Welt am Draht

52, heb auf: Was taugen die neuen DC-Serien? (Teil 4)

Teil 4 von 4: In August und September wird der DC-Verlag sein Superhelden-Universum in 52 fortlaufenden Serien neustarten. Das COMICGATE-Büro für nordamerikanische Angelegenheiten hat sich die geplanten Titel mal genau angeschaut.

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40 – JUSTICE LEAGUE DARK
von Peter Milligan und Mikel Janin

o PRO: Der britische Autor Peter Milligan ist immer ein Kaufargument – umso mehr, wenn er die Gelegenheit erhält, schräg abseits, aber doch in Rufweite des Mainstreams zu wirken. Die Voraussetzungen waren also lange nicht mehr so günstig wie hier: eine eher dubiose Version der Justice League soll er betreuen, mit den teils von Vertigo zurückbeorderten Figuren Shade, Madame Xanadu, Deadman, Zatanna und natürlich John Constantine.

o KONTRA: „Justice League Dark“ kann man sich schonmal vormerken. Wenn es um die Wahl des dämlichsten Comic-Titels 2011 gehen wird, hat man hier einen heißen Anwärter. Und Newcomer Mikel Janin hat zwar einen sehr ästhetischen und detaillierten Stil, aber seine Zeichnungen machen auch einen etwas statischen und leblosen Eindruck.

FAZIT: Empfehlung! Hoffen wir mal, dass der Titel eine Verballhornung ähnlicher Stilblüten ist (Dark Wolverine, etc.). Und der Zeichner ist ja immerhin noch jung und entwicklungsfähig. Einem guten, schrägen, subversiven Milligan-Comic scheint hier nichts im Wege zu stehen. 

 


 

alt41 – SWAMP THING
von Scott Snyder und Yanick Paquette

o PRO: Cooles Team: Schreiber Scott Snyder macht in American Vampire und Detective Comics gerade eine sehr gute Figur, Zeichner Yanick Paquette hat sich über die Jahre konstant weiterentwickelt und mit seinem mittlerweile unwiderstehlich knackigen und klaren Action-Stil kürzlich in Batman, Inc. den bisherigen Höhepunkt seiner Karriere erreicht. Und dass man mit dem Swamp Thing gute Horror-Geschichten erzählen kann, wissen wir ja schon von Alan Moore.

o KONTRA: Andererseits ist zu hoffen, dass die Ehrfurcht der Macher vor Alan Moore nicht der tonangebende Aspekt der Serie sein wird. Denn die besten Alan-Moore-Stories mit dem Sumpfding hat eben Alan Moore geschrieben, und das wird auch immer so bleiben, egal, wie sehr sich der eine oder andere seiner Nachfolger anstrengen mag.

FAZIT: Empfehlung! Dass sie einen schlechten Comic machen könnten, ist den Herren Snyder und Paquette derzeit nicht zuzutrauen. Mit etwas Fortune können wir uns also auf richtig gute Snyder-und-Paquette-Sumpfding-Comics einstellen. 

 


 

42 – ANIMAL MAN
von Jeff Lemire und Travel Foreman

o PRO: Cooles Team: Schreiber Jeff Lemire ist allseits beliebt für Essex County und Sweet Tooth, und Zeichner Travel Foreman hat einen schicken, leicht zugänglichen Breitbild-Stil. Zudem ist Animal Man nach wie vor eine interessante Figur.

o KONTRA: Animal Man ist eine interessante Figur, weil Grant Morrison ihn zu einer gemacht hat. Und die besagten Comics gehen soweit – und sind dabei so sehr mit Morrison selbst verflochten – dass man sich fast schon nicht mehr vorstellen kann, dass ein anderer Autor mit Buddy Baker überhaupt noch irgendwas Sinnvolles anstellen könnte, was nicht schon vor 20 Jahren gesagt worden ist. Vielleicht sollte man einfach mal etwas Mut zu neuen Figuren haben.

FAZIT: Empfehlung! Auch hier scheint eigentlich alles zu passen. Wenn die Herren Lemire und Foreman es nicht schaffen, aus Animal Man einen geilen Superheldencomic zu kredenzen, sind sie wahrscheinlich selber dran schuld. 

 


 

43 – FRANKENSTEIN, AGENT OF S.H.A.D.E.
von Jeff Lemire und Alberto Ponticelli

o PRO: Jeff Lemire. Und Alberto Ponticelli, der stilmäßig zwar noch nicht ganz seine eigene Stimme gefunden hat, aber auf einem guten Weg ist. Und Frankensteins Monster, das seit Grant Morrisons Seven Soldiers: Frankenstein auch im DC-Universum eine Kultfigur ist, die wenig Spielraum für Pfusch lässt. Herr Lemire scheint Morrison zu mögen. Das kann nie schaden.

o KONTRA: Das Repertoire von Morrisons Frankenstein war bisher doch arg begrenzt. Für eine Miniserie hat’s gereicht, aber kann der Herman Munster des DC-Universums in seiner ganzen Einsilbigkeit auch dauerhaft eine monatliche Reihe tragen? Man darf skeptisch sein.

