Sin City

Sin City, USA 2005, Regie: Robert Rodriguez und Frank Miller, Hauptdarsteller: Mickey Rourke (Marv), Clive Owen (Dwight McCarthy), Bruce Willis (Hartigan), Jessica Alba (Nancy Callahan), Benicio Del Toro (Jackie Boy), Elijah Wood (Kevin), Michael Madsen (Bob), Brittany Murphy (Shellie).

Die bisher werkgetreueste Comicverfilmung macht aus drei von Frank Millers Sin City-Comics einen Episodenfilm.

Inhalt:

Ein namenloser Killer (Josh Hartnett) erschießt auf einem Balkon im Regen eine junge Frau (Marley Shelton). Eine ganz normale Nacht in Sin City…

Szenenwechsel: Wenn es etwas gibt, das Cops in amerikanischen Filmen fürchten sollten, dann ist es die Zeit kurz vor der Rente. Hatte Murtaugh in Lethal Weapon 3 immerhin noch 8 Tage vor sich, musste sich Officer Prendergast in Falling Down an seinem letzten Tag vor der Frühpensionierung mit einem aufgebrachten Amokläufer herumschlagen. Und der letzte Tag vor der vorzeitigen Pensionierung läuft auch für Officer Hartigan (Bruce Willis), einen der wenigen anständigen Bullen in Basin City, Sin City im Volksmund, gar nicht so wie er sich das erhofft hätte.

Statt den Tag in aller Ruhe ausklingen zu lassen, zieht er los um die zwölfjährige Nancy aus den Händen eines Wahnsinnigen (Nick Stahl) zu retten, der schon mehrere kleine Mädchen missbraucht und dann brutal ermordet hat, aber durch den Einfluss seines Vaters – des einflussreichen Senators Roark – bisher jeder Strafe entgangen ist. Weder sein Partner (Michael Madsen), noch sein schwaches Herz können Hartigan davon abhalten den jungen Roark erst nieder- und ihm dann die Eier abzuschießen. Sein Partner jagt Hartigan zwar einige Kugeln in den Körper, aber während dieser das Bewusstsein verliert und mit dem Leben abschließt, hört er aus der Ferne weitere Streifenwagen heranrasen. Zumindest Nancy hat er noch gerettet. Trotzdem ein beschissener Weg, seinen letzten Arbeitstag zu verbringen…

Szenenwechsel: Marv (Mickey Rourke), ein grobschlächtiger Typ mit einem guten Herzen und leichten Wutproblemen, kann sein Glück nicht fassen. Mit einem Gesicht wie dem seinen wird er normalerweise nicht von Frauen eingeladen, aber an diesem Abend hat ihn wundervolle Goldie (Jaime King) mit nach Hause genommen. Das Glück hält nicht lange. Als Marv erwacht, ist Goldie ermordet worden und die Polizei auf dem Weg. Marv ist klar, dass ihm der Tod in die Schuhe geschoben werden soll. Er erledigt im Alleingang ein ganzes Polizeibataillon und macht sich dann auf die Suche nach dem wahren Täter. Seine durchaus ruppigen Verhörmethoden würden Batman und Rorschach vor Neid erblassen lassen (er asphaltiert unter anderem eine Straße mit dem Gesicht einer Person, die er verhört). Leichen pflastern Marvs Weg, aber zuletzt erfährt er, dass dieser Mord bis in die Spitzen der Gesellschaft von Sin City reicht und Bischof Roark, der Bruder von Senator Roark, darin verwickelt ist. Marv dringt in das Farmanwesen der Roarks ein und trifft Kevin (Elijah Wood), Goldies Mörder. Marvs Straßenschlägertechnik ist Kevins Kung-Fu nicht gewachsen. Dieser macht kurzen Prozess mit Marv, schaltet ihn aus und sperrt ihn in den Keller, wo Marv auf seine Bewährungshelferin trifft und von Kevins geheimer Leidenschaft erfährt: Kevin mag es, Frauen zu töten, ihre Köpfe im bester Jägermanier an der Wand zu montieren und die Reste der Leichen zu verspeisen, während sein Haustier – ein Wolf – die Knochen abbekommt. Soll ja nichts verkommen…

