnsucht, als jene von irgendwelchen Variants oder doofen first printings zu schwärmträumen. In diesem Sinne:
    Fanboys, get indie!

    posted by cristian um 21:36 | Permalink


    Beschützet uns vor Schmutz und Schund!
    (Vorauseilende Selbstzensur)

    Beinahe wäre man demnächst an deutschen Kiosken in den Genuss eines interessanten Artikels aus der Feder von Art Spiegelman gekommen. Er hätte in der ersten Ausgabe von "Steinstraße 11", dem "Magazin für Kultur und Diverses" stehen sollen. Nur leider wird das nichts, denn der Artikel ist explizit bebildert und deshalb bleibt das Heft aus Jugendschutzgründen erstmal unter Verschluss.

    "Das Heft wird nicht an die deutschen Kioske kommen, denn dort findet sich auch ein Aufsatz des bekannten Jugendverderbers Art Spiegelman über die sogenannten "Tijuana-Bibles" aus den 1930er Jahren. Das waren illegale pornographische Parodien berühmter Comic strips und - so Spiegelman - einflußreiche Vorläufer der Undergroundcomics und der Zeitschrift "Mad". Dazu gibt es Abbildungen: Man sieht etwa kopulierende Mickymäuse und einen krakelig gezeichneten Cary Grant bei obszönen Verrenkungen mit frechen Sprechblasen. Das reichte den Anwälten der Grossisten für den Rat, auf eine Auslieferung zu verzichten. Höchstens unter dem Ladentisch, irgendwo bei den Hardcorepublikationen, würde man es dann finden können.
    Jetzt liegt die gesamte Auflage der "Steinstraße 11" in Lagerhallen herum, bis juristisch geklärt wird, welchen Schaden die deutsche Jugend durch siebzig Jahre alte Mickymäuse nehmen könnte."
    (aus der Kolumne "Die lieben Kollegen", Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 03.10.04)

    Für alle, die jetzt enttäuscht sind, hier der Comicgate-Exklusiv-Service (powered by Google): vermutlich handelt es sich bei dem Artikel um die deutsche Übersetzung des Vorworts, das Art Spiegelman 1997 für das Buch "Tijuana Bibles: Art and Wit in America's Forbidden Funnies, 1930s-1950s" geschrieben hat. Dieses kann man online im Archiv des Webmagazins salon.com nachlesen, allerdings ohne Abbildungen, weshalb ich hier auf das Parentale Advisorium verzichten kann.

    posted by Thomas um 15:02 | Permalink


    05.10.2004

    Making Enemies is Good
    (Manga, Superhelden, Indies)

    An verschiedenen Fronten im Internet machen Menschen gerade andere Menschen wütend.

    Dorian, lokaler Hassprediger der Blogosphäre, hasst schon wieder. Er hat schon Superheldencomics gehasst. Er hat Independent Comics gehasst. Und heute hasst er Manga. Eigentlich nicht einmal Manga an sich, der Kahlschlag im Titel dient wohl eher dem Blickfang, sondern einen Teil der Mangakundschaft. Die, die Manga als ultimative Kunstform, als die beste Erfindung seit Brot in Scheiben preisen. Die, die sich lauthals aufregen, dass die Essenz der Geschichte verloren geht, wenn man das Suffix "-san" zur Anrede "Mr." mutieren lässt. Die, die immer den japanischen Titel statt den amerikanischen Titel verwenden, wenn sie ihn nach einem Manga fragen. Diejenigen, die zwar das breite Themenspektrum von Manga loben, aber dann doch nur Schulmädchen-Unterwäsche-Manga kaufen. Und er betont, dass die Verlage an der... naja, nicht Stagnation, aber am langsameren Anwachsen des Manga-Marktes selber Schuld seien, weil unter den immer mehr Manga, die jeden Monat auf den Markt kommen, natürlich auch immer mehr Lesegurken zu finden seien. Oh, und er betont, dass das Manga-Publikum und US-Comic-Publikum nicht zusammenpassen und man darum aufhören soll, so zu tun, als wenn Manga entweder der Tod des amerikanischen Imperiums oder der Messias seien ("Ich sage, du bist es, Herr. Und ich muß es wissen, denn ich bin schon einigen gefolgt").

