Interviews

Interview mit Christian Moser

 Für ein Interview traf sich unser Redakteur Daniel Wüllner mit dem Zeichner und Autor Christian Moser, vor allem bekannt als Schöpfer der Monster des Alltags, im Baader Café, einer der wohl entspanntesten Münchner Adressen. Dort unterhielten sich die beiden unter anderem über Monster, Rückenschmerzen, „die Innere Leere“ und Stammgäste.

Selbstporträt von Christian MoserComicgate: Ich sitze hier mit Christian Moser im Baader Café. Draußen ist es sonnig und heiß; drinnen sind alle Tische noch frei. Wir haben uns getroffen, um uns ein bisschen über deine Arbeit zu unterhalten. Außerdem ist ja gerade der dritte Teil der Monster des Alltags (Die Teuflischen Tricks der …) erschienen. Aber bevor wir näher auf die kleinen Psycho-Spießgesellen eingehen, lass uns zunächst über deine Arbeit im Allgemeinen reden. Mich würde interessieren, wie dein monströser Arbeitsalltag als Comic-Künstler aussieht und wie du ihn bewältigst.

Christian Moser: Mein Arbeitsalltag kann sehr unterschiedlich sein, je nachdem, was ich gerade mache. Wenn ich an einem Buch arbeite, dann gibt immer erst mal die Phase, in der ich Ideen sammle. Da ist der Alltag eher unstressig, ich hänge viel in Cafés rum oder radele durch die Gegend. Beim Schreiben dagegen kann es dann recht anstrengend werden, weil ich dazu neige, an jedem Wort endlos herumzufeilen. Die Konzentration fürs intensive Schreiben kann ich zwar meist nicht länger als zwei oder drei Stunden aufrechterhalten, doch trotzdem ist der Tag dann irgendwie voll. Wenn es ans Zeichnen geht, kann ich bis zu zehn oder zwölf Stunden am Tag arbeiten. Es gibt natürlich auch Phasen, in denen ich kein Buch mache, dann arbeite ich an diversen Jobs oder lebe einfach.

CG: Aber hast du dann einen eigenen Rhythmus, so, dass du dir selbst sagst, das war jetzt zu viel? Die zehn oder auch zwölf Stunden, von denen du gesprochen hast – sind die dann das Limit?

CM: Ich höre meistens erst dann auf, wenn ich Rückenschmerzen bekomme; aber das ist wahrscheinlich ein Problem, das die meisten Zeichner haben: Man weiß, dass man gerade in arbeitsintensiven Phasen mehr Sport machen sollte, aber man findet nie die Zeit dafür.

CG: Das Büro ist dein Zuhause?

CM: Ja, ich arbeite zuhause.

CG: Gibt es da Lieblingsinstrumente, mit denen man am liebsten arbeitet? Oder gibt es andersherum Arbeitsschritte, die du nur ungern machst?

CM: Beim Zeichnen versuche ich schon, mich auf die Techniken zu beschränken, die mir am meisten liegen. Am liebsten arbeite ich ganz klassisch mit Bleistift, Feder und Pinsel. Am Computer koloriere ich nur sehr ungern, und wenn es wirklich mal sein muss, dann gebe ich das in Auftrag. Ich bin da nicht gut drin und werde es wohl auch nicht mehr, weil es mir einfach keinen Spaß macht, vor dem Bildschirm zu arbeiten.

CG: Also handelst du ein bisschen nach dem Lustprinzip?

CM: Die Art und Weise, wie der Strich mit der Feder sich auf dem groben Aquarell-Papier moduliert und variiert, ist für mich noch lange nicht ausgeschöpft. Die Feder ist für mich vielleicht etwas ähnliches wie der Geigenbogen für einen Musiker. Im Idealfall ist sie ganz vertraut, fast wie ein Teil  des eigenen Körpers. Aber dann werden die Federn durch die Abnutzung langsam weicher und der Strich zu dick; die neuen Federn sind noch nicht eingeschrieben und kratzen noch zu sehr. So muss man immer darauf achten, dass man sein Arsenal von sechs bis acht Federn parallel benutzt, damit immer mindestens drei optimal einsatzbereit sind. Ja, ich bin wahrscheinlich schon ein wenig ein Material-Fetischist.

