Rezensionen

Die Haie von Lagos 4 – Die Geister des Meeres

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Cover Die Haie von Lagos 4Man konnte gespannt sein auf den neuen Zyklus. Die Haie von Lagos ist schon längst ein Klassiker. Und das nicht nur, weil sie von einem deutschen Zeichner und Autoren geschaffen wurden – zu einem Zeitpunkt, Ende der 1980er Jahre, als das hierzulande noch ziemlich unüblich war. Denn die Serie von Matthias Schultheiss war auch in punkto Sex und Gewalt nicht gerade zimperlich und manche sahen darin auch deutlichen Rassismus (etwa wenn permanent von der „schwarzen Seele“ die Rede ist). Der Comic war also ziemlich kontrovers und Schultheiss hatte sich in einem gewissen Sinne selber eine Falle gestellt, indem er einen zutiefst unsympathischen Helden geschaffen hatte, den er nicht mehr recht in den Griff zu bekommen schien.

Dementsprechend fielen Band zwei und drei damals in Sachen Story ziemlich ab, obwohl mit der Figur der Sarah auch ein moralisches Korrektiv und Sympathieträgerin eingeführt wurde. Nur leider war ihre erwachende Liebe zu Lambert nicht gerade glaubwürdig, da dieser Pirat eben ein wahres Monster ist. Jedenfalls war die Story beendet und die beiden Hauptfiguren ritten, sorry, falsches Genre: segelten in den Sonnenuntergang. Das ergab Raum für Fantasie, aber die ursprünglichen Konflikte waren nun eigentlich beendet. So war die Ankündigung eines neuen Zyklus überraschend und machte neugierig.

Wie das dann auch oft so ist: Die Erwartungen werden hoch und höher geschraubt. So kann der neue Band eigentlich auch nur enttäuschen. Und genau das trifft dann auch ein. Erschreckend ist eigentlich nur die Dimension, in der das geschieht. Eine Story gibt es nicht und Schultheiss setzt ganz auf seine Bilder, was durchaus eine Stärke ist. Dennoch sollte eine zu erzählende Geschichte nicht vergessen werden.

Seite aus Die Haie von Lagos 4Worum geht es eigentlich? Die Antwort ergibt sich auch nicht nach der Lektüre. Schultheiss beginnt dort, wo er Sarah und Lambert am Ende des ersten Zyklus (der gerade ebenfalls beim Splitter Verlag als Gesamtausgabe erschienen ist) verlassen hat: auf dem Meer. Dort werden die beiden Flüchtenden von einem Sturm gebeutelt und Lambert gelingt es, schwer verletzt an einer asiatischen Küste anzulanden. Dort warten aber schon wieder Feinde. Das war es. Eine ausgefeilte Geschichte sieht anders aus und obwohl die Figuren permanent in Aktion sind, führt es eigentlich nirgendwo hin.

Und bedauerlicherweise gibt es in den Rudimenten einer Dramaturgie immer noch ähnlich unausgegorenes esoterisches Geschwurbel wie im ersten Zyklus. Das wird zwar später auf die Spitze getrieben, aber es vermag nicht zu überzeugen. Was hier vorliegt, ist eher eine Variation des Themas „Der alte Mann und das Meer“, welche allerdings manchmal unnötig brutal ausfällt. Denn die Gewalt stützt die Story nicht, hat im Grunde auch keine Aussage und ist hier reiner Selbstzweck. Ja, Lambert ist eine Bestie und hat die Seele eines Hais. Die Kombination von Pirat und Hai wird später, wie oben schon erwähnt, auf die Spitze getrieben: Er verliert ein Auge und beißt zu wie ein Hai, lebt also nach rein tierischen Instinkten, was einen verqueren Reiz besitzt. Und die letzte Seite hält einen schönen kleinen Gag parat, wobei aber unklar bleibt, wohin das führen soll.

Grafisch kommt das alles aber äußerst eindrucksvoll daher. Die Szenen auf dem Meer, und die machen 90 Prozent des Albums aus, beeindrucken und faszinieren. Schultheiss‘ plastischer Stil entfaltet hier voll seine Stärke. Da hätte es den Off-Kommentar, der die Verlässlichkeit der Bilder stellenweise aushebelt, oft gar nicht gebraucht. Jedenfalls sind diese Meeresszenen sehr beängstigend und es wird geschickt mit den Panels und deren Aufbau gespielt. Aber eine Dramaturgie wäre hier hilfreich gewesen. Mal sehen, wohin das im nächsten Teil führen wird.

 

 

Wertung: 5 von 10 Punkten

Eine nicht vorhandene Geschichte wird immerhin in beeindruckenden Bildern erzählt.

Die Haie von Lagos 4 – Die Geister des Meeres
Splitter Verlag, Juli 2014
Text und Zeichnungen: Matthias Schultheiss

48 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 13,80 Euro

ISBN: 978-3-86869-742-1
Euro: 13,80
Leseprobe

 

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Abbildungen: © Matthias Schultheiss/Splitter Verlag