    Fassen wir zusammen: Dorian betont a.) dass es Manga-Fanboys gibt, die einen tierisch nerven können, b.) dass Sturgeon's Law (Neunzig Prozent von allem ist Mist!) auch für Manga gilt und c.) dass Manga nicht der US-Markt sind. Das sind Feststellungen, die eigentlich niemanden überraschen sollten, weil sie ziemlich offensichtlich sind. Trotzdem ist es empfehlenswert, sich das Ganze in Dorians Worten durchzulesen, weil es sehr amüsant und angefressen geschrieben ist. Im Grunde genommen macht Dorian hier also simple Anmerkungen, auf die man leicht kommen kann, wenn man nicht ganz vernagelt ist (und ich möchte das Post damit keinesfalls abwerten). Trotzdem dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis sich die ersten auf den Fuß getreten fühlen... indeed, eine Person merkt in den Comments bereits an, dass man das nicht so generalisieren darf. Zu sagen "Ich mag Manga nicht, weil ich den Kinderkram nicht mag" ginge doch nicht, weil da doch auch viel gutes Zeug sei. Ah, manchmal sind Reaktionen so berechenbar. Überrascht bin ich aber auch von der Reaktion von Legomancer, laut dem jeder, der nicht jeden und wirklich jeden einzelnen Manga liebt, in der Vergangenheit als zurückgebliebener X-Fan dargestellt wurde. Ist dem so? Ach .com, gut gezz. Das stimmt doch so nicht. Jeder der nicht jeden und wirklich jeden einzelnen Comic von Grant Morrison und Alan Moore liebt, ist ein zurückgebliebener X-Fan. Aber Manga kritisieren, hey... Feuer frei!

    Dann ist da James Lucas Jones von Oni Press, der auf Newsarama betont, dass Oni stärker auf den "echten" Mainstream setzen würde. Ich mag den Term 'echter' Mainstream nicht so sehr, aber wenn man unbedingt ein Label braucht, na schön. Wahrscheinlich ist es immer noch besser als die momentane Bezeichnung, die ich ja auch zu oft verwende, 'Non-Superhero'... solange der Term existiert, sind Superhelden die Mainstream-Comics. Und so sehr ich auch gute Superheldengeschichten mag (okay, ich mag gute Geschichten... egal welches Genre), der Superheldenmarkt besteht zu einem Großteil aus Tieren die sich selber in eine evolutionäre Sackgasse entwickelt haben, die eine kleine ökologische Nische überbevölkern (*hust-hust*X-Books*hust-hust*), oder Dinosaurier, die nur auf den Asteroiden warten (um nochmal Dorian zu zitieren, der hier Mike Sterling zitiert: "Die Comicindustrie, wie sie heute existiert, ist der letzte, erbärmliche Atemzug einer Modeerscheinung, die vor 70 Jahren begonnen hat"... damit endet auch die Evolutions-Analogie, danke für Ihre Geduld). Insofern stehe ich zu jedem Publisher, der versucht, andere Genres wie Spionage (Queen & Country), Romanzen (F-Stop) oder Horrordrama (Ojo) zu veröffentlichen.

    Auch hier wird Sturgeon's Law gelten, aber wenn die 10%, die kein Mist sind, helfen, das Leserspektrum zu erweitern (oder mir gefallen)... hey, count me in. Trotzdem fühlen sich auch hier Leser ganz gehörig auf die Füße getreten. Aber nicht bei Newsarama, sondern *keuch* in den Comments bei Fanboy Rampage. Da fragt dann Bill, warum es überhaupt darum geht, mehr Leser anzusprechen. Immerhin: er ist ein Misanthrop und hasst Menschen. Warum nimmt denn keiner Rücksicht auf Bill? Auch das Argument, dass dem Markt das Geld helfe könne, zählt nicht. Der Comicmarkt hat überlebt, als man aktiv versuchte ihn zu plätten, dann wird er jetzt - mit all der Kohle aus den Filmen - auch überleben (und wir haben doch alle die Schnauze voll von all diesen Oni-Filmen, die da noch auf uns zukommen). Er schließt dann mit dieser Frage:

    "What IS the benefit of building the comic book audience? So we don't feel embarrased when we read them? So people don't make fun of us? So we can be 1.0 fans and say 'I read them back when they weren't cool.'"