Es gelingt Marv mit roher Körperkraft, das Gitterfenster aus der Wand zu reißen und zu fliehen. Auf der Flucht werden er und seine Bewährungshelferin von der Polizei gestellt, die in Marv den perfekten Sündenbock sieht und nicht vorhat, gegen die Familie Roark vorzugehen. Die Cops erschießen vor Marvs Augen seine Bewährungshelferin, da sie zuviel weiß, aber Marv gelingt erneut die Flucht. In Old Town, dem Rotlichtviertel Sin Citys, trifft Marv auf Wendy, Goldies Zwillingsschwester, die ihn für den Mörder von Goldie hält. Nachdem er sich einige harte Worte und noch härtere Schläge mit dem Kolben einer Pistole eingefangen hat, kann Marv sie überzeugen, dass er Goldie nicht getötet hat und hinter ihrem Mörder her ist. Marv macht einen kleinen Einkauf im lokalen Baumarkt und steigt dann zur zweiten Runde mit Kevin in den Ring. Während der Prügelei kann er Kevin mit Handschellen an sich festketten und hat ihn nun genau da, wo er ihn haben wollte. Er knockt den Kannibalen aus, sägt ihm beide Arme und Beine ab und verfüttert den noch lebenden Kevin, der während der gesamten Prozedur keinen Ton von sich gibt, dann an dessen Haustier, einen Wolf.

Anschließend stattet er Kardinal Roark (Rutger Hauer) einen Besuch ab, der zugibt, den Mord an Goldie in Auftrag gegeben zu haben. Er und sein Geliebter Kevin genossen es, Prostituierte zu verspeisen, ein Hobby, von dem Goldie erfuhr. Sie wusste, dass ihr Leben keinen Pfifferling mehr wert war und suchte einen starken Mann, der sie vor Roark und Kevin beschützen würde: Marv. Roark kam das ganze allerdings gelegen, denn so hatte man sofort einen Sündenbock für den Mord. Nachdem Marv nun erfahren hat, warum Goldie sterben musste, nimmt er sich genüsslich Zeit, um Roark das Leben aus dem Körper zu prügeln. Anschließend wird er von Roarks Wachmannschaft niedergeschossen und im Krankenhaus wieder zusammengeflickt. Nicht aus Nächstenliebe, sondern damit man Marv für die Morde an Roark, Kevin, den von den beiden getöteten Prostituierten und sogar Goldie anklagen kann. Trotz solider Verhörarbeit mit einem Lügendetektor Marke Babe Ruth (Baseballschläger) ist Marv erst gewillt, ein „Geständnis“ abzulegen, als die Cops drohen, Marvs Mutter fertig zu machen. Marv landet auf dem elektrischen Stuhl und spricht, nachdem der erste Stromstoß ihn nicht erledigt hat, die klassischen Worte: „Is this the best you can do, you pansies?“ Erst mit der zweiten elektrischen Ladung geht Marv den Weg alles Irdischen…

Szenenwechsel: Shellie (Brittany Murphy), eine Kellnerin, hat ein Problem. Einen brutalen und aufdringlichen Verehrer Namens Jack (Benicio del Toro), der ihr keine Ruhe lässt. Ihr momentanes Betthupferl Dwight (Clive Owen) beschließt dem Kerl eine Lektion zu erteilen und ihm mal gehörig den Kopf zu waschen. In dessen eigenem Urin in der Toilette. Nachdem er Jackie-Boy auch noch gedroht hat, ihm mit einem Rasiermesser ein Auge zu entfernen, verfolgt er den Kerl und dessen Freunde, um sicher zu gehen, dass die Jungs ihre Lektion auch wirklich gelernt haben. Auf dem Weg wird Dwight fast von einer Polizeistreife gestoppt, was unangenehm für ihn wäre, da er noch wegen einiger Morde gesucht wird (geschehen in Band 2 A Dame to Kill For), doch die Polizei interessiert sich eher für den unorthodoxen Fahrstil von Jack. Die Streife verfolgt diesen bis nach Old Town, wo sie abdreht. Es gibt eine Vereinbarung zwischen der Polizei und den Prostituierten. Und Cops, die sich im Rotlichviertel herumtreiben, werden nicht alt.