FAZIT: Empfehlung! Das Kreativteam stimmt, die Rahmenbedingungen passen. Beste Voraussetzungen für eine gelungene Serie. 

 


 

44 – I, VAMPIRE
von Joshua Hale Fialkov und Andrea Sorrentino

o PRO: Autor Fialkov konnte mit seinen Independent-Comics Elk’s Run und Tumor Achtungserfolge erzielen.

o KONTRA: Okay, eine Reihe mit dem Titel „I… Vampire“, geschaffen von J.M. DeMatteis und Tom Sutton, erschien bereits Anfang der ’80er in DCs Horror-Anthologie House of Mystery, das hier kommt also nicht ganz aus dem Blauen. Aber mal ehrlich: Das riecht schon verdammt nach einem Versuch, ein bißchen was vom Twilight-Kuchen abzubekommen.

FAZIT: Abwarten. Vampirschmonzens ist ja derzeit nicht unbedingt Mangelware, und ob ausgerechnet das hier die Zeit und Kröten des Publikums wert ist, wird sich zeigen. 

 


 

45 – RESURRECTION MAN
von Dan Abnett, Andy Lanning und Fernando Dagnino

o PRO: Das emsige und beliebte Autorenteam Abnett und Lanning exhumiert seine kultige Serie, die es Ende der 1990er schon mal auf immerhin 28 Hefte brachte – kein Pappenstiel, wenn man bedenkt, dass der US-Markt damals an seinem bisherigen Tiefpunkt angekommen war.

o KONTRA: Nun ja. Der Gag an der Figur besteht darin, dass sie, wie der Titel vermuten lässt, immer wieder aufersteht. Und zwar, weil wir uns ja im DC-Universum befinden, jedesmal mit neuen Superkräften. Der seltsame Genre-Mischmasch ist dann doch ein bißchen viel des Guten.

FAZIT: Kann man lesen. Kann man sich wahrscheinlich auch schenken, ohne viel zu verpassen. 

 


 

46 – DEMON KNIGHTS
von Paul Cornell und Diogenes Neves

o PRO: Autor Paul Cornell (Captain Britain, Action Comics) schreibt eine Serie mit magischen Helden und Schurken, die im Mittelalter des DC-Universums angesiedelt ist? Grandios.

o KONTRA: Ich streng mich an, aber mir fällt nix ein. Kann möglicherweise auch an meinem Kater liegen.

FAZIT: Empfehlung! Wer Cornells Wisdom gelesen hat, der darf schon mal anfangen, mit der Zunge zu schnalzen und sich auf neuen Stoff freuen. 

 


 

47 – TEEN TITANS
von Scott Lobdell und Brett Booth

o PRO: Scott Lobdell kann laute, dumme Action-Comics schreiben, manchmal sogar authentische zwischenmenschliche Momente.

o KONTRA: Bob Harras, der lange Jahre zunächst die X-Men und dann ganz Marvel lenkte, ist seit Herbst 2010 Chefredakteur von DC Comics, fast exakt zehn Jahre, nachdem er bei der Konkurrenz geschasst worden war. Bisher war Harras‘ Einfluss bei DC nur sehr begrenzt spürbar, aber der Neustart von Teen Titans ist durch und durch eine Bob-Harras-Produktion. Sowohl Autor Scott Lobdell als auch Zeichner Brett Booth, seit jeher als „Jim-Lee-Klon“ ohne große eigene Akzente berüchtigt, verdanken Harras ihren Durchbruch und erlebten unter dessen Fuchtel die Blütezeit ihrer Karriere. Das Team Lobdell/Booth hätte man sich vor 15 bis 20 Jahren bei Marvel gut vorstellen können, und das Titelbild der ersten Ausgabe erinnert ebenfalls stark an den grotesken Mutantenstadl aus jenen für Superheldencomics ganz düsteren Jahren. Für eine Serie, mit der DC angeblich jugendliche Leser ansprechen will, ist das nicht unbedingt ein gutes Omen.

FAZIT: Ein typischer Bob-Harras-Comic, im schlechtesten Sinn. Hohe Verkaufszahlen sind nicht mal auszuschließen. 