CG: Eine Frage, die uns ein bisschen weg von den praktischen Arbeitsweisen hin zu den kreativen Elementen deiner Arbeit führt: Woraus ziehst du deine Inspiration?

CM: Grundsätzlich ziehe ich Inspiration aus allem: Aus Geschichten, die ich von Leuten in der Kneipe höre, aus Filmen, Fernsehen, Büchern und Zeitungen. Es gibt nichts, was man nicht irgendwie umsetzt. Speziell für die Monster sind natürlich Menschen die wichtigste Quelle: Freunde, Bekannte – und natürlich wir selbst, meine Co-Autorin Carolin [Sonner] und ich.

CG: Ist München für dich auch Teil dieser Inspiration? Du bezeichnest ja sogar das Baader Café als dein Zweitbüro. Welchen Anteil haben also die Stadt München und die Münchner Kneipen für deine Arbeit?

CM: Ich bin in München geboren und aufgewachsen und war eigentlich auch nie wirklich weg. Insofern ist diese Stadt natürlich mein Modell der Welt. Man muss den Mikrokosmos durchschauen, um den Makrokosmos verstehen zu können, und der Mikrokosmos ist für mich nun mal München.

CG: Also steht ein Umzug auch gar nicht an?

CM: Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich München irgendwann so gut kenne, dass ich nichts Neues mehr finde und es mir langweilig wird. Es ist eher angenehm und beruhigend, viele Menschen zu kennen und ein gut entwickeltes soziales Netzwerk zu haben. Außerdem bin ich gerne Stammgast.

CG: Welche Vorteile schätzt du am Stammgast-Sein?

CM: Man kennt die besten Sitzplätze. Man weiß, wann man wen wo treffen kann. Man ist mit den Kellnern per du. Das hat schon alles seine Vorteile. Ich bin nicht gerne ein anonymer Kunde.

Comicstrich – Das Album, Cover: C. MoserCG: Wenn du von sozialen Netzwerken sprichst, da kann München ja auch mit einigem im Bereich Comics aufwarten. Heute gibt es Comicaze , früher gab es den Comicstrich, bei dem du ja auch eine leitende Position eingenommen hast. Wie siehst du München in Anbetracht der Festivals und Zeichnergruppen als Comicstadt im Vergleich zu Berlin oder Hamburg heute?

CM: Wenn man gerade die Boomzeiten in den 1990ern anguckt, da gab es ja mit dem Comicstrich, Kromix und Sack voller Sorgen eine ganze Reihe von Magazinen. Zu der Zeit war München sicherlich deutlich aktiver als andere Städte. Durch den großen Erfolg der Manga ist das Zeichnen von Comics noch viel populärer geworden. Ich würde mal ganz mutig schätzen, dass es heute in jeder Stadt mit über 500.000 Einwohnern mindestens hundert aktive Comic-Zeichner gibt, ob die nun professionell für Verlage, für Fanzines oder nur zum privaten Vergnügen arbeiten. Es gibt da immer Wellen. Aus dem Umfeld des Comicstrich sind eine ganze Reihe von Leuten bei großen Verlagen gelandet oder zeichnen professionell für die Medien – die nächste Generation steht bestimmt schon in den Startlöchern.


CG: Kommen wir doch zum dritten Band der Monster des Alltags. Da hätte ich zunächst eine Frage zum Konzept der Monster. Ist die Idee dafür aus deinen Kleinen Köpfen erwachsen oder was stand am Anfang dieses Konzepts?

Bild aus dem Projekt CM: Die beiden Projekte unterscheiden sich grundsätzlich, ergänzen sich aber auch: Bei den Kleinen Köpfen zeige ich ja explizit nur das von Leben, Lust und Schicksal gezeichnete Äußere der Menschen, das Innere bleibt ein Rätsel. Ich überlasse es dem Betrachter, sich zu überlegen, wen er da vor sich hat – sozusagen eine nicht erzählte Biografie. Die Monster sind das genaue Gegenteil davon: Hier geht es gerade um die Charakterzüge und Verhaltensweisen, die den Menschen formen, ihn zum Individuum machen. Also gewissermaßen die Voraussetzung für Geschichten, die ich dann aber auch wieder nicht erzähle.