Einmal am Abend abzublitzen reicht Jack offenbar nicht und so macht er sich an eine Prostituierte ran, die ihm relativ unmissverständlich klar macht, dass sie für heute Feierabend hat. Als Jack auch ihr gegenüber zudringlich wird, eskaliert die Situation. Die Prostituierten machen ihren Standpunkt relativ klar, indem sie Jack und seine Freunde töten. Als sie die Leichen filzen, stellt sich heraus, dass das nicht die beste Idee war, die sie je hatten: Jackie-Boy ist tatsächlich Jack Rafferty, ein ziemlich angesehener und stadtbekannter Cop. Und mit diesem Mord haben die Prostituierten den Waffenstillstand mit der Polizei gebrochen. Wenn die Leiche den Cops in die Hände fällt, so fürchtet Gail, die Chefprostituierte und ehemalige Geliebte von Dwight (Rosario Dawson), werden die alten Zeiten wieder aufkommen und Bullerei und Mafia sich darum streiten, wer die Kontrolle über Old Town hat.

Dwight erklärt sich bereit, das Problem zu lösen. Er will die kleingeschnetzelten Leichen in den Teergruben beseitigen. Da der Kofferraum voll ist, platziert er Jacks Leiche auf dem Beifahrersitz. Schlechte Idee, da sich auf der Fahrt zu den Teergruben Dwights leichte Geisteskrankheit manifestiert und Jack anfängt, auf Dwight einzuquatschen. Weil es unter den Prostituierten eine Verräterin gibt, erwartet Dwight bei den Teergruben bereits eine irische Söldnerschwadron, die ihm die Leiche abjagen will. Nachdem ihm die Prostituierten Dallas und Miho aus der Patsche geholfen haben, erfährt Dwight, dass Manute (ein alter Bekannter, auch aus A Dame to Kill For) Gail entführt hat und sie nur im Austausch für den Kopf von Jack laufen lassen wird. Damit hofft er ein ausreichend starkes Druckmittel zu haben, um selber Old Town kontrollieren zu können.

Dwight tauscht tatsächlich Jacks Kopf gegen Gail aus, allerdings hat er ein paar kleine Extras in Jacks Mundhöhle gestopft: Granaten. Diejenigen von Manutes Männern, die nicht bei der Explosion getötet werden, mäht eine bis an die Zähne bewaffnete Armee aus Prostituierten gnadenlos nieder.

Szenenwechsel: Die Kugeln vom Anfang des Films haben Hartigan nicht getötet, wie er feststellen muss, als er in einem Krankenhausbett erwacht. Das ist allerdings keine gute Nachricht, wie der Cop schnell feststellt, als Senator Roark ihm klar macht, wie wütend er über die Verhaftung und Zwangskastrierung seines Sohnes ist und Hartigan androht, den Rest seines Lebens zu einer konstanten Höllenqual zu machen. Er will Hartigan das einzige nehmen, was er noch hat - seinen Ruf als anständiger Mann - und dreht die Dinge so, dass dieser als Vergewaltiger von Nancy angeklagt wird. Um das Leben von Nancy nicht zu gefährden, akzeptiert er seine Strafe. Nur ein Geständnis, das ihn vorzeitig aus dem Gefängnis bringen könnte, legt er nie ab.

Hartigan verbringt die nächsten 8 Jahre in einer Zelle mit so luxuriösen Accessoires wie einer Toilette, einer Pritsche und… das war’s eigentlich auch schon. Alles, was ihn in diesen Jahren am Leben hält, sind die wöchentlichen Briefe von Nancy. Doch eines Tages kommt kein Brief mehr. Auch in der folgenden Woche wartet Hartigan vergebens. Und in der dritten Woche wartet statt eines Briefes ein stinkender, gelber Glatzkopf in seiner Zelle, der Hartigan ausknockt und ihm einen Umschlag mit einem abgetrennten Mädchenfinger zurück lässt. Hartigan ahnt, dass Roark herausgefunden hat, wer ihm die Briefe schrieb, und nun Rache an ihr genommen hat. Hartigan legt nun doch noch ein „Geständnis“ über die angebliche Vergewaltigung ab und wird im Gegenzug aus der Haft entlassen.