 


 

48 – STATIC SHOCK
von Scott McDaniel und John Rozum

o PRO: Noch ein schwarzer Held! Hurra! Hurra! Hurra! Mit der Figur Static, Anfang der 1990er vom kürzlich verstorbenen Autor Dwayne McDuffie geschaffen und aus der ebenfalls Static Shock betitelten Zeichentrickserie bekannt, erhält neben Batwing und Mister Terrific ein weiteres relativ junges, nicht-weißes Gesicht seine eigene Serie im neuen DC-Universum. Co-Autor John Rozum, der mit Xombi gerade eine andere bei Kritikern sehr beliebte und von McDuffie mitgeschaffene DC-Serie schreibt, verleiht der Sache zudem einen gewissen Grad an Legitimation.

o KONTRA: Rozums Story in Xombi ist zu kopflastig und nicht unbedingt besonders zugänglich. Außerdem tritt Zeichner Scott McDaniel auch als Co-Autor der Serie auf, obwohl sich die Comics, die er bisher überhaupt geschrieben hat, an ziemlich genau drei Fingern abzählen lassen.

FAZIT: Vorsichtiger Optimismus ist angebracht. Lob für eine weitere Serie abseits der alten Trampelpfade natürlich ebenso. 

 


 

49 – HAWK AND DOVE
von Sterling Gates und Rob Liefeld

o PRO: Nada, null, niente, rien.

o KONTRA: Rob Liefeld. Der Mann ist ein einmaliges Phänomen unter den Comic-Zeichnern. Niemand sonst, dem es so erschreckend eindeutig selbst an den simpelsten Grundlagen seines Handwerks mangelt, konnte sich bis dato so schnell und so nachhaltig allein durch seinen von einem Dutzend besseren Kollegen geschickt zusammengeklauten Zeichenstil als Schwergewicht der Comic-Branche etablieren. Knapp gesagt: Alles, was Du je darüber gehört hast, wie schlecht Rob Liefeld sein soll, ist wahr.

FAZIT: für Gaffer. 

 


 

50 – BLUE BEETLE
von Tony Bedard und Ig Guara

o PRO: Der derzeitige Blue Beetle, alias Jaime Reyes, wurde erst 2006 von Keith Giffen, John Rogers und Cully Hamner erdacht und ist damit eine der jüngsten Figuren, die ab September in ihren eigenen DC-Serien zu sehen sein werden. Das ist sicher zu begrüßen, ebenso wie die lateinamerikanischen Wurzeln der Figur. Das Kreativteam ist unspektakulär aber kompetent, und es sollte sich hier relativ ungestört austoben können.

o KONTRA: Ob die Idee aufgeht, das DC-Universum dadurch ein bißchen weniger „weiß“ zu machen, dass man Rollen aus der vierten Reihe neu besetzt, ist eher fragwürdig. Besonders wenn sie, wie Blue Beetle, neben ihrer ethnischen Herkunft über keinerlei Alleinstellungsmerkmale verfügen.

FAZIT: Könnte ein kurzweiliger, solider Superheldencomic werden, der nur spielen will und niemandem wehtut. Zu sehr daran gewöhnen sollte man sich allerdings nicht, denn die Serie ist vor nicht allzu langer Zeit schon einmal nach rund 30 Ausgaben gescheitert. 

 


 

51 – LEGION OF SUPER-HEROES
von Paul Levitz und Francis Portela

o PRO: Keiner kennt die Legion der Superhelden so gut wie Autor Paul Levitz, der die Serie 1977 zum ersten mal betreute.

o KONTRA: Legion of Super-Heroes ist eine dieser Serien, von denen DC und Marvel glauben, sie immer und immer wieder ausgraben zu müssen, egal wie oft sie am Markt scheitern: aus Tradition, basta. So ist es denn auch wurscht, dass sich schon die aktuelle Paul-Levitz-Version der Reihe schleppend verkauft – genauso wie die meisten anderen Versionen davor auch. Davon, dass die Reihe eine der anachronistischsten und verwirrendsten Superheldenserien überhaupt ist, ganz zu schweigen.

FAZIT: Nur für die Härtesten der Harten unter den DC-Fans. 

 


 

52 – LEGION LOST
von Fabian Nicieza und Pete Woods

o PRO: Das Konzept der Reihe – sieben Helden aus dem 31. Jahrhundert reisen in unsere Gegenwart zurück, um ihre Ära vor der Vernichtung zu bewahren – ist nicht neu, macht aber Lust auf mehr. Und Autor Fabian Nicieza und Zeichner Pete Woods traut man sogar zu, was daraus zu machen.

o KONTRA: Es hängt halt mit der Legion der Superhelden zusammen, weshalb das Damocles-Schwert eines Crossovers über der Serie schwebt.

FAZIT: Zaghafte Empfehlung. Sobald sich allerdings ankündigt, dass die Serie sich mit Legion of Super-Heroes überkreuzt, sollte man das Weite suchen. 

 


 

Hier geht’s zu Teil 1, Teil 2 und Teil 3 der Blog-Serie.