The Spirit


USA 2008, Regie: Frank Miller, Hauptdarsteller: Gabriel Macht (The Spirit / Denny Colt), Samuel L. Jackson (The Octopus), Eva Mendes (Sand Saref), Scarlett Johansson (Silken Floss), Jaime King (Lorelei Rox)






Freispruch für Frank Miller

Im Fall „Frank Miller´s The Spirit“ spreche ich Frank Miller hiermit vom Vorwurf der Vergewaltigung frei.
Dies bedeutet zwar nicht, dass er sich bei der Verfilmung von Will Eisners legendärer Comicserie keiner anderen Vergehen schuldig gemacht hätte, jedoch gebietet die Schwere des Hauptanklagepunktes, Vorwurf und Urteil zu erläutern.

Als vor circa drei Jahren bekannt wurde, dass es nun Comic-Ikone Frank Miller sein soll, der den Spirit in Doppelfunktion als Drehbuchautor und Regisseur verfilmt, erschien das zunächst als gute Idee, ja geradezu folgerichtig. Doch schon bald ließen erste Berichte und vor allem Fotos vom Set Schlimmstes befürchten: Die gesamte Produktion wurde mit Green-Screen-Technik und CGI-Programmen abgedreht. Diese Tatsache allein ist zwar nicht mit einer Katastrophe gleichzusetzen und die Filme Sin City und 300 haben bereits gezeigt, dass dabei durchaus gelungene Unterhaltung entstehen kann, gleichzeitig aber auch bewiesen, dass diese Herangehensweise - zumindest wenn Frank Miller mit im Spiel ist, und die beiden Filme basieren nun mal auf seinen Werken - an einen spezifischen Look gebunden ist.

Will Eisners Spirit zeichnet sich ebenfalls durch einen ganz eigenen Look aus. Der sieht allerdings nicht so aus, wie der von Sin City. Wie Sin City sahen dafür die ersten Bilder aus, die Produktionsfirma Sony von Frank Miller´s The Spirit veröffentlichte. Sofort ertönte mein Vorwurf: „Frank Miller vergewaltigt meinen Spirit!“

Mein Spirit? Nun, der Spirit, den ich gelesen, kennen und lieben gelernt habe. Ein Spirit, der in blauem (nicht schwarzem!) Anzug, in einer oft verregneten (nicht verschneiten!) Stadt farbenfroh (und nicht schwarz-weiß!) allerhand Ganoven (und nicht einem Superschurken!) nachjagt und dabei immer wieder unter Techtelmechteln mit diversen Femmes fatales (und nicht lustig dekorierter Hollywoodsternchen) zu leiden hat. Was vorab von der Verfilmung veröffentlicht wurde, überließ mich der Angst, dass außer den Namen der Figuren und Spirits Domino-Maske nebst roter Krawatte nichts von Will Eisners Geschichten übrig bleiben würde. Stattdessen nur eine Auswahl aktueller Hollywoodschönheiten in völlig übertriebenen Kostümen, neben einem ebenfalls grauenhaft ausstaffierten Samuel L. Jackson als Bösewicht und einem bis dato beinahe völlig Unbekannten in der Hauptrolle, dessen Aussehen mir in Bezug auf den Spirit schon beim ersten Ansehen gleich mal dreifach nicht gefiel.

Nun muss eine Comicverfilmung natürlich nicht 100 %ig der Vorlage entsprechen, kann dies auch gar nicht, und man mag mich ob der Forderung nach einer möglichst originalgetreuen Umsetzung in die Nerd-Ecke stellen. Aber ich darf daran erinnern, dass es vor allem Miller selbst war, der sich schützend vor das Projekt warf, wie Robin Hood vor die holde Lady Marian: „Ich kann nicht zulassen, dass es jemand anderes antastet“, rief er und machte sich daran, „einzufangen, was Eisners Arbeit implizierte.“

Und hat´s was gebracht?