    Yep, darum geht's. Comics uncool machen. Auch RandomJackass mag Leute nicht, und darum ist es ihm auch egal, wer Comics liest. Andere Kommentatoren beschweren sich, dass man den Lesern die Schuld gibt (sollte man nicht tun, stimmt... tut Jones aber auch gar nicht. Er betont nur, dass er andere Leser ansprechen will, nicht dass die jetzigen Leser ins Exil nach Genosha geschickt werden sollten). Aber scheinbar hat Mr. Jones da einen Nerv getroffen, sonst würde man sich nicht so bedroht fühlen, oder? Als wenn Jones gefordert hätte, alle bisherigen Comics zu verbrennen. Halblang...

    Zuletzt: John Parker verscheißt es sich mit der Indie-Szene. Er stellt fest, dass die Comics, die als 'großartig' gehandelt werden (namentlich Blankets, Ghost World, Our Cancer Year, Summer Blonde und Avengers: Disassembled (just kiddin')), zwar gut seien, aber eben nicht 'großartig'. Dieses autobiographische Gejammer sei für die Indie-Szene das, was Superhelden für den Rest der Comicwelt sein. Wieder und wieder und wieder dasselbe. Das Unfaire sei halt, dass darum großartige Comics, die den Platz im Rampenlicht verdienen, diesen nicht bekommen... Bücher wie... wie... ARGH! Er nennt nicht einen Comic, der für ihn 'großartig' ist, sondern fährt fort, über Tales from the Crypt zu schreiben. Argh! Hey, es ist fein, dass er diese Jammerbiographien nicht mag und betont, dass einige Comics überbewertet sind. Das ist seine Meinung, und damit habe ich kein Problem. Aber, wenn ich betone, dass deshalb viele großartige Bücher ignoriert werden, sollte ich dann nicht zumindest eines von denen nennen? Nur so als Idee...

    posted by Björn um 13:51 | Permalink


    04.10.2004

    Imitation of Life
    (Chuck Palahniuk wusste es)

    Es gibt in Fight Club die Szene, in der unser namenloser Erzähler am Flughafen sein Gepäck verliert, nachdem es ausgesondert wurde. Dabei erfährt er, dass sich Thrower (Gepäckarbeiter) keine Sorgen machen wenn Gepäck tickt, weil moderne Bomben nicht ticken sondern vibrieren. Zitat: "In neun von zehn Fällen ist es ein Rasierer, aber... hin und wieder ist es ein Dildo. Die Firma verbietet natürlich Besitz zu unterstellen, wenn es ein Dildo ist. Wir verwenden dann den unbestimmten Artikel "ein Dildo". Niemals "ihr Dildo.""

    Okay, ich hatte gedacht, dass wäre ein kleiner Scherz um das Wort Dildo im Film unterzubringen und noch eine etwas abstruse Szene zeigen zu können, aber offenbar entspricht das der Realität. Bei Spiegel Online, Deutschlands seriösester Boulevardzeitschrift, ließ sich heute dieser Artikel finden. Okay, der Vibrator befand sich in einem Mülleimer, nicht in einem Koffer, aber ansonsten passt das. Sogar die Sache mit dem Besitzer:

    "[K]urz bevor die Sicherheitsbeamten das Bombenräumkommando alarmierten, gab sich ein Fluggast als Besitzer des erotischen Spielzeugs zu erkennen. Über die Identität des Passagiers wurde nichts bekannt - vermutlich, um ihm Peinlichkeiten zu ersparen."

