Rezensionen

Touna Mara 1 – Das Gedächtnis des Steins

Cover Touna Mara 1Es ist doch immer wieder erfreulich, wenn auf dem zugegebenermaßen etwas schwierigen deutschen Markt ein neuer Verlag gegründet wird, der sich daran macht, Comics zu veröffentlichen. Im Februar 2011 taten sich vier Comicleser und -sammler aus dem Rheinland zusammen und gründeten den All Verlag (oder genauer gesagt: ließen den Verlag, der Ende der 1980er Jahre schonmal existierte, neu aufleben). Nach Verlagsangaben steht dahinter die Intention, „Comics zu veröffentlichen, die wir selbst gerne lesen würden, die aber bei den vorhandenen Verlagen keine Chance auf eine Veröffentlichung haben.“ Zunächst sind pro Jahr nur vier Bände geplant. Der vorliegende erste Teil von Touna Mara ist die erste Publikation des Verlages, der zweite Teil der Story soll im April 2012 erscheinen.

Was Gestaltung, Druckqualität, Ausstattung und Papier angeht, kann man erkennen, dass alle Verlagsmitglieder schon Erfahrungen haben, denn Kinderkrankheiten, wie man sie oft bei Neugründungen erwartet, sind hier nicht zu finden. Selbst im Lettering sind keinerlei Fehler festzustellen. Hier ist also schon ein guter Start gelungen. Aber wie sieht es nun mit der Geschichte an sich aus?

Seite aus Touna Mara 1In der Steinzeit geht in den Weiten Sibiriens ein Mann auf die Jagd, fällt aber den Wölfen zum Opfer. Während er im Todeskampf liegt, gebiert seine Frau eine junge Tochter, die vom Häuptling des Stammes jedoch  verstoßen wird. Fortan wächst sie bei den Wölfen auf. In der heutigen Zeit macht sich eine Gruppe von Wissenschaftlern nach Sibirien auf, um merkwürdige Mutationen zu untersuchen. Verstärkt sind Kinder zu finden, die eine Mischung aus Wolf und Mensch sind. Doch sind sie wirklich ungefährlich?

Der Comic ist eine etwas waghalsige Reise, der verschiedenste Elemente auf kleinem Raum vereint und so eine Tour de Force durch Mythen, Legenden und Historie unternimmt. Allein das Aufwachsen eines Kindes bei Tieren ist zentraler Bestandteil vieler Mythen und Legenden, wobei die von einer Wölfin gesäugten Romulus und Remus, die Stadtgründer Roms, nur ein Beispiel sind. Der mögliche Einfluss außerirdischer Elemente auf die Entwicklung der Erde ist auch nicht unbekannt (wie etwa der Meteoriteneinschlag, der die Dinosaurier auslöschte). Übrigens ging in Sibirien wirklich mal ein Meteor runter.

Seite aus Touna Mara 1Die geschickt aufgebaute Erzählung in zwei parallel verlaufende Stories ist in mehrfacher Hinsicht gelungen. Zum einen wird die Spannung permanent aufrechterhalten, da die Erzählung nach wenigen Seiten in der Zeit springt. Zum anderen erschafft Autor Patrick Galliano damit sowohl einen Kreislauf als auch eine Dualität, die den Band wie ein roter Faden durchzieht. Da wäre zum einen die Dualität Animismus versus Wissenschaft, der historische Zeitenwandel insgesamt und das Paar Ratio gegen Instinkt und Trieb. Im Laufe der historischen Entwicklung entwickelte der Mensch die Wissenschaft, welche im Verbund mit der (christlichen) Religion den Animismus ablöste. Der Trieb und die Instinkte wurden zugunsten der Ratio unterdrückt. In diesem Band geschieht dies aber auf zweierlei Art: Zum einen geht es um die Evolution vom Tierischen zum Menschlichen, aber auch darum, dass in der Auslebung des Triebes die Menschen wieder zum Tier werden. Dualität herrscht also allerorten. Auch der Tod des Vaters und die gleichzeitige Geburt des Kindes steht für den ewigen Kreislauf zwischen Werden und Vergehen.

Touna Mara ist eine Mischung aus Sci-Fi, Mystery, (Wissenschafts-)Thriller, Historie, Horror und einer Mythensammlung mit einigen deutlichen Zitaten wie etwa aus dem Film 2001 von Stanley Kubrick. Das ist alles ein bisschen viel auf engem Raum und manche mögen deshalb den Kopf schütteln, aber es ist durchaus spannend und faszinierend zu lesen. Denn unterhalb der Geschichte befinden sich viele Aspekte, über die man reflektieren kann. Die schönen stimmungsvollen, naturalistischen Zeichnungen von Mario Milano weisen gerade bei den Frauengestalten einen deutlichen Einfluss von Milo Manara auf. Aber auch auf der Bildebene finden sich viele Dualitäten und Gleichsetzungen zu finden (etwa die Form des Meteoriten und die Speerspitze), welche die Aussage des Bandes sehr gut unterstützen.

 

Wertung: 8 von 10 Punkten

Gelungener Einstand, der in unterhaltsamer Form zum Reflektieren über Dualitäten und die menschliche Entwicklung anregt.

Touna Mara 1 – Das Gedächtnis des Steins
All Verlag, November 2011
Text: Patrick Galliano
Zeichnungen: Mario Milano
Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 15,80 Euro
ISBN: 978-3-926970-08-4
Leseprobe

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Abbildungen: © der dt. Ausgabe: All Verlag