Rezensionen

Neandertal 1+2


 Die Steinzeitära bildet auch im Bereich der Unterhaltungsindustrie eine steinzeitliche Wüste. Dieser geschichtliche Abschnitt ist sträflich vernachlässigt worden und diente höchstens mal als Kulisse für einige Zeitreiseepisoden verschiedenster Auswüchse. Als Hintergrund einer eigenständigen Erzählung diente die Steinzeit nur selten, wie z.B. in dem Film Am Anfang war das Feuer oder, im weiteren Sinne, in 10.000 B.C. Im Bereich der Literatur ist vielleicht Ayla die bekannteste Adaption. Angesichts dieser wenigen Erzeugnisse kann man Emmanuel Roudier eigentlich nicht genug dafür loben, die Steinzeit als historischen Hintergrund zu verwenden und obendrein den weithin unterschätzten Neandertaler als Helden zu etablieren.

Einer der Gründe, warum die Steinzeit popkulturell meist ignoriert wird, mag wohl sein, dass aus dieser Zeit keine schriftlichen Zeugnisse erhalten sind, die auch Nicht-Archäologen und Nicht-Paläontologen das Leben dieser Menschen, oder besser Halb-Menschen, näher bringen könnten. Insofern bleibt viel Spielraum, der gefüllt werden muss. Und zwar mit Anleihen aus anderen Kulturkreisen. So erinnern manche Passagen in der Comicserie Neandertal an das Gedankengut der Indianer oder an andere Naturvölker mit ihrem animistischen Glauben und Fetischen, Clanbildung, etc. Diese Übernahme ist zwar sinnvoll und auch glaubhaft, wirkt aber gewissermaßen hilflos. Ein Eklektizismus der Naturvölker, angewandt auf die Steinzeit, weil man sich anders nicht zu helfen weiß. Nach dem ersten Band scheint Roudier Kritik erfahren zu haben, dass er die Protagonisten mit moderner Sprache ausgestattet hat. Diesen Entgegnungen bietet er im Nachwort zum zweiten Band Paroli und entkräftet damit diese Vorwürfe.

 Die Story ist in ihren Grundzügen nicht wirklich neu: Ein Außenseiter seines Stammes (der aufgrund einer körperlichen Behinderung nicht in der Lage ist zu jagen, dafür aber eine Begabung für das Handwerkliche besitzt) wird durch Schicksalswendungen zum Helden. Dieser Außenseiter, Laghou, und seine Brüder bekommen von ihrem sterbenden Vater den Auftrag, einen mächtigen Bison, genannt Langbart, zu erlegen. Ansonsten solle sie der Fluch der Geister treffen. Während der Jagd wird einer der Brüder von den anderen ermordet. Laghou, der Zeuge des Mordes wird, verlässt den Stamm, um den sagenumworbenen Jagdkristall zu erwerben, mit dem er Langbart töten und endlich Ansehen erlangen will. Bei dem Stamm des Mondes angekommen, soll er zunächst Prüfungen bestehen, bevor er den Kristall bekommen kann. Mit der jungen Frau Mana begibt er sich zum Stamm des Mooses, um dort ein Mittel gegen eine Seuche zu erlangen. Auf dem Weg finden sie nicht nur neue Freunde, sondern müssen auch gegen eine feindliche Natur und Kannibalen bestehen.

 Die Bausteine von Roudiers Geschichte – ein Außenseiter, der über sich hinauswächst, eine gefahrvolle Reise, Exotik, Prüfung, weise Lehrer, zarte Liebe, Schurken – gehören seit alters her zu den Archetypen aller kulturellen Erzeugnisse. Mit dem Hintergrund der Steinzeit werden sie quasi „heimgeholt“. In groben Zügen ist das zwar nicht neu, aber dennoch spannend und interessant zu lesen, da man der – mögliche – Gedanken- und Lebenswelt der Neandertaler im Abenteuergewand näher kommen kann. Im Laufe der Reise werden auch Grundsteine für eine wegweisende Zukunft gelegt: die Zivilisation. Wölfe werden domestiziert, Clans tauschen Wissen und Mitglieder aus und verbünden sich gegenüber einen gemeinsamen Feind. Man kann sehr gespannt sein, wie die Serie im dritten Band abgeschlossen wird.


Gut
Ein vernachlässigtes Kapitel der Geschichte solide im Abenteuergewand umgesetzt, in der ein gewisses Maß an Hilflosigkeit gegenüber dem Hintergrund zu spüren ist. Dennoch empfehlenswert.

Neandertal 1: Der Jagdkristall
Text / Zeichnungen: Emmanuel Roudier
Splitter Verlag, November 2008
56 Seiten, Hardcover, 13,80 Euro
ISBN: 978-3-940864-86-4

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Neandertal 2: Der Lebenstrank
Text / Zeichnungen: Emmanuel Roudier
Splitter Verlag,  Februar 2010
56 Seiten, Hardcover, 13,80 Euro
ISBN: 978-3-940864-87-1

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Abbildungen: © Splitter Verlag