    Dinge gibt's...

    posted by Björn um 20:12 | Permalink


    02.10.2004

    Kieslowski, Kundera und die kostümierten Heroen

    (Brian Michael Bendis lässt sich von Kieslowski inspirieren)

    Einmal am Tag Brian Bendis bei Google eintippen, fertig ist der Newsblog-Eintrag. Well, sort of. Eines muss man dem Mann ja lassen, er weiß auf sich aufmerksam zu machen. Nicht selten auch berechtigterweise, nämlich wenn er mal wieder eine gewagte neue Idee hat und den Drang sie auszuplaudern. In einem Interview mit Fanboy Planet erfahren wir von seinen Plänen mit Daredevil. Nach der eben gestarteten Erzählung, die sich der Golden Age des Charakters widmet, hat er sich nämlich etwas ganz großes vorgenommen. Mit ganz groß meine ich dann auch göttliche, biblische Ausmaße: die 10 Gebote! Inspiriert von Kieslowskis "Dekalog"-Reihe gilt als übergeordneter Geschichtsbogen eine Nacherzählung von Matt Murdocks erstem Jahr als Kingpin.

    Der polnische Regisseur Krzysztof Kieslowski, bekannt vor allem durch seine "Drei Farben"-Trilogie, inszenierte in den Achtzigern zehn Kurzfilme, die Filmgeschichte schrieben. Jede Folge (a 55 Minuten) beschäftigte sich mit einem der Zehn Gebote und Menschen, die sich mit ihnen im Konflikt befanden. Es handelt sich um zeitgemäße, existenzialische Auseinandersetzungen mit den biblischen Urgesetzen. Kieslowski geht der Frage nach, inwieweit die aus Religion und Gottesfurcht gespeisten Leitsätze in einer entsakralisierten Welt noch Bestand haben und wie deren Übersetzung in der Moderne aussähen.

    Vor allem die preisgekrönten (und zu Langfilmen ausgebauten) "Ein kurzer Film über das Töten (Dekalog 5)" und "Ein kurzer Film über die Liebe (Dekalog 6)" fanden über die Grenzen Polens hinweg ihr Publikum und ebneten Kieslowskis internationaler Karriere den Weg. Über die Qualitäten der "Dekalog"-Reihe zu schreiben, maße ich mir gar nicht erst an. Aber als persönliche Note möchte ich vermerken, dass sie einer der Gründe war, weswegen ich später mein Filmstudium begann.

    Umso überraschter war ich zu erfahren, dass ein Autor von Superheldengeschichten sich auf seine Verehrung für Kieslowski und dessen Interpretation der zehn Gebote für seinen neuen Daredevil-Arc beruft.

    Merkwürdigerweise fand ich das zunächst auch gar nicht mal so abwegig, bedenkt man den katholischen Background der Figur und die vielen Daredevil-Geschichten von Miller, Nocenti und Bendis selbst, die sich abseits des kostümierten Heroenzirkus ernsthafter Fragen von Identität, Gesellschaft und Moral annahmen.

    Aber dann: "We'll do two or three stories per issue, but some stories may be one whole issue." Sieben Seiten darüber was es bedeutet Jemanden zu töten? Zwölf darüber weswegen das Begehren der Frau des Nächsten ins Verderben führt? Sonderangebot: drei Gebote in einem Heft? Und weshalb? Damit die sechs Ausgaben das perfekte Paperback ergeben?

    Auch wenn ich auf das Ergebnis gespannt bin (can`t help this one), hat das ganze einen faden Beigeschmack. Wenn man sich schon mit Federn der "Hochkultur" schmückt, sollte man auch couragiert genug sein und so einem "Herzensprojekt" die nötigen Ressourcen zugestehen. Bendis ist Marvels Allesdürfer. Wenn einem gewährt wird, einen Superhelden zwei Jahre lang auf die Suche nach der jüdisch-christlichen Identität unserer Gesellschaft loszuschicken, dann ihm. Und wenn so was nicht als Anlass genommen wird, das enge Veröffentlichungskorsett Marvels (und dabei noch das des Genres an sich) aufzubrechen, was dann?

    In einer besseren Welt (z.B. der von Vertigo) hätte es DAS Ereignis 2005(-2006) werden können.

    Ach ja, a propos DC. Das Outing geht weiter mit Mark Millar. In einem Interview zu The Authority: Revolution philosophiert er über die Wichtigkeit von Redundanz in (Superhelden)Geschichten, prototypische Grundstrukturen und die Überbewertung von Originalität beim Schreiben. Nicht genug damit, wird auch noch Milan Kundera zitiert, was dem Interviewer dann schließlich zu viel wird: "Okay professor, let's leave the theory behind for now, and get into some specifics. The first issue - the Authority is still in charge, right??"