Tatsächlich wurde ich zu Anfang positiv überrascht. In seinem Geheimversteck unter dem Wildwood-Friedhof (das im restlichen Verlauf des Films leider keinerlei Erwähnung findet - eine negative Überraschung, die einem als solche dummerweise erst am Ende auffällt) erhält der Spirit einen Anruf: Vor der Stadt läuft ein Gangstergeschäft ab, in das auch noch Spirits Erzfeind Octopus verwickelt ist. Auf dem Weg dorthin, den er als schwarze Silhouette mit rot flatternder Krawatte (passend) auf Telefonleitungen surfend (unpassend) zurücklegt, muss er noch kurz Halt machen, um eine Frau in Not vor zwei Dieben zu retten, von denen er einen kopfüber in eine Mülltonne stopft. Dies sieht man zwar nur als Schatten an einer Wand, doch die Umrisse der verrenkten Beine, die aus der Tonne ragen, sehen tatsächlich aus, als wären sie direkt dem Panel eines Eisnercomics entsprungen, in dem der ramponierte, ja regelrecht zerknautschte Held das Gossengesindel richtiggehend zusammenfaltet.

Schließlich mündet dieser erste Einsatz, auf dem wir den Spirit begleiten dürfen, in einem Faustkampf zwischen ihm und Octopus, der gleichsam der Vorlage gerecht wird. Im knietiefen, schlammigen Wasser prügeln die beiden in genau der Übertriebenheit aufeinander ein, die ich an den alten Comics so schätze. Octopus' mitmischende, geklonte Helfershelfer runden als passend tumbe Schergen das Bild ab und sogar die Brechstange, die der Spirit seinem Gegner über den Kopf zieht, ähnelt in ihrer anschließenden Verbogenheit dem Original.

Hut ab davor – und auch gleich wieder aufgesetzt, denn das Füllhorn der Reminiszenzen nimmt im weiteren Verlauf des Films exponentiell ab. Sicherlich finden sich sowohl was Figuren, als auch Stil und Handlungselemente betrifft, immer wieder spirittypische Anklänge und diese kommen denn auch Hauptdarsteller Gabriel Macht zugute. Selbst wenn es ihm ein bisschen an körperlicher Masse mangelt, um mit dem ‚echten’ Spirit mitzuziehen, kann er doch, insbesondere in komischen Situationen, wirklich gelungene Spiritgesichter schneiden, etwa wenn er sich ertappt zwischen zwei Frauen verlegen tollpatschig die Krawatte binden muss – doch, doch, dieses Bild hatte ich noch genau so im Hinterkopf ... Und hätte gerne mehr davon gesehen, doch zusehends versuppt das Ganze dann zur Sin City-Chose.

Aber genug von der, ich darf nicht klagen, denn es ist mithin tatsächlich auch Spirit drin, wo Spirit drauf steht - zwar nur in Maßen, aber der Warnhinweis „Frank Miller´s“ steht ja groß vorn drauf. Da wollen wir mal nicht so sein. Außerdem hat Miller noch ein ganz anderes Problem:
Die Story.

Will Eisner hetzte seinen Helden durch unzählige Abenteuer, die sich zwar im Unterschied zu den bis dahin herkömmlichen Comicstrips über mehrere Seiten erstreckten, dabei jedoch immer eines blieben: Kurzgeschichten. Mit 102 Minuten Filmlänge beißt sich das etwas. Also zieht Miller das in solchen Fällen gerade bei Comicverfilmungen standardmäßig herbeizitierte Kaninchen, das sich ‚Origin’ nennt, aus dem Hut, um dem Ganzen Substanz zu verleihen. Im Falle des Spirit bietet sich das auch an, da es sich um einen Kriminalfall handelt, dem man nachgehen könnte: Ein junger Polizist namens Denny Colt wird erschossen, überlebt aber und unterstützt fortan als maskierter Ganovenjäger die Polizei von Central City. Als Rahmenhandlung hätte diese Entstehungsgeschichte einen prima Topf abgegeben, um Figuren und Handlungen aus Will Eisners Comics miteinander zu verkochen, doch Miller geht noch einen Schritt weiter und macht damit einen schwerwiegenden Fehler. Er geht der Frage nach, wie ein Mensch den Tod überleben kann und in der Folge auch noch unglaublich viel einzustecken vermag und so mutiert sein Spirit zu einem Superhelden mit Selbstheilungskräften, der sich von seinen Verwundungen im Handumdrehen erholt, wie weiland Wolverine.