Er sucht Nancy (jetzt gespielt von Jessica Alba) und entdeckt, dass sie Rechtswissenschaft studiert und nebenbei als Tänzerin in einer heruntergekommenen Kaschemme ihr Geld verdient. Hartigan wird klar, dass Nancy nichts passiert ist und dass er ausgetrickst wurde, um den gelben Bastard zu dem Mädchen zu führen, das ihm seit acht Jahren Woche für Woche schreibt. Hartigan und Nancy fliehen, verfolgt vom gelben Bastard. Nach einem Autounfall scheint der Bastard verschwunden zu sein, tatsächlich gelingt es ihm aber, sich in Nancys Wagen zu verstecken. Nachdem Nancy Hartigan ihre Liebe gestanden hat (ist das auch eine Form des Stockholm Syndroms?), muss dieser erst einmal kalt duschen. Diese Gelegenheit nutzt der gelbe Bastard um Nancy erneut zu kidnappen und Hartigan auszuschalten. Als dieser erwacht, findet er sich nackt an einem Seil baumelnd wieder. Der Bastard offenbart Hartigan seine wahre Identität: er ist der Sohn von Senator Roark, dem die moderne Medizin zwar seine Genitalien zurückgeben konnte, allerdings mit offensichtlichen Nebenwirkungen. Dann lässt der junge Roark Hartigan zum Sterben zurück. Im allerletzten Moment gelingt es Hartigan, dem Strangulierungstod zu entgehen und sich aus seiner prekären Lage zu befreien. Er überwältigt die Handlager Roarks, die eigentlich seine Leiche entsorgen sollten, und erfährt so, wohin der Bastard unterwegs ist… zur Roark Farm.

Hartigan verfolgt den Bastard und kann ihn stellen, während dieser gerade Nancy auspeitscht, um sich in Stimmung zu bringen. Hartigan wird schwer verwundet, aber es gelingt ihm, Roark mit bloßen Händen zu überwältigen, ihn einmal mehr zu kastrieren (dieses Mal von Hand) und den Kopf von Roark danach mit ordentlichen Schlägen in eine Pfütze auf dem Boden zu verwandeln. Hartigan schickt Nancy heim und sagt ihr dann, dass er auf die anderen Cops warten und die ganze Roark-Brut hochgehen lassen würde. Nachdem Nancy weg ist, erfahren wir, dass Hartigan bewusst ist, dass er nie gegen die Roarks ankommen kann und dass sie versuchen werden sich über Nancy an ihm zu rächen. Um Nancy zu schützen gibt es nur einen Ausweg: Hartigan hält sich seine Kanone an die Schläfe und drückt den Abzug durch…

Szenenwechsel: Die Verräterin aus der Dwight-Episode steigt in einem Krankenhaus in einen Aufzug, wo der namenlose Auftragsmörder vom Anfang des Films schon auf sie wartet. Eine weitere, ganz normale Nacht in Sin City…

Erwähnenswert:

  • Die drei Hauptepisoden stammen aus den Comics The Hard Goodbye (dt. Stadt ohne Gnade), The Big Fat Kill (dt. Das große Sterben) und That Yellow Bastard (dt. Dieser feige Bastard). Die Einleitungssequenz basiert auf The Customer’s Always Right (mit dem Kleid aus The Babe Wore Red (einer weiteren Dwight-Geschichte), die sich beide in der Kurzgeschichtensammlung Babes, Booze and Bullets (dt. Bräute, Bier & blaue Bohnen)finden lassen. Das von Dwight gesprochene Voice-Over in der Marv-Episode stammt aus A Dame To Kill For (dt. Eine Braut, für die man tötet). Der Epilog findet in dieser Form in keinem Comic statt.
  • Cameo-Auftritte: Der Priester, den Marv im Beichtstuhl abserviert, ist Frank Miller. Quentin Tarantino (der eine kurze Sequenz für den Film gedreht hat) sitzt im zweiten Teil der Hartigan-Episode zusammen mit Marv und Dwight in der Spelunke herum und schaut sich Nancys Tanz an.
  • Die Schwerter, die die Ninjaprostituierte Miho (Devon Aoki) verwendet, wurden von Uma Thurman in Kill Bill schon mal angewärmt und Rodriguez dann von Quentin Tarantino ausgeliehen.
  • Mindestens zwei Autos haben das Nummernschild LEV 311. Eine Anspielung auf Frank Millers Ehefrau und Coloristin Lynn E. Varley, die am 11. März Geburtstag feiert.
  • In einer Szene trägt Shellie ein Tablett mit Chango-Bierflaschen. Dieselbe fiktive Marke konnte man auch in Rodriguez' Filmen From Dusk Till Dawn und Desperado erwerben.
  • Szenen, die in den Comics vorkamen, aber im Film fehlen (etwa die Szene, in der Hartigan von seiner Ehefrau verlassen wird), wurden angeblich sehr wohl abgedreht und sollen auf der im Dezember erscheinenden Sin City-DVD zu finden sein.
  • Einer von Jacks Freunden trägt ein T-Shirt mit dem PAX-Logo aus der Give Me Liberty-Miniserie von Frank Miller und Dave Gibbons.
  • Weil ein „gelber Bastard“ in der Post-Production nicht mit dem Green-Screen-Verfahren funktioniert hätte, wurde Nick Stahl am Set mit blauer Farbe angemalt, die erst in der Nachbearbeitung in gelb verwandelt wurde.
  • Die digitale Produktion sorgte dafür, dass selbst Schauspieler, die gemeinsame Szenen hatten, nie miteinander drehten. Obwohl sich Elijah Wood und Mickey Rourke sich im Film zwei knüppelharte Kämpfe liefern, haben sie einander auf dem Set angeblich nie getroffen.
  • Die Einleitungssequenz drehte Robert Rodriguez, um Frank Miller, der bereits über 10 Filmangebote abgelehnt hatte, zu beweisen, dass er sehr wohl in der Lage ist, den Look und die Stimmung der Sin City-Comics auf die Leinwand zu übertragen.

Kommentar:
Zunächst mal das Offensichtliche: Sin City ist kein Film, der grob auf bestimmten Comics basiert, wie das Hellboy, Spawn oder Batman Begins tun, sondern Sin City ist eine Verfilmung im Stile von Herr der Ringe. Und alles in allem kann man den Film eigentlich weitestgehend mit einem Wort beschreiben: Werkgetreu.

Wer die Comics bereits kennt, kann sich also schon hier ausrechnen, ob er den Film mögen wird oder nicht. Alles was man den Comics zu Gute halten oder vorwerfen kann, kann man ohne weiteres auch direkt auf den Film anwenden. Ein paar kleinere Szenen fielen der Schere zum Opfer und einige Details hat man leicht verändert, aber insgesamt ist Sin City über sehr weite Strecken hinweg fast schon eine 1:1-Umsetzung der Comics. Robert Rodriguez hat schon einen guten Grund, warum er von einer „Übersetzung“ und nicht von einer „Adaption“ spricht. Das geht so weit, dass viele Einstellungen genau so übernommen werden, wie sie auch schon im Quellenmaterial zu finden sind, was einmal mehr untermauert, dass Millers Comics tatsächlich etwas sehr cineastisches an sich haben.

Natürlich ist der Look nicht haargenau so wie in den Comics. Da wo Miller nur Schwarz- und Weißflächen verwendet und gelegentlich mal einen Spritzer Farbe, da verwendet Rodriguez schon Graustufen. Und insgesamt ist das filmische Sin City bunter als sein Comickonterpart: In vielen Bildern kann man Kleinigkeiten entdecken, die eingefärbt sind: Dwights rote Turnschuhe und blaue Augen, zum Beispiel. Zudem nutzt Rodriguez in der Marv-Episode den Kontrast Farbe – Schwarz/Weiß um einen Punkt zu untermauern. Goldie ist für Marv etwas besonderes, etwas großartiges, etwas das eigentlich gar nicht in seine Welt passt. Dementsprechend ist Goldie in Farbe gehalten und sticht darum auch heraus aus Marvs schwarz-weißer Welt. Schöner Kniff und eine geschickte Weiterentwicklung von Millers Bildsprache.