CG: Obwohl sich auch bei den Monstern jeder Leser seine eigene Geschichte baut. Das ist das Interessante an dem Band: Wenn man das Buch so durchblättert, sieht man lauter einzelne Bilder, und doch ist es eine zusammenhängende Comic-Geschichte, denn jeder füllt die Lücken mit seiner eigenen Vorstellung.

CM: Es gibt ja auch ein paar Kapitel in dem Buch, die einen narrativen Bogen haben, zum Beispiel die Beziehungsmonster. Zuerst kommt „die Sehnsucht“ mit dem Wunsch nach Liebe, dann gehen die Frühlingsgefühle („Brunft“, „Balz“ und „Betörung“) auf die Jagd, gefolgt von Beziehungsmonstern wie der „Hingabe“, der „Oberhand“ und dem „Wir“. Zum Schluss befreit sich die „Unabhängigkeit“ aus der Umklammerung und geht mit der „Untreue“ wieder auf die Pirsch.

CG: Du hast dir in diesem Fall einen narrativen Rahmen ausgedacht?

CM: In gewissen Rahmen schon. Aber so richtig konkret durcherzählt werden solche Geschichten nur im Bühnenprogramm. Die Monster-Bücher sollen ja vor allem Bücher sein, in denen man immer wieder kreuz und quer blättern kann.

CG: Du hast dir wirklich viel Mühe gegeben, was das Verzeichnis angeht, „Mose. Mons“, das hängt ja bestimmt auch mit der Zusammenarbeit mit Carolin Sonner zusammen. Ihr habt sehr viel Wert auf Exaktheit und das Layout gelegt. Wenn man sich überlegt, dass du als Comiczeichner und Illustrator mit einer Grafikerin und Layouterin zusammenarbeitest: Wo kann Carolin dir Sachen abnehmen, wie sieht die Zusammenarbeit da genau aus?

CM: Grundsätzlich bin ich ja kein Grafiker; ich hab das nicht studiert und ich weiß, dass ich nicht viel Ahnung von Typografie habe, und deswegen halte ich mich komplett fern davon. Mit Carolin arbeite ich jetzt seit über zehn Jahren zusammen, und ich denke, dass ich mit ihr die perfekte Grafikern gefunden habe. Ihr anspruchsvolles, sowohl klassisch als auch modern anmutendes Design harmoniert hervorragend mit meinen lustigen Zeichnungen – was ja nicht so einfach ist.

Bei den Monster-Büchern arbeiten wir auch inhaltlich zusammen. Zu Anfang überlegen wir gemeinsam, welche Begriffe wir behandeln wollen, zum Beispiel „Eifersucht“ oder „Ungeduld“. Dann erzählen wir uns erst mal eigene Erfahrungen und analysieren Beobachtungen im Freundes- und Bekanntenkreis. Wenn wir dann das Thema eingegrenzt und definiert haben, überlegen wir, wie es mit der Motivation des entsprechenden Monsters aussieht. Die Vorgehensweise des Monsters kann sich ja auf den ersten Blick durchaus von dem Phänomen unterscheiden, das von ihm hervorgerufen wird. Wenn das alles geklärt ist, mache ich mich ans tatsächliche Ausformulieren. Dann feilen wir gemeinsam an den Texten und suchen die Zeichnungen aus. Abschließend bekommt Carolin dann alles und gestaltet das Layout. Sie bestimmt, welches Bild groß gezeigt wird und welches klein, ob hier vielleicht noch eine Vignette fehlt oder dort eine Bildunterschrift. Sie schimpft mich auch gelegentlich, wenn die Texte zu lang sind. Woraufhin ich sie dann schimpfe, wenn die Schriften zu klein sind.

