Rezensionen

Jazam! 4 – Monster

Jazam! MonsterEin knallgrünes Monster mit knubbligen Hörnchen auf dem Kopf und einem großen Löffel in der Hand. So putzig sieht die neue Jazam!-Ausgabe aus, doch sollte man sich nicht von Daniela Uhligs süßem Cover in die Irre führen lassen. Der vierte Band der Künstlergemeinschaft Jazam! lädt diesmal in die Welt der Monster ein und droht dabei aus allen Nähten zu platzen. Die 354 Seiten sind randvoll mit Monstern, die sich in Klos verstecken, durch U-Bahn-Schächte kriechen, unter Betten hausen, in Schränken wohnen, im Tiefgrass lauern, in Bussen reisen, auf Friedhöfen wiedererweckt werden und solche die einfach mal die in der Hölle einen Spazierengehen machen. Das sind sehr viele Monster, das ist unbestritten, doch wie kann eine solch monströse Reizüberflutung überhaupt vom Leser verarbeitet werden?

Doch bevor wir uns, wie einst Bill Murray, den Monstern stellen, soll eine Kurzchronik der bisherigen Jazam!-Ausgaben einen besseren Überblick verschaffen und zeigen, wohin die Reise geht:

Jazam! #1  „Märchen“ mit 27 Künstlern auf 108 Seiten (Comicgate-Rezension)
Jazam! #2 „Götter“ mit 40 Künstlern auf 164 Seiten (Comicgate-Rezension)
Jazam! #3 „Zeit“ mit 52 Künstlern auf 220 Seiten (Comicgate-Rezension)
Jazam! #4 „Monster“ mit 68 Künstlern auf 354 Seiten

Das WC-MonsterDer konstante Anstieg der Zahlen zeigt das stetige Wachstum  des Projekts von Adrian vom Baur, David Koslowski, Veronika Mischitz, Nico Simon und Florian Steinl, die mit Jazam! sowohl sich selbst als auch anderen jungen Künstlern eine Möglichkeit bieten wollen, ihre Comics zu veröffentlichen (Dazu Adrian vom Baur im Interview mit Comicgate.)  Auch für die aktuelle Ausgabe, über dessen Thema „Monster“ demokratisch abgestimmt wurde, haben die fünf jede Menge Beiträge zugeschickt bekommen und mussten leider auch wieder mehreren Jungkünstlern absagen. Aber schauen wir uns doch einfach einmal, wo die wilden Kerle wohnen, die es in die Anthologie geschafft haben.

Jazam! 4 punktet durch seine unglaubliche Vielfalt, mit der die Frankensteins und Zombies zum Leben erweckt werden. Während die einen ihr großartiges Talent für humoreskes Erzählen („Attack of the Urzeitkrebs“ von Lapinot) einsetzen, beschäftigen sich andere lieber mit der detaillierten graphischen Umsetzung des Übernatürlichen („Open Air“ von Moritz von Wolzogen). Die Waffen der Künstler-Recken, mit denen sie gegen die Monster antreten, sind zahlreich: Von dünnen über dicke Stiften, von Schabkartons und Computermäusen, von Wasserfarben bis hin zu Kohlestiften finden alle Zeichentechniken Verwendung.

Einst um MitternachtErzählerisch stechen vor allem die Geschichten heraus, bei denen die angestammten Rollen vertauscht werden und die Monster sich plötzlich moralisch integer verhalten. Ihre Aufgabe, den Menschen Angst und Schrecken einzujagen, wird stattdessen von verklagenden Anwaltshorden („Verklag mich doch!“ von David „Ome“ Koslowski) und Sackgesichtern („Sackgesicht“ von Tom Baltes und Florian Steinl) übernommen. Spielerisch wird es, wenn ein Killerhase mit riesengroßen Messern ausgerüstet und von Kreuzreimen begleitet durch die scherenschnittartigen schwarz-weißen Landschaften stolpert („Einst um Mitternacht…“ von Cartoonplatoon und Julia Chelkowski). Doch gerade diese wunderbare Vielfalt lauert wie ein Monster im Schrank und droht jederzeit herauszukommen.

Neben der schier endlosen Fülle an interessanten graphischen Ideen gibt es aber auch einen Haufen an Geschichten, die man ohne große Verluste hätte streichen können. Wie viele Splatter-Orgien im Stile eines Richard Corben benötigt man, um auf seine Kosten zu kommen? Die Antwort lautet: Höchstens eine. Selbst die Figuren bei Commander Cork bangen: „Hoffentlich ist die Haltbarkeit noch nicht abgelaufen.“ Wenn man es auf sechs Seiten voller Sprechblasen  nicht schafft, Comic-JamSpannung aufzubauen, dann, lieber Herr Perez, hat dieser Comic sein Haltbarkeitsdatum sicherlich überschritten („Bredouille 3120“ von Rudolph Perez).

Mit der vierten Ausgabe  hat sich Jazam! – vor allem durch die Initiative der verantwortlichen Herren und der Dame – mittlerweile zu einem  regelrechten Sprungbrett für junge deutsche Comic-Künstler gemacht. Einige der Zeichner haben durch Jazam! Kontakt mit Comicverlagen geknüpft und auch schon ihre eigenen Comics herausgebracht. Der abschließende Comic-Jam zeigt auch noch einmal sehr anschaulich, wie sich die jungen Zeichner ihr ganz eigenes Netzwerk aufgebaut haben, das sowohl flexibel genug ist, neue Künstler mit ins Boot zu nehmen, als auch prominent genug, um auf sich aufmerksam zu machen. Doch die Monster-Ausgabe zeigt auch, dass man in Zukunft aufpassen muss, wie viele Beiträge eine einzelne Anthologie verträgt, ohne unübersichtlich zu werden.

Jazam 4 – Monster
Eigenverlag, Juni 2009
Herausgeber: Adrian vom Baur, David Koslowski, Veronika Mischitz, Nico Simon, Florian Steinl
354 Seiten, s/w; 15,- Euro

Leseprobe des vierten Bandes (PDF)

Ein Comic-Schaukasten von monströsen Ausmaßen

Links zum Thema
Homepage: www.jazam.de (inklusive Shop)
häufig aktualisiertes Blog: jazam.de/blog
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