Ohnehin ist die Stadt Sin City der heimliche Star des Films: Der Großteil der Szenen wurde auf digitalem Video vor einer Green Screen abgedreht. Die eigentlichen Hintergründe, egal ob Badezimmer, Farmen oder Hinterhöfe, wurden erst nachträglich am Computer eingefügt. So etwas ist immer noch ziemliches Neuland. Sky Captain & the World of Tomorrow wurde so gedreht, setzte aber von vornherein auf einen sehr künstlichen Look. Bei Sin City sieht das hingegen durchaus glaubhaft aus. Der Ort Basin City scheint wirklich zu existieren. Der Kontrast reale Schauspieler – künstliche Hintergründe lenkt nie vom eigentlichen Film ab. Das ist vielleicht das größte Lob, das man in diesem Fall aussprechen kann. Sicher: Special Effects, die den Zuschauer in Staunen versetzen, sind toll. Special Effects, bei denen der Zuschauer vergisst, dass sie überhapt da sind, sind aber die wirkliche Königsdisziplin.

Dieses Lob kann man, mit leichter Veränderung, auch sofort an Mickey Rourke weitergeben. Nachdem er fast 10 Jahre lang in Hollywood abgeschrieben war, kann man hier wohl mit Fug und Recht aus den alten Spider-Man-Comics zitieren: Face it, Tiger, you’ve just hit the jackpot. Rourke wurde geboren, um Marv zu spielen. Nichts gegen Bruce Willis oder Benicio del Toro, die beide gute Leistungen ablegen. Aber wenn ich Hartigan auf der Leinwand sehe, dann sehe ich da in erster Linie Bruce Willis oder John McClane (der zudem zu jung wirkt, um als 60 durchzugehen). Bruce Willis ist als Typ so sehr auf eine Rolle festgelegt, dass er einfach die Figur Hartigan überschattet. Und Benicio del Toro wirkt auch ein wenig, als wenn er viel aus seiner Rolle als Frankie Four Fingers in Snatch hier wiederverwenden konnte. Aber in dem Moment, in dem Marv die Leinwand betritt, ist er nur noch Marv. Für ein oder zwei Sekunden denkt man sich vielleicht noch, dass das Make-Up ziemlich gut geworden ist und Rourkes Profil tatsächlich so aussieht, wie das Profil vom Marv im Comic… aber dann vergisst man relativ schnell, dass die Figur Marv nur gespielt wird, mit so viel Spaß, Gusto und Energie prügelt und mordet sich der große Schläger über die Leinwand. Großartiger Einsatz von Rourke.

Rourke verkörpert seine Rolle, wo andere sie nur spielen. Die anderen Schauspieler im Film sind ordentlich bis gut, aber selten großartig. Da es in Sin City aber ohnehin primär Archetypen und kaum echte Charaktere gibt, reicht das jedoch vollkommen aus. Man nimmt Nick Stahl den sadistischen Kinderschänder ebenso ab, wie man Rosario Dawson die toughe Killerprostituierte abnimmt oder Clive Owen den Dwight. Das genügt in diesem Fall auch vollkommen. Schauspieleroscars hätte hier wohl ohnehin niemand erwartet. (Falls es doch Schauspieleroscars für diesen Film geben sollte, werde ich einfach bestreiten, diese Passage jemals geschrieben zu haben und alle Schuld auf die Chefredaktion abwälzen.) Und was man dem Film einfach lassen muss, ist, dass er eine Cast hat, die einfach nur beeindruckend ist. Einen Film zu drehen, bei dem man Benicio del Toro, Elijah Wood oder Josh Hartnett nur an sechster oder siebter Stelle erwähnen muss, das dürfte der feuchte Traum aller Hollywood-Regisseure sein. Wenn man dann noch überlegt, dass im Vorfeld (und jetzt schon wieder für den zweiten Teil) auch noch Namen wie Johnny Depp oder Christopher Walken mit dem Film in Verbindung gebracht wurden… phuuu…