    Ehm, right.


    posted by cristian um 02:10 | Permalink


    I Know What Gwen Stacy Did Last Summer
    (Spider-Man #512)

    Um es vorweg zu nehmen. Hier wird es Spoiler geben. Aber sowas von. Richtig, dicke Spoiler. Spoiiiiileeeer! Und wer es bis hierhin noch nicht verstanden hat, der ist selber Schuld.

    Da Brian Hibbs Rechner den Weg alles Irdischen gegangen ist (und jetzt friedlich vereint sein dürfte mit dem guten, alten Rechner meiner Heimatstätte der auch endgültig zerschossen ist) übernimmt vorerst Jeff Lester für ihn und er fabriziert auch gleich mal verflixt interessantes Post zu Spider-Man #512.

    Was lässt diese Ausgabe nun über die 511 vorherigen Ausgaben aufsteigen? Hier der grobe Rundown: Gwen Stacy, Spider-Mans erste Freundin (die alle paar Jahre mal wieder zurückkehrt in Form eines Klons, Traums, Roboters, Doppelgängers und was Marvel noch so im Giftschrank für sinnlose "She's back"-Situationen hat... oh, hey. David Fiore hat vor ein paar Tagen dieses wunderbare Cover in seinem Blog verlinkt, dass alles zusammenfasst was es da zu wissen gibt), hat ihre Jungfräulichkeit verloren an... Norman Osborn, den Green Goblin. Und zwei wundervolle, wundervolle Kinder bekommen. Die viel schneller altern als gewöhnliche Kinder, wegen dem guten Osborn-Blut und die jetzt Peter Parker umbringen wollen.

    Lester gesteht, dass er bei diesem Review nicht neutral bleiben kann und er legt sehr emotional dar, warum er Probleme mit dieser Geschichte hat:

    I think it's wrong because if we don't allow the characters and the ideas to have some sort of basic integrity, everything falls apart. Because, let's face it: It's Spider-Man. It is not suspension of disbelief that holds this enterprise together. It is an emotional investment on the part of the reader with certain core ideas and characters. And while some may maintain the only core character is the title character and the only idea is that he's a hero, I think I disagree. After all, Spider-Man is always going to be Spider-Man--the guys who put him on bed sheets and super soakers and Saturday morning TV guarantee that. It's what the other characters do that actually matter, if for no other reason than what they mean to him that make him who he is as an actual literary character, and if those characters are utterly malleable to the whims of any and every journeyman that comes along, then he too is utterly malleable, even if you don't touch him.

    Der zynischere Teil von mir denkt sich, dass Marvel hier versucht noch ein Stück vom Identity Crisis-Kuchen abzubekommen, nachdem dass mit Avengers: Disassembled nicht so ganz funktioniert hat. Aber, da das Skript schon längst fertig gewesen sein muss, als IC erschienen ist, kann das nicht sein.

    Normalerweise hasse ich diese Betonköpfigkeit, dieses "nur nie was verändern" in Superheldencomics. Das hat mir die Dinger sehr stark verleidet, man kann halt nichts ernst nehmen weil nie was passiert. Die claremontschen X-Men als das schlimmste Negativbeispiel, die Art wie man jetzt schon beginnt die neuen Dinge die Morrison in New X-Men geschaffen hat wieder auszumerzen. Oooh... Bendis lässt in Avengers Hawkeye sterben? Und er ist mindestens so tot wie Tante May, Phoenix, Colossus, Norman Osborn, Gwen Stacy? Na klasse, das nehme ich ja soooo ernst. Tchk.