CG: Und wie lange dauert der gesamte Prozess, bis so ein Monster des Alltags das Licht der Welt erblickt, natürlich abgesehen von den ganzen mechanischen Produktionschritten der Buchherstellung, wie dem Druck?

CM: Das ist sehr unterschiedlich. Bei manchen weiß man sofort, wie es funktioniert, man schreibt es hin und das Monster steht. Bei anderen haben wir monatelang hin und her überlegt.

Monster des Alltags, Bd. 3 CG: Also gibt es Monster, die einfacher sind als andere?

CM: Ja, auf jeden Fall. Manchmal fliegt ein fertig entwickelter Text im letzten Moment doch noch raus, weil er einfach nicht in den Zusammenhang des Buches passt. Es gibt einige solcher Wackelkandidaten, die es in keinen der ersten beiden Bände geschafft haben, nun aber perfekt passen. Unser Lektor, Michael Groenewald, hat immer sehr großen Wert auf den „leisen Zweifel“ gelegt. Wir haben lange keine Möglichkeit gefunden, ihn passend einzubauen. Dann haben wir erkannt, dass es sinnvoller ist, die eigentlich von uns favorisierten „Prinzipien“ zu opfern. Der „Zweifel“ hat nun ihren Platz eingenommen, und er macht seinen Job sehr gut.

CG: Um noch einmal auf die Systematik in den Büchern zurückzukommen; Das grenzt ja ein bisschen schon an das Köchelverzeichnis. Wenn man hinten beispielsweise das Register aufschlägt, findet man Querverweise auf Band eins und zwei. Soll das die Wissenschaftlichkeit der Bücher suggerieren?

CM: Zunächst war das in erster Linie eine optische Idee, doch wir haben schnell entdeckt, dass in den Fußnoten und Querverweisen eine wunderschöne, zusätzliche Humorebene steckt. Das Register ist eher praktischer Natur, um dem Leser das Auffinden einzelner Begriffe zu erleichtern – bei drei Bänden mit insgesamt 180 Monstern kann das schon hilfreich sein. Allerdings steckt da auch viel Arbeit drin: Den ersten und zweiten Band gab es ja schon mal bei Knaur. Für die Neuausgabe haben wir beide überarbeitet, es kamen auch neue Monster dazu und dadurch haben sich die Seitenzahlen zum Teil verschoben. Das alles zu korrigieren, ist eine wahre Sisyphosarbeit! Und es ist noch lange nicht alles perfekt: In der derzeitigen Ausgabe beziehen sich der erste Band nur auf sich selbst, der zweite auf die ersten beiden und nur der dritte auf alle drei.

CG: Das heißt, es wird noch mal neu überarbeitete Monster-Bücher geben?

CM: Unbedingt! Im neuen Buch haben wir auch diverse Begriffe als Monster umgesetzt, die in den ersten Bänden noch als ganz normale Worte drinstehen. Da müssen dann wieder neue Quervereise erstellt werden, und und und … Wissenschaft ist schön, macht aber viel Arbeit.


CG: Wenn die Wissenschaft und die Kunst ausgezeichnet werden, dann werden oftmals Statuen ihnen zu Ehren aufgestellt. Für Günther Grass hat die Stadt Danzig den Oskar Matzerath aus Die Blechtrommel als Staute errichten lassen. Wenn München jetzt eine Statue für Christian Moser aufstellen würde, wie würde die aussehen und wo würde die stehen?

CM: Ich glaube, mein Favorit wäre „die Innere Leere“ als begehbare Hohlplastik (lacht); die könnte dann vielleicht auf der Theresienwiese stehen, als neues Wahrzechen des Oktoberfestes.

CG: Dann würde ich noch gerne auf das Bühnenprogramm zu sprechen kommen. Du hast ja gerade mehrere Auftritte gehabt und einige werden noch folgen. Man sieht überall Christian Moser und seine Monster: auf Tassen, auf Plakaten und auf Postkarten. Wo befindest du dich gerade? Liegt dir das szenische Sprechen im Moment gerade mehr?

