Rezensionen

Auf der Suche nach dem Einhorn

 Im Jahr 1471 erhält Juan de Olid, ein treuer Gefolgsmann des Konnetabel Kastiliens (eine Region in Spanien) einen besonderen Auftrag. Er soll sich mit ein paar Dutzend Männern für König Heinrich IV. auf eine abenteuerliche Expedition begeben. Ziel ist die Ostküste Afrikas, ein bis dato weitestgehend unerforschtes Gebiet, über das es mehr Gerüchte denn Fakten gibt. Dort soll Juan de Olid das Horn eines Einhorns erbeuten, dem aphrodisierende Wirkung nachgesagt wird.

Die Suche nach dem Einhorn entwickelt sich als schier endloses Unterfangen. Auf dem Weg gibt es zahlreiche Verluste zu beklagen und die Gruppe um de Olid muss sich immer wieder unbekannten Herausforderungen stellen. Zu diesen zählt die Begegnung mit den Mauren, afrikanische Stämme verwickeln die Eindringlinge mitunter in blutige Schlachten und die Odysee durch die heiße Steppe fördert Krankheit und Tod bei den Reisenden.

Emilio Ruiz und Ana Miralles ist mit diesem Comicband ein kleines Meisterwerk geglückt, allerdings kann man den beiden Kreativen nicht das alleinige Lob aussprechen. Bei der in sich abgeschlossenen Erzählung Auf der Suche nach dem Einhorn handelt es sich nämlich um eine Umsetzung des gleichnamigen  Romans von Juan Eslava Galan. Und der schien es bereits bei der Vorlage bezüglich der historischen Genauigkeit sehr ernst zu nehmen (wobei Galan bei der Adaption Ruiz und Miralles komplett freie Hand ließ, wie im Anhang des Bandes zu erfahren ist).

 Das Ergebnis ist ein geschichtlich präziser Abenteuercomic, der unaufgeregt anfängt, aber an Brisanz zunimmt, je länger sich die Expedition hinzieht. Der Hauptcharakter, ein kluger und gutaussehender Anführer, der auszieht, um seinem Land Ruhm und Ehre zu bringen, nimmt den Leser mit auf eine Erlebnisreise quer durch den schwarzen Kontinent, der sich zuweilen als grausamer und von gefährlichen Tieren bevölkerter Ort entpuppt. Das Ganze ist unheimlich gut umgesetzt, sind Juan und seine Gruppe doch vergleichsweise zivilisiert und aufgeklärt, stoßen aber blind in neue Regionen vor – im festen Glauben, dass das sagenumwobene Einhorn mithilfe einer Jungfrau einzufangen sein. Die Story entwickelt sehr schnell eine gewisse Dramatik und man fragt sich unweigerlich, ob die Mission überhaupt jemals zu einem guten Ende kommen kann und vor allem, ob die Expedition schlussendlich fündig werden wird.

Zeichnerin Ana Miralles hat deutlich Wert auf eine detailreiche Umsetzung gelegt, so fangen ihre Bilder in wunderbarer Weise die afrikanischen Landschaften, aber auch die Lebensweise und Kultur der unterschiedlichen Bewohner ein. Die leichte Strichführung schafft es auch, jeder noch so kleinsten Bewegung oder Mimik der Figuren Ausdruck zu verleihen und auch die seichte Farbgebung, die viel mit Ockertönen arbeitet, steht perfekt im Einklang zu dem im 15. Jahrhundert spielenden Szenario.

Besonders gefallen hat mir auch die abgedruckte Karte, auf der die Marschroute der Expedition aufgezeigt wird. Man merkt auch hier einfach noch einmal, dass Idee und Entwicklung des Comics sehr wohl durchdacht sind und aus der Romanvorlage unter Nutzbarmachung des Mediums Comic ein eigenständiges Werk geworden ist, das sich mehr als sehen lassen kann.

Über die Beweggründe der Künstler für diese Adaption und den Produktionsprozess informiert auch das Interview am Ende des Bandes, der zweifellos zu einer der besten Albenveröffentlichungen der letzten Monate gehören dürfte.

 

Auf der Suche nach dem Einhorn
Ehapa Comic Collection, September 2009
Text: Emilio Ruiz
Zeichnungen: Ana Miralles
160 Seiten, HC, 39,95 Euro
ISBN: 978-3-7704-3306-3

Exzellente Comic-Expedition

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Abbildungen: © Ehapa Comic Collection