Rezensionen

Mjöllnir

Cover MjöllnirNach den Splitter Books, die komplette Serien in einem handlichen Format beinhalten geht der Bielefelder Verlag mit dem neuen Format „Splitter Double“ nun auch dahin, kurze Serien aus Frankreich in einem Doppelpack zu veröffentlichen. So besteht der nun auf Deutsch erschienene Mjöllnir aus beiden Alben der französischen Ausgabe und beinhaltet somit die komplette Erzählung in einem Band.

Es geht um einen Zwerg, der nach dem Donnergott Thor benannt ist. Doch dieser Thor möchte keine Kriege mehr führen, sondern nur mit seiner Familie in Frieden leben. Als jedoch Menschen seinen Bruder und andere Zwerge entführen, um sie in einer Arena bei sadistischen Spielen kämpfen zu lassen, macht er sich widerwillig auf den Weg zu einer Strafexpedition. Doch diese wird sein Leben verändern, als er einen gewissen Hammer in seine Hände bekommt. Und nicht nur seines, sondern das Schicksal der gesamten Welt wird fortan von seinen Handlungen bestimmt.

Der französische Comicautor Olivier Peru ist ein Phänomen. Und zu Recht erfolgreich. Denn er versteht es wie momentan kaum ein anderer, sich bekannte Genres vorzunehmen und, ohne sie vollkommen auf den Kopf zu stellen, doch gänzlich gegen den Strich zu bürsten. Da konnte er in Nosferatu dem Vampirmythos trotz jahrhundertelanger Tradition neue Aspekte abgewinnen, mit Zombies den Untoten doch frisches Fleisch geben und in Krieg der Orks einige Fantasyklischees aushebeln. Dabei kommen Klischees und typische Konfigurationen bei Peru durchaus vor, aber eben anders.

Seite aus MjöllnirEs spricht für Perus Intelligenz, dass er sich in den Genres auskennt und weiß, wo durch exorbitanten Gebrauch altbekannter Zutaten manches fade schmeckt. Diese ersetzt er durch andere Gewürze und bekommt ein schmackhaftes Gericht, ohne das Rezept grundlegend zu ändern. Besonders hat er anscheinend eine Abneigung gegen die Elfen, welche im Fantasybereich doch oft arg verniedlicht, ja sogar verkitscht dargestellt werden. In Krieg der Orks waren sie die Hauptgegner, und auch in Mjöllnir kommen sie vor. Allerdings haben sie nichts mehr mit den edlen Wilden à la Tolkien zu tun, sondern haben eher den Charakter von vampirischen Monstern und Drogensüchtigen, die am Cold Turkey zu sterben drohen. Man merkt schon, wohin die Richtung geht: eine leichte Verschiebung.

Doch steht hier nicht die Fantasy im Mittelpunkt, sondern die nordischen Göttersagen. Wobei das gar nicht so leicht zu trennen ist, denn in seiner Kombination von klassischen Fantasyelementen mit klassischen Sagen macht Peru zudem deutlich, dass es die moderne Fantasy ohne Mythen und alte Religionen gar nicht geben würde. Diese Verbindung gelingt ihm kongenial und es ist nicht ohne Witz, dass Thor ein Zwerg ist und der listige Loki als Mensch wiedergeboren wird, da diese auch schon bei Tolkien als Wesen ohne Ehre und Wahrheit dargestellt werden. So stehen die beiden Brüder auch für die unterschiedlichen Charaktere der jeweiligen Rasse, mit ihnen bekämpfen sich Traditionen und Moderne und ringen um einen Ausgleich.

Manches erinnert hier an den Herrn der Ringe und es ist beeindruckend, wie stark auf so kleinem Raum eine Verdichtung der Stoffe gelingt. Dabei wirkt Peru bei der Herstellung der Metaebene nie angestrengt, sondern immer leichtfüßig, und die Story kommt spannend, dramatisch und actionreich daher. Kritik an der Religion wird ebenso untergebracht wie die Aussage, dass man sich seinem Schicksal nicht blind ergeben muss. Gerade das alte Götterverständnis, wie es beispielsweise noch in Marvels Thor präsentiert wird, bekommt hier deutliche Risse. Präsentiert wird dies in detailreichen Zeichnungen von Pierre-Denis Goux, dem einige besonders eindrucksvolle Szenen gelingen, die in der Panelkonstruktion auch sehr filmisch ausgefallen sind. Hier ist alles möglich und man kann kaum noch den nächsten Streich von Peru erwarten.

 

Wertung8 von 10 Punkten

Wieder einmal gelingt es Peru, ein Genre zu bedienen und es doch auf den Kopf zu stellen.

 

Mjöllnir
Splitter Verlag, 2014
Text: Olivier Peru
Zeichnungen: Pierre-Denis Goux
Übersetzung: Thomas Schöner
112 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 22,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-661-5
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Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Splitter Verlag