CM:  Das ist ja immer ein Wechselprogramm. In erster Linie bin ich natürlich schon Autor und Zeichner; aber da schmort man oft im eigenen Saft. Man grübelt viel über seine Arbeit und sich selbst, bekommt Rückenschmerzen und Selbstzweifel. Schreiben und Zeichnen sind ja relativ autistische Beschäftigungen. Da ist es erfrischend, zur Abwechslung auf der Bühne zu stehen. Man liest, bekommt spontane Lacher und Applaus, und danach kann man mit den Leuten quatschen und ein Bier mit ihnen trinken.

Plakat zum Bühnenprogramm mit Severin Groebner CG: Du sprichst auf das fehlende Feedback an, das beim Arbeiten an einem Comic entsteht?

CM: Ja, das kommt bei Büchern schon sehr verzögert. Man schreibt und zeichnet im stillen Kämmerlein, tauscht sich nur gelegentlich mit dem Lektor aus oder mit Freunden, die als Testleser zur Verfügung stellen. Dann läuft das Ganze durch den Verlag, wird endlos korrigiert, bis man es endlich gedruckt in der Hand hält. Eines Tages sitzt man dann beim Signieren auf einer Messe oder in einem Buchladen, und ein Mensch, der das Buch gerade erst gekauft und somit wahrscheinlich noch gar nicht gelesen hat, sagt: Super. Da kommen die Reaktionen auf der Bühne natürlich viel unmittelbarer.


CG: Würdest du die Bühne auch anderen Kollegen empfehlen, um sich neben den notwenigen Illustrationen vielleicht noch nebenher in einem anderen Feld auszutoben? Es gibt ja bereits ein paar Beispiele in der Musik oder beim Film.

CM: Das hängt stark von der jeweiligen Mentalität ab. Es kommt nicht jeder damit klar, auf einer Bühne zu stehen. Als Teenager wollte ich unbedingt Rockstar werden, musste dann aber einsehen, dass das ohne viel Üben kaum klappen wird. Ich habe mich dann fürs Zeichnen entschieden, aber irgendwie haben mir die Auftritte immer gefehlt. Außerdem lerne ich auf der Bühne auch viel über Pointen. Die Texte der Neuauflagen von Band eins und zwei habe ich größtenteils aufgrund meiner Erfahrungen bei Lesungen überarbeitet.

CG: Also eine Abstimmung von Timing, bei dem das szenische Lesen den Humor des Schreibens unterstützt?

CM: Ja, klar gibt es auch immer Unterschiede zwischen dem Vortrag eines Textes und der privaten Lektüre. Der stille Leser verpasst ja nicht die zweite Pointe, weil er noch so laut über die erste so lacht. Live passiert so was schon mal.

Aber beim Vorlesen bemerkt man manchmal, dass einem gar nicht wirklich bewusst war, was an einem Text lustig ist. Man ist sich völlig sicher, hier ist die Pointe! – und dann stellt sich heraus, dass man das Publikum damit zwar zum Schmunzeln bringt, der echte Lacher aber an einer Stelle sitzt, wo man ihn nicht vermutet hätte. So lerne ich auch für zukünftige Texte.

CG: Wenn würdest du als Vorbild bezeichnen?

CM: Ein großes Vorbild ist Ralph Steadman , ein englischer Zeichner, der mittlerweile um die Siebzig sein muss. Er hat beispielsweise mit Hunter S. Thompson für den Rolling Stone Reportagen gemacht. Als junger Zeichner wurde er damals mit Thompson nach Texas geschickt und ist dort wegen seiner sehr radikalen Karikaturen fast gelyncht worden. Ich habe viel von Steadmans Einsatz der Farbe gelernt. Außerdem hat er in den 1970ern und 1980ern ein paar opulente Bildbiografien geschrieben und gezeichnet, die durchaus Vorbilder für meine Bücher über Goethe und Freud sind. Eine über Leonardo da Vinci, eine Autobiografie Gottes und auch eine über Freud, die ganz auf dessen Abhandlung über den Witz beruht. Deshalb habe ich dieses wichtige Werk bewusst ausgespart. Ansonsten haben meine Monster bestimmt etwas von Franquins putzig-schrecklichen Albtraum-Kreaturen. Aber es gibt sicherlich unzählige andere Inspirationen, die einfach so ins Werk einfließen, ohne dass es einem bewusst ist.