Allerdings gibt es eines, über das man im Hinblick auf den Film doch sicher geteilter Meinung sein darf: Sin City wird manchmal als moderner Film Noir bezeichnet, als Revival solcher Filmklassiker (und den dazugehörigen Romanen) wie Der Malteser Falke oder Der Lange Abschied. Und sicher: In den Comics hat Miller sich gehörig bei diesen Vorlagen bedient. Am auffälligsten vielleicht, dass die Geschichten aus der Sicht des Hauptcharakters geschildert werden, mit dieser Form des „hard-boiled narrators“, die Raymond Chandler perfektioniert hat. Zudem ist der Film in Schwarz-Weiß gehalten und die Hauptfiguren tragen Trenchcoats. (Die Miller übrigens, wenn ich mich nicht irre, primär in den Comics eingeführt hat, weil diese Leute keine Capes tragen können… die Art, wie Miller Capes in The Dark Knight Returns und Mäntel in Sin City zeichnet, ähnelt sich doch frappierend. Aber ich schweife ab.) Nur: Das sind Motive aus dem Film Noir, das darf man nicht mit dem Ding an sich verwechseln. Das Noir-Signet ist in erster Linie eine Entschuldigung, um sich so richtig daneben benehmen zu dürfen und in Sachen Gewalt mal richtig auf die Kacke hauen zu können. Wenn Kritik kommt, kann man dann sagen: Was wollt ihr denn? Ist doch Film Noir. Nein, ist es nicht. Sin City ist das uneheliche Kind, das der Film Noir mit alten Warner Brothers Cartoons gehabt hat. Sam Spade hat nie locker ein paar Kugeln in die Brust weggesteckt und Philip Marlowe wäre auch nicht wieder aufgestanden, hätte man ihn mehrmals mit einem Auto über den Haufen gefahren. Dass Sin City nicht Noir ist, ist durchaus in Ordnung, der Film ist sehr gut in dem, was er ist. Nur sollte man ehrlich genug sein, dazu zu stehen, ohne sich hinter solchen Labels zu verstecken.

Manchmal wird dieses Noir-Motiv sogar zu einer leichten Last. Die Monologe der Hauptfiguren funktionieren im Comic, wo die Captions ein Teil des Seitendesigns sind. Im Kino, wo sie als Voice-Over über den Film gelegt werden, wirken sie allerdings stellenweise doch ein bisschen albern, klischeehaft oder so, als ob der Film unbedingt einen auf dicke Hose machen müsste. Nicht generell und nicht so sehr, dass es das Sehvergnügen mindert, aber gelegentlich denkt man sich schon: Okay, Jungs, wir glauben euch, dass ihr schlecht drauf seit.

Was in jedem Fall passt, ist der kleine Scherz, dass die Credits besagen „shot & cut by Robert Rodriguez“. Das stimmt relativ gut auf das ein, was der Film in erster Linie anbietet: Exzessive Gewalt. Darum geht es hier, und um nichts anderes. Als Archetypen, die dazu da sind, um eine Story von einer Gewaltorgie zur nächsten zu führen, funktionieren die Hauptcharaktere. Aber wenn man sie genauer ansieht, dann merkt man doch, dass es den meisten Figuren an Tiefe und wirklich interessanten Charaktermerkmalen mangelt. Sie sind genau das, was sonst gerne abwertend über solche Figuren gesagt wird: Comiccharaktere. In diesem Falle passt das ja auch tatsächlich. Aber auch das ist eigentlich nicht weiter schlimm, denn der Film legt ein so beeindruckendes Tempo an den Tag, dass man eigentlich kaum Zeit hat, sich an den Charakteren zu reiben.