Als wäre das nicht schon zuviel des Guten, lässt Miller nun zusätzlich auch noch die Gelegenheit aus, dem Zuschauer die Antworten auf die frisch erfundenen Mysterien puzzleartig Stück für Stück zuzuspielen, wie es zu einem Kriminalstück passen würde, nein, er stellt Samuel L. Jackson und Scarlett Johansson vor einem gefesselten Spirit auf und lässt sie über fünf Minuten den Plot erläutern. Dass die beiden dabei Unheil verkündende Naziuniformen tragen, mag lustig sein, noch mehr hätte ich aber gelacht, wenn stattdessen gleich Michael York in seiner Austin Powers-Rolle als Basil Exposition aufgetreten wäre.

Die so gewonnene Zeit nutzt Miller, um sich alle naslang in tiefschürfenden Grübeleien zu verlieren, die um die Unsterblichkeit des Helden kreisen und natürlich um die Stadt, die Gabriel Macht gezwungen ist, uns mittels endlos wiederkehrender Offstimme näherzubringen. Wie sie ihn einer Mutter gleich behütet und versorgt und er sich wiederum ganz braver Sohnemann um ihren Schutz kümmert. Das fällt auf der einen Seite recht gelungen aus, wenn der Spirit etwa beschreibt, wie die Stadt ihm allein schon mit Feuerleitern und Dachrinnen das nötige Werkzeug zur Ganovenjagd bereitstellt und der Zuschauer dies gleichzeitig in Actionszenen umgesetzt auch bestaunen darf. Auf der anderen Seite aber kann man noch so viel um diese Übermutter schwadronieren, es bleibt verlorene Liebesmühe, wenn diese dabei CGI-bedingt farblos und blass bleibt, nur in ein paar Rückblenden warme 1940er-Jahre-Farbtöne abbekommt und zudem durch einen Mangel an sichtbaren Großstadtlichtern und Bewohnern streckenweise ziemlich ausgestorben wirkt.

Es ist ja nicht so, als hätte Eisner bei seinem Spirit auf all diese Elemente verzichtet, die mir in Millers Umsetzung säuerlich aufstoßen. Beschreibungen der Stadt als Lebewesen und Übersinnliches wie Geister und Fantastisches wie z.B. Urzeit- oder Waldmenschen finden sich zuhauf in den Comics, aber sie zu hinterfragen oder gar ergründen zu wollen, stand nie im Vordergrund. Nur allzu gern nimmt man sie als Das-ist-jetzt-eben-mal-so-Tatsachen hin, um sich aus der so resultierenden, mit Witz gespickten und farbenfrohen Geradeaus-Action zu ergötzen. Sie waren, wie Miller ganz richtig gesehen hat, impliziert - wurden aber eben nicht herausgekehrt.

Also werde ich weiter auf eine stilgerechte Spirit-Verfilmung warten und den Spaß an dieser stilistisch aufgepeppten Spirit-Analyse anderen überlassen. Vielleicht solchen, die es auch nicht stört, dass der Spirit heuer Chucks trägt. Als eingefleischter Chuckträger kann ich mir vorstellen, wie er sich dabei fühlen muss - Converse wurde schließlich von Nike übernommen. jd






Links:
Offizielle Film-Website (englisch)
The Spirit in der Wikipedia
The Spirit auf willeisner.com

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