CG: Was liest du derzeit? Gibt es etwas, was du empfehlen kannst? Vielleicht Comics?

CM: Gerade bei den Comics versuche ich, alles immer so ein bisschen mitzukriegen. Jetzt habe ich gerade Cyril Pedrosas Drei Schatten gelesen, das hat mir extrem gut gefallen. Und natürlich muss ich an dieser Stelle  Hector Umbra, das neue Buch von Uli Oesterle sehr empfehlen.

Goethe – Die ganze Wahrheit CG: Das hört er bestimmt gern. Du hattest ja bereits gesagt, dass du dich nicht gerne in Schubladen stecken lässt.

CM: Ich versuche eigentlich, nicht zu viel über Genres nachzudenken. Wenn ich ein neues Thema angehe, dann habe ich eine ungefähre Vorstellung, wie es umgesetzt werden müsste. Das passiert aber unter Umständen im Prozess. Als ich damals mit dem Goethe-Buch [GoetheDie ganze Wahrheit] angefangen habe, war da zuerst nur die Idee, eine grafische, humoristische Sache über den Dichter zu machen. Das hätte auch ein Comic werden können, aber schließlich wurden mit die Texte immer wichtiger und es entwickelte sich zum illustrierten Buch.

CG: Gibt es denn in der Zukunft mal den Punkt, an dem du einen narrativen Comic schreiben möchtest, bei dem du ein eigenes Thema erzählst, das dann keine Adaption und kein Monster-Buch ist?

CM: Das will ich schon seit Jahren als nächstes machen. Ich habe auch Berge von angefangenen Geschichten in meinen Schubladen liegen.

CG: Und die verstecken sich dann alle in deinem Schreibtisch?

CM: Naja, ich habe eigentlich immer so zehn bis fünfzehn Projekte, die gerade im Werden sind. Wenn ich ein Buch beendet habe, gönne ich mir eine Zeit, in der ich an fünf bis sieben von diesen Entwürfen herumspiele, bis sich einer davon als Favorit herauskristallisiert. Außerdem muss man natürlich auch ganz praktische Überlegungen berücksichtigen: Bei den Biografien genügt es nicht, dass mich die Person interessiert, sie sollte auch in absehbarer Zeit ein Jubiläum haben. Ohne medienwirksamen Anlass haben gehen solche Bücher sehr leicht unter. Außerdem hat auch der Verlag so seine Wünsche … Und mich selbst führt es natürlich auch in Versuchung, wenn ich weiß, dass sich die Monster und die Biografien nun mal recht gut verkaufen und rein fiktionale Comicgeschichten es sehr viel schwerer haben. Man wird zwar nicht des Geldes wegen Künstler,  aber wenn man dann mal anfängt, etwas damit zu verdienen, ist das doch sehr schön.

CG: Welches von den sieben Projekten, die gerade zeitgleich laufen, steht der Vollendung am nächsten? Was dürfen Leser als nächstes von dir erwarten?

CM: Es wird in den nächsten Jahren zwei neue Biografien und ein kleineres Monster-Buch geben. Zu den Favoriten der „sonstigen“ Projekte gehören ein Buch mit Gedichten, gewissermaßen Wilhelm Busch fürs 21. Jahrhundert, und so eine Art Science-Fiction-Fantasy-Märchen, bei dem ich aber an ein jüngeres Publikum denke.

CG: Du wärst also Kinderbüchern gegenüber auch nicht abgeneigt?

CM: Ganz und gar nicht. Ich illustriere gerade eins von einem englischen Autor, weitere sind im Gespräch.

CG: Damit sind wir auch schon am Ende angelangt. Ich bedanke ich mich ganz herzlich bei dir.

CM: Vielen Dank auch.

Links zum Thema
christianmoser.de
monster-des-alltags.de
Christian Moser bei Carlsen Comics

Abbildungen © Christian Moser, Carlsen Verlag