Sin City geht dahin, wo es weh tut, und tritt dann nochmal ordentlich nach. Szenen, die schon im Comic unangenehm wirkten, kommen auf der Leinwand noch mal um einiges unangenehmer rüber. Die Szene, in der Marv einen Verdächtigen verhört, indem er aus einem fahrenden Auto heraus dessen Gesicht über den Asphalt schleifen lässt und die Szenen, in denen Kevin und später der gelbe Bastard kaltgemacht werden, haben es geschafft, im Kino ein kollektiv schmerzverzehrtes: „Uuuuhhh…“ aus dem Publikum herauszuzaubern. Das hochgradig stilisierte Design und das oft leuchtend weiße Blut helfen dabei, die Szenen ein wenig erträglicher zu machen. Man merkt, dass Robert Rodriguez hier einige seiner Lieblingsdinge vereinen darf: Tricktechnik (siehe seine Spy Kids-Filme) und Splatter (siehe seine Hälfte des Films From Dusk Till Dawn). Oh, und krachende, gut choreographierte Actionszenen à la El Mariachi. Auch so was gibt es hier zur Genüge, und wenn Marv sich im Alleingang mit einem Polizeibataillon prügelt oder Dwight und die Prostituierten gegen eine Schwadron Söldner antreten, dann ist das modernes Actionkino vom Feinsten. Allerdings muss man, zugegebenermaßen, in der Lage sein, diese Form von doch sehr unangenehmer und direkter Bildschirmgewalt vertragen können. Hier wird nicht im Ansatz so sauber gestorben wie in Matrix oder ähnlichen Filmen.

In Sachen Gewalt fällt auch auf, dass der Film sich dabei nicht zurückhält, gleichzeitig aber in Sachen Sex doch die Zügel angezogen hat. Da wo wohl Frank Millers Kopf explodieren würde, wenn er nicht mindestens ein Viertel seiner Comics mit mit Nacktszenen füllen darf (oder Fast-Nacktszenen, wie im Falle von All-Star Batman & Robin), sind die meisten Frauen in Sin City zwar leicht bekleidet, aber nur sehr selten ganz nackt. Selbst Stripperin Nancy behält den ganzen Film über ihr Top an. Das ist jetzt nicht automatisch ein Minuspunkt für den Film, aber es spricht doch mal wieder für die amerikanischen Wertestandards, wenn ausgiebige Gewaltorgien okay sind, aber man in Sachen nackte Menschen doch lieber mit angezogener Handbremse fährt. Über den Vorwurf, dass Sin City frauenfeindlich sei, möchte ich als Mann nicht zuviel sagen. Stimmt, die meisten Frauen im Film sind halbnackt, Prostituierte oder Opfer, aber ich bin mir nicht sicher, inwiefern die Kerle besser wegkommen: nicht einmal die Hauptdarsteller sind wirkliche Helden. Marv und Dwight sind geistesgestörte Loser (wenn auch sympathische) und John Hartigan ist ein ehrlicher Bulle, der dafür einen verdammt hohen Preis bezahlen muss. Ich denke, der Film kann eher für ein negatives Bild von der Menschheit an sich und nicht nur von Frauen angeklagt werden. Vielleicht bin ich aber auch nur ein verkappter Macho…

Wenn wir das prätentiöse Noir-Etikett mal außen vorlassen, dann ist Sin City ein visuell beeindruckender Actionreißer mit einem hohen Level an Brutalität, vielen guten Schauspielern und einem wie entfesselt agierenden Mickey Rourke. Und dabei ist der Film so richtig unterhaltsam. Das hier ist vielleicht kein Popcornfilm für die ganze Familie, dafür geht er dann doch zu oft zu weit, aber Fans von „Macho“-Filmen mit einem ordentlichen Splatteranteil werden sich hier durchaus zuhause fühlen. Der Film legt ein dermaßen hohes Tempo vor, dass man über die dünnen Charaktere und die manchmal doch etwas zu bemüht wirkenden Monologe ohne weiteres hinweg sehen kann. Dass der Film nebenbei noch ungemein dicht an der Vorlage ist, ist da nur noch das Tüpfelchen auf dem i. Wahrscheinlich die beste Comicverfilmung, die ich bisher gesehen habe. Beide Daumen hoch. bw

Bewertung:

Links:
Offizielle Film-Website (US-Version)
Offizielle Film-Website (deutsche Version)
"Sin City Zone" bei Dark Horse Comics
Sin City bei CrossCult (Infos vom Verlag der deutschsprachigen Comics)
Comic-to-Screen Comparisons (Bild-für-Bild-Vergeich zwischen Film und Comicvorlage)
Fan-Website zu den Comics