    Insofern ist es vielleicht ein wenig dreist wenn ich hier jetzt wieder gegen Veränderung bin, aber ich stimme Mr. Lester zu. Das hier ist falsch. Es fühlt sich falsch an und es ist Veränderung in die falsche Richtung. Zuerst: J. Michael Straczynksi hat noch Zeit das ganze umzubiegen und klar zu stellen, dass die Kinder nie von Gwen Stacy waren, sie nie mit Norm geschlafen hat, das alles nur ein Traum war (auch hier hat Marvel einen ganzen Giftschrank). Und es wäre besser das zu tun. Der Unterschied zwischen dieser Veränderung und der oben erwähnten? Man ändert in die falsche Richtung: ja, diese Kinder hätten Auswirkungen auf Spider-Mans Zukunft, aber es verändert einen Großteil seiner Vergangenheit. Es ist der Versuch eine Story aus den Sechzigern und Siebziegern etwas mehr an die zynische Gegenwart anzupassen. Niemand ist so gut wie es Gwen Stacy damals war... aber das ist der Preis den man bezahlt wenn man Serien über Jahrzehnte laufen lässt.

    Man schießt sich mit solchen Veränderungen gleich mehrfach in den eigenen Fuß: das geht schon mit den Logiklöchern los die Mr. Lester sehr nett attestiert. Dazu erinnert man die Leserschaft aber auch wieder an die Probleme zwischen der realen Zeit und der Marvel-Zeit. Das passt hinten und vorne nicht zusammen und es ist besser das einfach zu verschweigen, anstatt nochmal darauf hinzuweisen. Gwen Stacy lebte definitiv in den Sechzigern und trotzdem ist Peter Parker heute erst... was? Späte Zwanzig? Frühe Dreißig? Das ist einer dieser Fälle von 800-Pfund Gorilla der während einer Dinner-Party mitten im Raum sitzt. Jeder versucht ihn zu ignorieren, jeder versucht über was anderes zu reden, zu letzt muss man ihn wahrnehmen... aber nicht indem man quasi mit dem Bauzaun winkt. Das ganze hat für mich ein wenig den Geruch von Maximum Clonage, auch da war es der Glaube an die Allheilkraft des Retconnens (kann man das so eindeutschen?) der für Marvel zu einem richtigen Schiffbruch geführt hat. Das positive ist: das ganze war am Ende so gründlich schief gegangen, dass man sich dazu entschied alle Figuren die irgendwie mit dem Klon-Debakel in Verbindung standen sterben zu lassen und die Clone-Saga dann einfach nie, nie, nie, nie, nie, nie, nie wieder zu erwähnen. Come to think about it, welche Clone-Saga eigentlich?

    Als man Tante May sterben ließ änderte man die Dinge von jetzt an in die Zukunft. Wenn man aber Gwen Stacy jetzt Kinder von Norm Osborn haben lässt, dann ändert man die Dinge von damals an und damit beeinflusst man auch alles, was seitdem erschienen ist. Das ist ein Problem und das sollte man einfach vermeiden. Es verkompliziert die Dinge. Vorallem: wer braucht es wirklich? Nutzt es der Story so sehr? Wieviele der Leser haben denn Gwen Stacy überhaupt noch kennen gelernt? Greift man da nicht zu den verschwurbelten Backstories die man eigentlich in Ruhe lassen wollte, weil sie ohnehin in erster Linie Langzeitleser ansprechen und Neuleser verschrecken?

    Für Veränderungen die von jetzt an gelten bin ich immer noch zu haben, aber dieses ständige umstrukturieren von Hintergrundgeschichten ist einfach nur ermüdend. Vorallem ist es ein Fass ohne Boden. Gut möglich, dass in zehn oder zwanzig Jahren jemand diese Version liest und sich denkt: "Oh Mann, das ist ja so langweilig... sooo 2004. Das müssen wir ändern um es zeitgemäß wirken zu lassen." Insgesamt mehr Probleme als so ein kleiner PR-Stunt wert sein kann, dann wiederum ist es nicht so, dass Marvel sich nicht gerne mal in die Nesseln setzt für ein bisschen Aufmerksamkeit.

    Ist also schwer zu hoffen, dass dieser PR-Stunt nächsten Monat mit einem: "Ällabätsch, reingelegt," endet. Sollte das nicht klappen und die Storyline wirklich so schief laufen wie es zu befürchten steht, dann muss man das halt nachträglich aus den Heften rausschreiben. Ein bisschen Retcon, ein bisschen Frieden. John Byrne, start your engines...

    posted by Björn um 01:41 | Permalink